Rund um den Globus toben Konflikte. Viele Menschen fliehen deshalb aus ihrer Heimat auf der Suche nach Sicherheit oder einem besseren Leben. Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk war die Zahl der Vertriebenen 2024 so hoch wie noch nie. Doch es gibt auch Hoffnung.

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123,2 Millionen Menschen waren im vergangenen Jahr weltweit auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg und Menschenrechtsverletzungen. Zu diesem Ergebnis kommt das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in seinem Weltflüchtlingsbericht, den es am Donnerstag veröffentlicht und den unsere Redaktion vorab einsehen konnte. Im Vergleich zu 2023 ist die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen 2024 damit um rund sieben Millionen Menschen gestiegen – auf einen neuen Rekordwert.

"Jeder 67. Mensch auf der Erde ist gewaltsam vertrieben. Diese Zahl war nie höher", fasst Katharina Thote, die deutsche Vertreterin des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, die Ergebnisse des Berichts in einem schriftlichen Statement zusammen. Hinter dieser Zahl stünden "Menschen, Männer, Frauen und Kinder", die oft "alles verloren haben und dringend Unterstützung brauchen".

Der Anstieg lässt sich dem Bericht zufolge insbesondere auf die erste Jahreshälfte zurückführen. Von Januar bis Juni 2024 seien 5,2 Millionen Vertriebene erfasst worden. In der zweiten Hälfte habe sich der Anstieg zwar fortgesetzt, mit einer Zahl von 1,8 Millionen Menschen aber deutlich verlangsamt.

Was ist das UNHCR?

  • Das UNHCR ist eine Organisation der Vereinten Nationen (UN) und setzt sich für den Schutz von Vertriebenen, Flüchtlingen und Staatenlosen ein. Vorsitzender der Organisation ist der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, derzeit vertreten durch den Italiener Filippo Grandi. Mehr Informationen zum Hohen Kommissar und zum UNHCR finden Sie hier.

Zahl der Flüchtlinge sinkt minimal

Nach Angaben des UNHCR ist dabei die Zahl der Flüchtlinge, also der Menschen, die in anderen Länder als ihrer Heimat Zuflucht suchten, nahezu konstant geblieben. Weltweit sei der Wert um rund ein Prozent auf 42,7 Millionen Menschen gefallen. Das ist der erste Rückgang im direkten Vergleich zum Vorjahr seit 2011.

Zurückzuführen sei dieser vor allem auf sinkende Flüchtlingszahlen aus Afghanistan und Syrien. Auch bei der Zahl der geflüchteten Ukrainer habe es einen deutlichen Rückgang gegeben. Dieser ist laut UNHCR aber mit Vorsicht zu bewerten.

Hintergrund dafür sei, dass die russische Regierung in Moskau die Zahl der nach Russland geflüchteten Ukrainer seit Juni 2023 nicht mehr aktualisiert habe. Aufgrund des Alters der Angaben hätten diese im Bericht nicht mehr berücksichtigt werden können – und dürfte den Rückgang zu einem grossen Teil erklären.

Deutschland weltweit auf Platz vier der Aufnahmeländer

Die Liste der Länder, aus denen 2024 am meisten Menschen flüchteten, wird dabei angeführt von Syrien (6 Millionen). Darauf folgen Afghanistan (5,8 Millionen), die Ukraine (5 Millionen), der Südsudan (2,3 Millionen) und der Sudan (2,1 Millionen).

Hinweis zur Methodik:

  • Für die Berechnung der Zahl an Vertriebenen zieht das UNHCR eine Vielzahl von Daten, Statistiken und Berechnungen heran. Sie fussen primär auf Angaben der jeweiligen Staaten, aber auch auf eigenen Messungen des Hilfswerk. Mehr Informationen zur Methodik des Weltflüchtlingsbericht finden Sie hier.

Am meisten Flüchtlinge beherbergt hätten laut dem Bericht der Iran (3,5 Millionen), die Türkei (2,9 Millionen), Kolumbien (2,8 Millionen) Deutschland (2,7 Millionen) und Uganda (1,8 Millionen).

In Deutschland befanden sich demnach Ende 2024 vor allem Flüchtlinge aus der Ukraine (1,2 Millionen), Syrien (725.100), Afghanistan (279.700) und dem Irak (138.500).

Die Zahl der international Schutzsuchenden ist dem Bericht zufolge um 13 Prozent auf rund 4,8 Millionen Menschen gefallen. Der Wert umfasst Menschen, die sich auf das individuelle Recht auf Asyl beriefen (3,1 Millionen), im Rahmen eines Gruppenverfahrens anerkannt wurden (835.600) oder denen man vorübergehenden Schutz gewährte (954.600).

Zahl der Rückkehrer gestiegen – trotz Gefahren in der Heimat

Neben Flüchtlingen erfasst der Bericht auch Personen, die innerhalb ihres Landes vertrieben wurden (IDPs, englisch: Internally Displaced Persons). Sie machen mit 60 Prozent den Grossteil der vertriebenen Menschen weltweit aus. Ihre Zahl ist demnach im Vergleich zu 2023 um 6,3 Millionen auf 73,5 Millionen gestiegen.

Das sei vor allem durch die Konflikte im Sudan und Myanmar sowie Bandengewalt in Haiti und eine Neuschätzung der Zahl der Binnenvertriebenen in Kolumbien zu erklären.

Trotz der weltweit wachsenden Zahl an Vertrieben haben sich 2024 aber auch deutlich mehr Menschen für eine Rückkehr in ihre Heimat entschieden als 2023. Diesbezüglich verzeichnet das UNCHR einen Anstieg um 60 Prozent.

Den Grossteil der Rückkehrer machten die IDPs mit 8,2 Millionen aus. Das sei der zweithöchste Stand, der jemals verzeichnet wurde.

Das Flüchtlingshilfswerk gibt in dem Bericht aber zu bedenken, dass viele dieser Menschen in einem Kreislauf von Vertreibung, Rückkehr und erneuter Vertreibung gefangen seien.

Denn die Ursachen für ihre Flucht seien oftmals nicht nachhaltig beseitigt. So seien in der Republik Kongo etwa Millionen von Binnenvertriebenen in ihre Heimatorte zurückgekehrt – während anderswo im Land Millionen Menschen neu vertrieben wurden.

Bei zurückkehrenden Flüchtlingen verzeichnete das UNHCR mit 1,6 Millionen Menschen den höchsten Wert seit zwei Jahrzehnten. 92 Prozent davon kehrten in nur vier Länder zurück: Afghanistan, Syrien, den Südsudan und die Ukraine. Alles Länder, in denen noch immer extrem widrige Lebensumstände herrschen.

Hinweise auf sinkende Zahlen – doch UNHCR sieht Hilfen in Gefahr

2025 könnte die Zahl der weltweit vertriebenen Menschen laut dem UNHCR hingegen sinken. Darauf würden erste Schätzungen zumindest hindeuten, die bis Ende April 122,1 Millionen Vertriebene auswiesen. Ob es aber tatsächlich eine Verbesserung geben werde, hänge von den Entwicklungen bezüglich verschiedener Schlüsselfaktoren ab.

"Dazu gehört, ob Frieden oder zumindest eine Einstellung der Kämpfe erreicht werden kann, insbesondere in der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan und in der Ukraine", heisst es in dem Bericht. Auch wie sich die Lage im Südsudan entwickle und ob sich die Bedingungen für Rückkehrer speziell in Afghanistan und Syrien verbessern würden, sei entscheidend.

Das UNHCR warnt in dem Bericht aber auch davor, dass sich die Flüchtlingshilfe in einer schwierigen finanziellen Lage befinde – und positive Entwicklungen dadurch konterkariert werden könnten.

Die Zahl der gewaltsam vertriebenen Menschen sei in den letzten 13 Jahren gestiegen. Die Finanzierung für Hilfsprogramme habe mit dieser Entwicklung aber nicht standgehalten. Durch Kürzungen hätte sie sich jüngst sogar verschlechtert.

Die US-Regierung von Donald Trump hatte kürzlich die Zahlungen an das UNHCR deutlich reduziert. Für das Flüchtlingshilfswerk ist das besonders problematisch, da die USA rund ein Fünftel seines Budgets stellen. Aber auch andere Länder, darunter auch Deutschland, hätten Kürzungen angekündigt oder bereits umgesetzt.

"Ohne ausreichende Finanzierung wird es nicht genug Essen, Unterstützung und Grundunterkünfte zur Unterstützung von Vertriebenen geben", heisst es in dem Bericht. Eine mögliche Folge sei, dass Menschen nicht in ihre Heimat zurückkehren. Oder diese wieder verlassen müssten, weil die Hilfen vor Ort nicht ausreichen.

Man versuche den Menschen zu helfen, "und wir erreichen jeden Tag Zehntausende Menschen", so Katharina Thote gegenüber unserer Redaktion. "Wenn die humanitäre Hilfe aber weiter zusammengestrichen wird, ist das eine Katastrophe."

Verwendete Quellen: