Wer in der Schweiz in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus lebt, muss künftig den Eigenmietwert nicht mehr versteuern. Überraschend deutlich hiessen die Stimmberechtigten am Sonntag die Vorlage zur Streichung des Eigenmietwerts gut.

Abgestimmt wurde allerdings nicht über den Eigenmietwert, sondern über eine neue Sondersteuer für selbstbewohnte Zweitliegenschaften. Weil dafür die Verfassung angepasst werden muss, brauchte es ein Ja von Volk und Ständen. Und dieses Ja machte das Parlament zur Voraussetzung für die Abschaffung des unbeliebten Eigenmietwerts.

Rund 1'579'300 Stimmende legten nach Angaben der Kantone und des Bundesamts für Statistik am Sonntag ein Ja in die Urnen, und gegen 1'156'600 ein Nein. Das ergab einen Ja-Anteil von 57,7 Prozent. Die Stimmbeteiligung lag bei 49,5 Prozent. Das Ständemehr war nie in Gefahr: In 19 Kantonen wurde die Vorlage angenommen, in 7 abgelehnt. Dabei zeigte sich der Röstigraben selten deutlich.

Gegen die Empfehlung der Regierungen

Die sechs Kantone der Romandie lehnte die Vorlage deutlich ab, aber ebenso deutlich Ja stimmten die anderen Kantone zu. Einzige Ausnahme ist hier Basel-Stadt: Der Stadtkanton hätte den Eigenmietwert mit rund 53 Prozent der Stimmen ebenfalls beibehalten wollen.

Auffällig ist die Haltung der Gebirgskantone. Während ihre Regierungen die Vorlage zur Ablehnung empfahlen, sagten die Stimmenden in deutsch-, italienisch- und rätoromanisch-sprachigen Tourismusgebieten klar Ja. Eine Ausnahmen machte das Wallis, wo der untere, französischsprachige Kantonsteil ablehnte.

Unter den zehn Gemeinden Gemeinden mit dem höchsten Nein-Anteil waren ausschliesslich Orte in der Westschweiz. In städtischen Gebieten stiess die Vorlage auf weniger Anklang als auf dem Land. In knapp 50 ländlichen Gemeinden gab es die höchsten Ja-Anteile von 80 Prozent oder mehr.

Neue Steuer auf Zweitliegenschaften

Der Abstimmungssieg geht an den Hauseigentümerverband, Wirtschaftsverbände sowie SVP, FDP und Mitte. Und das, obwohl Hauseigentümerinnen und -eigentümer in der Schweiz gegenüber Mietenden in der Minderzahl sind. Mit einem Kampagnenbudget von rund 7 Millionen Franken hatten sie den ungeliebten Eigenmietwert bekämpft.

Der Hauseigentümerverband hatte eine heute ungerechte Überbesteuerung kritisiert. Gerade im Pensionsalter, wenn das Einkommen sinke, schlage der Eigenmietwert für Hausbesitzerinnen und -besitzer durch. Der Eigenmietwert werde in den kommenden Jahren deutlich steigen, war von Befürwortern weiter zu hören. Denn die Kantone entschieden über die Höhe dieser Steuer.

Warnung vor höheren Steuern

Im gegnerischen Lager befanden sich die Kantone und besonders die Gebirgskantone, SP und Grüne, der Mieterinnen- und Mieterverband, Verbände wie etwa Bauenschweiz und Swisscleantech sowie der Gemeindeverband. Die Linke warnte vor höheren Steuern, für die auch Mieterinnen und Mieter aufkommen müssten.

Die Gebirgskantone befürchteten grosse Einnahmeverluste ohne den Eigenmietwert auch für Zweitwohnungen. Die Kantone müssen nun entscheiden, ob sie die Zweitwohnungssteuer einführen wollen oder nicht. Die Konferenz der Kantonsregierungen nannte diese neue Sondersteuer vor dem Urnengang "keine befriedigende Lösung".

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Inkraftsetzung noch offen

Wann die Vorlage nach einem Ja zur Verfassungsänderung in Kraft treten würde, konnte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) im Vorfeld der Abstimmung noch nicht sagen. Der Bundesrat werde den Entscheid nach einer Konsultation der Finanzdirektorinnen und -direktoren der Kantone fällen, hiess es damals. (sda/bearbeitet von fte)