Der Nationalrat muss wegen seiner Geschäftslast nachsitzen: Ab heute und bis Mittwoch führt er eine dreitägige Sondersession durch.

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Debattieren wird er unter anderem über Erziehung ohne Gewalt, Individualbesteuerung und Unterstützung für Familien mit Kita-Kindern. Ein Überblick, worum es geht.

Erziehung

Eltern könnten gesetzlich dazu verpflichtet werden, ihre Kinder gewaltfrei zu erziehen. Der Nationalrat entscheidet, ob das Zivilgesetzbuch entsprechend angepasst werden soll. Gewalt von Eltern gegenüber den eigenen Kindern im Rahmen der Erziehung ist zwar schon heute nicht erlaubt. Der Bundesrat möchte den Grundsatz aber ausdrücklich ins Gesetz schreiben und festhalten, dass körperliche Bestrafungen und andere erniedrigende Behandlungen von Kindern unzulässig sind. Ausserdem will er die Prävention stärken. Die zuständige Kommission des Nationalrates beantragt dem Rat ein Ja zur Vorlage. Eine SVP-Minderheit spricht sich gegen die Gesetzesänderung aus.

Politische Rechte

Die politischen Rechte in Bundessachen sollen künftig allen Schweizerinnen und Schweizern ab 18 Jahren zustehen. Das fordert eine Motion der zuständigen Nationalratskommission, mit der sich nun die grosse Kammer befasst. Eine knappe Kommissionsmehrheit kritisiert die Bestimmung aus der Bundesverfassung, wonach die politischen Rechte in Bundessachen nur Personen zustehen, "die nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind". Der Bundesrat ist mit der Streichung dieses Halbsatzes einverstanden. Eine Kommissionsminderheit mit Vertreterinnen und Vertretern von SVP und FDP will am Status quo festhalten.

Kita-Vorlage

Der Nationalrat befasst sich ein weiteres Mal mit der Finanzierung von Plätzen in Kindertagesstätten (Kitas). Bisher wollte die grosse Kammer dafür Bundesgelder sprechen, während der Ständerat auf eine Betreuungszulage setzen will, die über Beiträge der Arbeitgebenden, der Arbeitnehmenden und der Kantone finanziert wird.

Und die kleine Kammer will die Vorlage zum indirekten Gegenvorschlag zur Kita-Initiative machen. Diese verlangt, dass Eltern höchstens zehn Prozent des Einkommens für die Kita-Plätze ihrer Kinder ausgeben müssen. Die Nationalratskommission zeigt sich nun offen für eine Betreuungszulage. Sie will den Bund aber stärker in die Pflicht nehmen als der Ständerat und mehr Geld sprechen.

Tiere

Der Nationalrat diskutiert über eine nationale Chip-Pflicht für Katzen. Anlass ist eine entsprechende Motion von Nationalrätin Meret Schneider (Grüne/ZH), welche der Bundesrat zur Annahme empfiehlt. Mit einer Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht würde eine wichtige Grundlage für den Tierschutz geschaffen, und gleichzeitig würden Tierhaltende verstärkt in die Verantwortung genommen, finden die zahlreichen Unterzeichnenden.

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) trifft bereits seit Längerem Abklärungen für eine nationale Chip-Pflicht für Katzen. Das Anliegen wird aber von Vertretern der SVP sowie der Mitte-Partei bekämpft. Damit die Motion angenommen wird, braucht es die Zustimmung beider Räte.

Strassenverkehr

Der Nationalrat befasst sich mit dem Verkehrsregime auf der Gotthard-Strassenverbindung in den Süden. Eine Urner Standesinitiative, die Verkehrsmanagement-Massnahmen und unter anderem ein Slot-System für Durchfahrten verlangt, lehnt eine knappe Mehrheit der zuständigen Kommission zwar ab.

Gleichzeitig hat die Verkehrskommission aber zwei Motionen eingereicht. Die erste verlangt die Möglichkeit für Kantone, bei Staus auf Nord-Süd-Transitachsen Kantonsstrassen für den Ausweichverkehr vorübergehend zu sperren. Die zweite fordert eine Verpflichtung für Betreiber von Navigationssystemen, den Autofahrenden solche Sperrungen bekanntzugeben. Starke Minderheiten stellen sich gegen die Motionen, und auch der Bundesrat beantragt ein Nein.

Steuern

Die Vorlage zur Einführung der Individualbesteuerung kommt ein zweites Mal in den Nationalrat, nachdem beide Kammern in der ersten Beratungsrunde dem Ansinnen knapp zugestimmt haben. Konsens herrscht darüber, die steuerliche Diskriminierung der Ehe abzuschaffen. Druck machen zwei Volksinitiativen aus den Reihen der FDP Frauen und der Mitte-Partei. Ob die Vorlage zur Individualbesteuerung ins Trockene kommt, ist aber offen, weil das Wie bei der Abschaffung der Heiratsstrafe umstritten ist. Namentlich bei der Höhe des Kinderabzugs und beim Progressionsmodell sind sich die Räte nicht einig.

Die Nationalratskommission will nun einen Mittelweg nehmen, damit die finanziellen Verluste für Bund und Kantone bei der Einführung der Individualbesteuerung geringer ausfallen als zunächst geplant. Die Mehrheiten in der Kommission waren aber knapp.

Mehrwertsteuern

Der Nationalrat beugt sich über den Mehrwertsteuersatz für den Tourismus. Nach Meinung des Ständerats soll die Hotellerie weiterhin weniger Mehrwertsteuern abliefern müssen als andere Betriebe. Der Sondersatz für Beherbergungsbetriebe von 3,8 statt 8,1 Prozent soll beibehalten werden. Die kleine Kammer nahm eine entsprechende Motion aus der SVP-Fraktion an, gegen den Willen des Bundesrates.

Eingeführt wurde der Sondersatz seinerzeit als vorübergehende Massnahme zur Stützung der kriselnden Hotelbranche. Bisher wurde der Sondersatz sechsmal verlängert, zuletzt bis 2027. Die knappe Mehrheit der Nationalratskommission ist ebenfalls für eine Verlängerung der Sonderregel - obwohl dem Bund so bis zu 300 Millionen Franken an Steuereinnahmen im Jahr entgehen.

Bundeslöhne

Die Löhne in der Bundesverwaltung sollen nicht stärker steigen als die durchschnittlichen Löhne der gesamtschweizerischen Privatwirtschaft. Das fordert eine Motion von GLP-Nationalrat Jürg Grossen (BE), welche der Bundesrat zur Annahme empfiehlt. Zwar ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Forderungen grundsätzlich bereits im aktuellen System erfüllt seien. Mit der skizzierten Anpassung am Lohnsystem könne ihnen jedoch noch besser entsprochen werden. Bekämpft wird der Vorstoss von Links-Grün. Damit die vorgeschlagenen Massnahmen in Kraft treten, braucht es die Zustimmung beider Räte. (sda/bearbeitet von sbi)