Die Preise von Lebensmitteln sind in die Höhe geschnellt. Obst und Gemüse sind wichtig für die Gesundheit, hier locken Discounter teils mit Rabattaktionen - doch wie geht es weiter? Wir haben dazu Experten gefragt.

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Klimaveränderungen, politische Krisen und diverse wirtschaftliche Faktoren haben den Lebensmittel-Markt in der letzten Zeit durcheinander gebracht und in vielen Sparten zu deutlichen Preissteigerungen geführt. Auch Obst und Gemüse sind mehrheitlich teurer geworden und für viele Haushalte zu Luxusprodukten geworden, die sie sich nicht regelmässig in grossen Mengen leisten können. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher fragen sich deshalb, wie es in diesem Jahr weitergehen wird und womit sie rechnen müssen.

Was dabei für Erleichterung, aber auch Verwirrung sorgt: Entgegen der Entwicklung der letzten Monate werben einige Lebensmitteleinzelhändler momentan überraschenderweise mit speziellen Rabattaktionen. Der Discounter Aldi sorgt mit signifikanten Angeboten auf einzelne Lebensmittel aus dem Bereich Obst und Gemüse aktuell für Aufmerksamkeit. Viele Menschen wünschen sich deshalb Aufklärung und möchten wissen, ob möglicherweise eine Trendwende bevorsteht. Doch eine Prognose darüber abzugeben, wie sich die Situation in den nächsten Monaten entwickelt könnte, fällt zurzeit selbst Marktexperten schwer.

Preise von Obst und Gemüse hängen von vielen Faktoren ab

Gerade im Bereich Obst und Gemüse sind Preisschwankungen üblich, denn Angebot und Nachfrage spielen eine grosse Rolle. Michael Koch, Bereichsleiter Gartenbau bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH, beobachtet den Markt seit Jahren: "Entscheidend für die Preisbildung ist meiner Meinung nach immer noch das verfügbare Angebot. Starke und auch kurzfristige Preisveränderungen bei Obst und Gemüse sind nichts Ungewöhnliches. Die meisten Arten wachsen unter freiem Himmel und sind der Witterung ausgesetzt. Das hat einen massgeblichen Einfluss auf die verfügbaren Mengen und damit auch auf den Preis."

Frost, Hagel oder Starkregen zur falschen Zeit - dann falle das Angebot klein aus, sagt Koch. Bei optimalen Witterungsbedingungen sei der Markt eher überversorgt und lässt keinen Spielraum für höhere Preise. "Ein zweiter Faktor ist, dass sich die meisten Obst- und Gemüsearten nicht lange lagern lassen. Das heisst, wenn sie reif sind, müssen sie meist auch zügig verkauft werden. Das lässt keinen Raum für Preisspekulationen", führt Koch weiter aus.

"Erzeuger müssen ausreichend hohe Preise erzielen"

Die zuletzt stark gestiegenen Preise für Gemüse seien vor allem auf ein knappes Angebot zurückzuführen: "Die Witterungsbedingungen in Südeuropa waren ungünstig, daher wurde weniger Ware in Richtung Deutschland exportiert." Gleichzeitig sei im Gewächshausanbau im Benelux-Raum und auch in Deutschland später gepflanzt worden, um weniger teure Energie aufwenden zu müssen. Auch sei der Transport der Ware aufgrund hoher Kraftstoffkosten und gestiegener Löhne für die Fahrer teurer geworden, ebenso wie die Verkaufsflächen des Lebensmitteleinzelhandels.

"Und letztlich haben auch die Erzeuger höhere Kosten für Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmittel und natürlich Energie. Wenn entlang der Kette jede Stufe etwas mehr Geld braucht, sieht das für den Verbraucher am Ende natürlich nach recht viel aus", sagt Koch.

Wollten wir aber Obst- und Gemüseanbau in Deutschland dauerhaft sichern, müssten auch die Erzeuger ausreichend hohe Preise erzielen, um alle Kosten zu decken: "Wir haben im vergangenen Jahr auch gesehen, dass sich die Erzeuger sehr schwergetan haben, höhere Preise durchzusetzen, weil zu viel Ware verfügbar war. Erst bei knapperem Angebot ist das dann gelungen. Ein bisschen Firmenpolitik spielt natürlich schon immer mit rein. Und letztlich ist es freie Marktwirtschaft."

Kritik: "Gerade Discounter erhöhten Preise am stärksten"

Jutta Saumweber, Ökotrophologin und Leiterin des Referats Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bayern beklagt dagegen, dass die Preisbildung vieler Produkte nicht durchschaubar sei: "Die Preisentwicklung und Preisbildung vieler Lebensmittel ist sehr intransparent und häufig zu einem grossen Teil Unternehmenspolitik. Wir können selbst schwer nachvollziehen, warum es momentan zu diesen Schwankungen kommt, gerade im Bereich Obst und Gemüse."

Natürlich spielten bei einzelnen Produkten auch der Ernteertrag und die Bezahlung der Erntehelferinnen und Erntehelfer eine Rolle, viele Nahrungsmittel aus Deutschland können nicht mehr so günstig angeboten werden wie noch vor einigen Jahren, sagt Saumweber: "Das war im letzten Jahr etwa bei Erdbeeren oder Spargel aus Deutschland an den deutlich höheren Preisen zu spüren. Es ist aber auch so, dass gerade die Discounter ihre Preise in den letzten Monaten am stärksten erhöht haben. Nun senken sie diese wieder und werben natürlich damit."

Wie wird es weitergehen?

Womit Verbraucher in der nächsten Zeit hinsichtlich der Preise von Obst und Gemüse rechnen müssen, lässt sich kaum vorhersagen. Momentan sind der Markt und die Preisentwicklung von vielen unwägbaren Faktoren abhängig.

"Aus den genannten Gründen lassen sich aus der aktuellen Preissituation bei Obst und Gemüse auch keine Schlüsse auf den weiteren Verlauf ziehen", erklärt Koch. "Gerade stehen wir beim Gemüse im Übergang von spanischer Ware auf das nord- und mitteleuropäische Angebot. Da kann sich die Situation drehen, sobald es hier etwas sonniger und wärmer wird. Beim Sommerobst müssen wir erst die Blüte abwarten, um überhaupt einschätzen zu können, ob wir 2023 eine grosse oder kleine Ernte erwarten dürfen."

Man kann aber vermutlich davon ausgehen, dass weitere Schwankungen nicht ausbleiben werden. Ob die Rabattaktion bei Aldi den Markt und die Preisentwicklung bei Obst und Gemüse bemerkbar beeinflussen wird, lässt sich ebenfalls nicht einschätzen. Was aber durchaus passieren könnte: Die reduzierten Preise könnten andere Supermärkte und Discounter dazu anregen, mit ähnlichen Aktionen nachzuziehen. Schliesslich möchten alle für Verbraucherinnen und Verbraucher attraktiv sein.

"Aldi möchte mit der Aktion vermutlich auch Marketing für die aktuelle politische Diskussion um die Senkung der Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse betreiben", meint Saumweber, die sich generell dafür ausspricht, die Preise für Obst und Gemüse zu senken. Aldis Rabattaktion gehe in die richtige Richtung und werde sehr wahrscheinlich auch dafür sorgen, dass andere Supermärkte und Discounter nachziehen: "Ähnliches konnte man aktuell bei den Preissenkungen von Butter oder Getränken beobachten. Ob die Preise für Obst und Gemüse aber dauerhaft und langfristig zurückgehen werden, lässt sich nicht einschätzen".

Darauf können Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf achten

Preise von Obst und Gemüse zu vergleichen, kann sich lohnen, dennoch sollte man sich nicht von einzelnen reduzierten Preisen beeinflussen lassen, sondern genau hinsehen. Rabattaktionen sollen Kunden und Kundinnen in die Supermärkte und Discounter locken, aber nicht immer sind die Preise wirklich so preiswert, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.

Saumweber empfiehlt beim Einkaufen auf Folgendes zu achten: "Werfen Sie einen Blick auf den Grundpreis, also den Preis pro Kilogramm, und die Verpackungsgrösse. Nur so kann man direkt vergleichen und meist entlarvt man Mogelpackungen dabei ganz schnell. Es kann sich bei Obst und Gemüse auch lohnen, bewusst zu einer anderen Sorte zu greifen. Denn auch dabei gibt es teilweise deutliche Preisunterschiede. Ein Braeburn-Apfel ist häufig teurer als ein Elstar oder Gala. Bei der Sorte Elstar ist der Verbraucherpreis zum Beispiel um etwa 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Achtet man auch auf diese Details, kann man Geld sparen."

Wegen einzelner Angebote in verschiedenen Supermärkten oder Discountern einzukaufen, ist in der Regel nicht sinnvoll. Auch wenn es natürlich in vielen Haushalten auf jeden Euro ankommt. Mehrere Fahrtwege zu unterschiedlichen Einkaufsmöglichkeiten kosten aber auch Geld und meist spart man am Ende dann nicht mehr sonderlich viel.

Über die Experten:
Michael Koch ist Bereichsleiter Gartenbau bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH.
Jutta Saumweber ist Ökotrophologin und Leiterin des Referats Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bayern.
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