Im grössten Prozess gegen Demokratieaktivisten in Hongkong haben am Mittwoch die Schlussanhörungen begonnen. Den 47 Angeklagten wird "Verschwörung zum Umsturz der Staatsmacht" vorgeworfen.

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Ihnen wird zur Last gelegt, mit der Organisation inoffizieller Vorwahlen im Juli 2020 vor der Parlamentswahl in Hongkong den Sturz der Regierung beabsichtigt zu haben. Grundlage ist das umstrittene, von Peking 2020 verhängte sogenannte Nationale Sicherheitsgesetz.

"Es war die ganze Zeit ihr Ziel, (...) eine beispiellose Verfassungskrise herbeizuführen, die Regierung zu lähmen und/oder politische Instabilität in Hongkong schaffen mit dem Ziel, die Staatsmacht zu stürzen", erklärte die Staatsanwaltschaft in ihrem AFP vorliegenden Schlussplädoyer. "Die Straftat liegt in der Vereinbarung selbst."

Vor Gericht stehen unter anderen die Demokratieaktivisten Joshua Wong und Lester Shum, Akademiker wie der Rechtsgelehrte Benny Tai, ehemalige Parlamentsabgeordnete wie Claudia Mo und Au Nok-hin sowie Gewerkschafter. Bei einer Verurteilung drohen ihnen lebenslange Haftstrafen.

Die Gruppe war erstmals im März 2021 angeklagt worden. Die meisten Beschuldigten befinden sich seitdem in Haft, 31 Angeklagte plädierten auf schuldig.

Die Schlussanhörungen werden voraussichtlich zehn Tage dauern, die Urteile werden nach Angaben des Richters Andrew Chan in "etwa drei, vier Monaten" verkündet.

Das Strafverfahren ist der grösste Prozess unter dem umstrittenen, im Jahr 2020 von Peking verhängten sogenannten Nationalen Sicherheitsgesetz. Menschenrechtsaktivisten und politische Beobachter sehen in dem Verfahren ein Beispiel dafür, wie das Justizsystem in Hongkong seit der Niederschlagung der Demokratie-Proteste im Jahr 2019 dazu benutzt wird, die wenigen verbliebenen Oppositionellen in der chinesischen Sonderverwaltungszone zu unterdrücken.

Der im März 2021 von der Staatsanwaltschaft erhobenen Anklage zufolge wird den Aktivisten zur Last gelegt, 2020 eine inoffizielle Vorwahl organisiert, abgehalten und unterstützt zu haben, um Oppositionskandidaten für die Hongkonger Parlamentswahl auszuwählen.

Ziel der Opposition war es laut Anklage, die Mehrheit der Sitze in der teilweise gewählten Versammlung zu erlangen und die Regierung zu zwingen, die "fünf Forderungen" der Demonstrierenden von 2019 zu erfüllen. Dazu gehörte unter anderem eine unabhängige Untersuchung von Vorwürfen der Polizeigewalt gegen die Demonstranten sowie ein allgemeines Wahlrecht für Regierung und Abgeordnete.

Laut Anklage hatten die Beschuldigten zudem die Absicht, den öffentlichen Haushalt Hongkongs zu blockieren und damit einen Rücktritt der damals amtierenden pro-chinesischen Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, zu erzwingen.

Dem Hongkonger Grundgesetz zufolge kann der Regierungschef das Parlament bei einem Veto gegen das Budget auflösen. Wird derselbe Haushalt auch von einem neugewählten Parlament abgelehnt, muss der Regierungschef zurücktreten.

Trotz staatlicher Warnungen hatten mehr als 610.000 Menschen an den Vorwahlen teilgenommen - etwa ein Siebtel der wahlberechtigten Hongkonger Bevölkerung. Für die Staatsanwaltschaft stellen diese Vorwahlen einen Umsturzversuch dar.

Die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong galt bis vor wenigen Jahren als Bastion der Meinungsfreiheit in China. Seit Peking im Jahr 2020 das sogenannte Sicherheitsgesetz erlassen hatte, gehen die Behörden in der Sonderverwaltungszone jedoch massiv gegen pro-demokratische Aktivisten und andere Peking-kritische Stimmen vor.

Bei der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 an China hatte Peking zugesichert, das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme", das den Menschen in Hongkong zahlreiche Bürgerrechte zusicherte, 50 Jahre lang aufrecht zu erhalten.  © AFP

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