Die US-Regierung droht Harvard mit dem Ende von Austauschprogrammen. Dann könnten tausende internationale Studierende nicht mehr an der Elite-Universität studieren. Christian Strowa vom Deutschen Akademischen Austauschdienst erklärt, wie gefährlich der Schritt für die transatlantische Partnerschaft wäre.

Eine Analyse
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Die Elite-Universität Harvard sieht sich seit Wochen politischen Angriffen durch die Trump-Regierung ausgesetzt. Unter anderem mit "antisemitischem Verhalten", der "Förderung von Gewalt" und der "Koordination mit Funktionären der Kommunistischen Partei Chinas" begründet das US-Heimatschutzministerium den geplanten Entzug der Zertifizierung für das "Student and Exchange Visitor Program" (SEVP).

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Laut Heimatschutzministerin Kristi Noem behandelt Harvard "amerikanische Werte mit Schande" und geht mit US-Steuergeldern nicht vertrauenswürdig um. In einer Pressemitteilung wurde Noem mit der Aussage zitiert, Harvards Weigerung, den SEVP-Standards nachzukommen, sei "der jüngste Beweis dafür, dass die Universität das amerikanische Volk verachtet und die Vorteile der US-Steuerzahler als selbstverständlich ansieht".

Trump: Harvard bekommt "Tritt in den Hintern"

Zudem hiess es aus dem Heimatschutzministerium: "Wir lehnen Harvards wiederholtes Verhalten, seine Studierenden zu gefährden und amerikanischen Hass zu verbreiten, weiterhin ab – die Universität muss ihre Vorgehensweise ändern, um an amerikanischen Programmen teilnehmen zu können."

Die Folgen wären dramatisch: Rund 7.000 internationale Studierende könnten nicht mehr an der Elite-Universität studieren. Die Massnahme ist nur einer von vielen politischen Angriffen Trumps auf liberale Bildungseinrichtungen im Land. Wiederholt hat der US-Präsident Universitäten vorgeworfen, eine "respektlose Haltung gegenüber den USA" zu zeigen.

Auf einer Pressekonferenz erklärte er, Harvard "bekommt einen Tritt in den Hintern". Er wolle Harvard wieder "grossartig" machen, doch die Hochschule suche die Konfrontation.

Zuschüsse in Milliardenhöhe gestrichen

Hauptauslöser der Diskussion ist der Umgang von Harvard mit pro-palästinensischen Proteste auf dem Campus. Die Elite-Universität dulde die Proteste, anstatt entschlossen dagegen vorzugehen. Trump nimmt dies zum Anlass, mit Sanktionen gegen Universitäten vorzugehen, die als linksliberal gelten.

Harvard widersetzt sich den weitreichenden Forderungen der US-Regierung, weshalb Trumps Regierung der Universität bereits Fördermittel in Milliardenhöhe gestrichen hat. Würde Harvard nun der SEVP-Status entzogen, dürfte die Universität keine sogenannten F-, M- oder J-Visa mehr ausstellen – jene Kategorien, die für internationale Studierende und Forschende unerlässlich sind.

DAAD-Direktor Strowa: Studierende müssten "binnen 30 Tagen" das Land verlassen

Christian Strowa, Direktor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Nordamerika, erklärt dazu: "Konkret heisst das, dass internationale Studierende, die planen, im nächsten Semester nach Harvard zu kommen, aktuell nicht die Möglichkeit haben, sich auf ein Studierenden- oder Forschungsvisum in Harvard zu bewerben."

Auch bestehende Visa würden laut einem Schreiben des Department of Homeland Security (DHS) ungültig und Studierende müssten das Land verlassen oder sich an einer anderen US-Universität immatrikulieren.

Strowa dazu: "Nach unserem Verständnis binnen 30 Tagen, was der regulären Verbleibefrist nach Ablaufen eins J- oder F-Visums entspricht." Noch ist diese Anordnung jedoch durch eine einstweilige richterliche Verfügung blockiert.

Auch Forschende betroffen

"Das J-1-Visum für Austauschbesucher wird in der Regel für Forschende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verwendet, die an Austauschprogrammen teilnehmen. Für Beschäftigte an Universitäten gibt es darüber hinaus noch weitere Kategorien, zum Beispiel H1B, die aktuell nicht betroffen sind", sagt Strowa. Diese würden sich jedoch nicht flächendeckend, sondern nur in Einzelfällen anwenden lassen.

An der Universität selbst ist der Widerstand gross. Studierende protestierten mit Plakaten, auf denen unter anderem zu lesen war: "Stand up! Fight back!", "Trump = Verräter" oder "Internationale Studierende machen Universitäten grossartig."

Widerstand an der Universität

Auch der renommierte Harvard-Professor Laurence Tribe äusserte sich in einem Interview mit MSNBC deutlich. Internationale Studierende seien in Harvard und in den USA weiterhin willkommen. "Was sie hier lernen, was sie entdecken, kommt den USA zugute", sagte Tribe.

Menschen wie Albert Einstein hätten Harvard zu einem "Mekka des Lernens und Forschens" gemacht. Tribe weiter: "Aber das ist offensichtlich ein Präsident, der Intellekt hasst." An internationale Studierende gerichtet sagte er: "Habt keine Angst. Dieser Mann ist nur ein Papier-Tiger, er ist ein Blechhorn-Tyrann."

Experte: "Massiv disruptive Auswirkungen"

Auch Strowa sieht gravierende Folgen für die deutsch-amerikanische Partnerschaft durch einen möglichen SEVP-Entzug. Harvard gehöre zu den beliebtesten Gastuniversitäten für deutsche Studierende. "Jedes Jahr findet dort beispielsweise die German American Conference statt – die grösste studentisch organisierte Konferenz dieser Art", so Strowa.

Die Tragweite für die langfristigen Beziehungen zwischen beiden Ländern sei enorm. "Ein Wegfall der Möglichkeit für Studierende aus Deutschland in Harvard zu studieren, hätte massiv disruptive Auswirkungen auf die transatlantischen Wissenschaftsbeziehungen", ist er sich sicher.

Verunsicherung ist gross

Würden über einen längeren Zeitraum Studierendenmöglichkeiten wegfallen, habe dies eine "einschüchternde Wirkung für den gesamten Sektor". Strowa warnt: "Studierende, die regulär in Harvard eine USA-Erfahrung gemacht hätten, fehlen in 10 bis 15 Jahren als transatlantische Brückenbauer in Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik."

Die Ungewissheit schlägt sich auch in der aktuellen Kommunikation mit deutschen Studierenden nieder, wie Strowa berichtet: "Wir stehen sowohl mit unseren aktuellen Geförderten als auch mit den noch nicht ausgereisten Neuausgewählten im engen Austausch und beobachten die weiteren Entwicklungen genau. Die Verunsicherung ist gross und es gibt verschiedene Fallback-Optionen, sollten Visa tatsächlich ihre Gültigkeit verlieren oder nicht ausgestellt werden."

Der DAAD empfiehlt derzeit, die anstehende gerichtliche Anhörung Ende Mai abzuwarten – viele Studierende hoffen auf eine juristische Lösung. Rechtsexperten und Verfassungsrechtler halten es für wahrscheinlich, dass Harvard erfolgreich gegen die Massnahme vorgehen kann. Sie halten den Entzug des SEVP-Status rechtlich für angreifbar– nicht zuletzt, weil er internationale Vereinbarungen verletzt und fundamentale Prinzipien akademischer Freiheit infrage stellt.

Über den Gesprächspartner

  • Christian Strowa ist Leiter der DAAD-Aussenstelle in New York und des dortigen Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH).

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