Nach kritischen Äusserungen zum Mord an dem rechten Aktivisten Charlie Kirk wurde Jimmy Kimmel von seinem Sender ABC "auf unbestimmte Zeit" abgesetzt. Was zunächst wie eine rein geschäftliche Entscheidung erschien, entpuppte sich schnell als politisches und gesellschaftliches Beben mit ernsten Folgen für die Meinungsfreiheit.

Eine Analyse
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In den Vereinigten Staaten sorgt die Absetzung der Talkshow "Jimmy Kimmel Live!"r heftige Reaktionen quer durch Medien, Politik und Gesellschaft. Was viele als satirischen Kommentar zu einem tragischen Ereignis verstanden, hatte weitreichende Folgen: Kimmel wurde nach einem kritischen Monolog zum Mord an Charlie Kirk aus dem Programm genommen.

Der Fall löste eine hitzige Debatte über Meinungsfreiheit, politische Einflussnahme und Zensur aus. Und er zeigt, wie tief gespalten die USA in der Ära Trump 2.0 tatsächlich sind. Doch was genau hat Kimmel eigentlich gesagt?

In seiner Sendung vom 15. September äusserte sich der Moderator zum Mord an dem rechten Aktivisten Charlie Kirk und kritisierte, dass konservative Kreise versuchten, den mutmasslichen Täter als unpolitischen Einzelfall darzustellen und gleichzeitig "politisches Kapital" aus dem Vorfall zu schlagen.

Kurz darauf wurde Kimmels Show von ABC einem Disney-Tochterunternehmen – aus dem Programm genommen. Der Sender sprach zwar von einer geschäftlichen Entscheidung, doch laut des "New York Magazine" war der Auslöser vor allem politischer Druck.

Barack Obama warnt vor einer "gefährlichen Form staatlicher Einschüchterung"

Im Zentrum der Kontroverse steht der FCC-Vorsitzende Brendan Carr, der öffentlich erklärte, ABC müsse nach dem Monolog von Kimmel "auf die einfache oder die harte Tour" handeln. Die FCC (Federal Communications Commission) ist die US-Regulierungsbehörde für Rundfunk, Telekommunikation und Internet und hat Einfluss auf die Sendelizenzen von Fernsehsendern. Viele werteten Carrs Worte daher als offene Drohung.

Demokratische Abgeordnete wie Cory Booker und Hakeem Jeffries forderten bereits Carrs Rücktritt. Auch Ex-Präsident Barack Obama warnte: "Die Regierung nutzt ihre Macht, um Medienunternehmen unter Druck zu setzen das ist eine gefährliche neue Stufe." Besonders ironisch dabei: Noch im Wahlkampf hatte Donald Trump versprochen, die sogenannte Cancel Culture zu beenden. Heute werfen ihm Kritiker vor, sie selbst zu praktizieren nur mit staatlichen Mitteln.

Journalist Steve Benen bezeichnete Trumps Versprechen, die Meinungsfreiheit "zurückzubringen", daher als eine "Farce". Nur acht Monate nach dessen Amtseinführung sei genau das Gegenteil eingetreten: "Die Regierung bestraft kritische Stimmen von Comedians bis Beamten mit voller Härte."

Auch die ACLU ("American Civil Liberties Union") nennt die Massnahmen der Trump-Regierung eine "verfassungswidrige Zensurkampagne". Der Versuch, Kimmel durch wirtschaftlichen und regulatorischen Druck zum Schweigen zu bringen, sei ein klarer Verstoss gegen das First Amendment, den ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung, der ausdrücklich die Meinungsfreiheit schützt auch gegenüber staatlichen Institutionen. "Die Regierung darf keine Medienunternehmen oder Sprecher bestrafen, nur weil sie abweichende Meinungen äussern", so ACLU-Direktor Christopher Anders.

Auch Verfassungsrechtler Ilya Somin sagte gegenüber PBS: "Wenn der Staat mit Lizenzentzug droht, um unliebsame Meinungen zu unterdrücken, ist das der Inbegriff eines First-Amendment-Verstosses."

Hollywood zeigt Haltung

Ausserhalb der politischen Sphäre sind die Reaktionen ebenso deutlich. US-Moderator Stephen Colbert nannte die Absetzung eine "offensichtliche Zensur" und erklärte: "Heute Abend sind wir alle Jimmy Kimmel." Jimmy Fallon und Jon Stewart reagierten derweil mit satirischen Einlagen, die die drohende Gleichschaltung der Medien aufs Korn nahmen.

David Letterman sagte bei einem Auftritt: "Du kannst nicht einfach jemanden feuern, nur weil du Angst vor einem autoritären Präsidenten hast. So funktioniert Demokratie nicht." Auch Schauspieler wie Jamie Lee Curtis, Ben Stiller, Wanda Sykes und Marc Maron äusserten sich empört. "So sieht moderner Autoritarismus aus und er ist längst Realität in diesem Land", so Maron.

Vor dem Disney-Hauptquartier in Burbank versammelten sich am Tag nach Kimmels Suspendierung Dutzende Demonstranten – darunter Mitglieder der Drehbuchautoren- und Schauspielgewerkschaften WGA und SAG-AFTRA. WGA-Präsidentin Meredith Stiehm nannte die Entscheidung, Kimmel zu suspendieren, einen "Weckruf". Auch der demokratische Senator Chris Murphy sprach im Kongress von "staatlicher Sprachkontrolle": "Das ist nicht Amerika."

Die Meinungsfreiheit wankt

Der Fall Jimmy Kimmel ist mittlerweile viel mehr als nur ein Streit um einen TV-Moderator. Er spiegelt die zunehmende politische Einflussnahme auf Medien, Kultur und Zivilgesellschaft wider. Viele sehen die Meinungsfreiheit mittlerweile nicht mehr nur unter Druck, sondern fürchten, dass sie bereits eingeschränkt ist.

Die ACLU warnt, dass die Regierung derzeit "jede Gelegenheit nutzt, um ideologische Gleichschaltung durchzusetzen". Und auch PBS-Medienexperte Dylan Byers sagt: "Was wir hier sehen, ist ein Muster und künftige Regierungen könnten diesen Präzedenzfall nutzen, um ihre Gegner zum Schweigen zu bringen."

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Ob Comedy, Meinung oder Kritik: Das Recht, frei zu sprechen, wird in den USA zur politischen Verhandlungsmasse. Die Absetzung von Jimmy Kimmel ist dabei nur ein besonders öffentliches Beispiel. Doch was als Einzelfall begann, könnte jener Kipppunkt sein, an dem die Freiheit des Wortes zerbricht in einem Land, das sich zusehends zwischen Loyalität und Konformitätsdruck verliert.

Verwendete Quellen