Seit vergangenem Freitag herrscht im Gazastreifen eine vorsichtige Waffenruhe. Erst am heutigen Montag wurden die noch lebenden israelischen Geiseln freigelassen, viele Menschen blicken nun hoffnungsvoll in die Zukunft. Jedoch bleibt die Lage, vor allem für Kinder im Gazastreifen, weiter fragil.
Nach zwei Jahren Krieg ist der Gazastreifen für viele ein unsicherer Ort. 80 Prozent der Gebäude sind zerstört oder beschädigt, berichten die Vereinten Nationen. Tess Ingram, Sprecherin von UNICEF, war geschockt, als sie durch Gaza-Stadt fuhr: "Es war, als würde man durch das Skelett einer Stadt fahren. Kein Leben, keine Farben, nur noch Knochen", berichtet sie in einer Livesendung von CNN.
"Trotz der Waffenruhe und dem Gefühl der Erleichterung bleibt bei den Familien auch ein tiefes Gefühl von Trauer und das Bewusstsein, dass selbst mit einer Waffenruhe das Leben nicht einfach wieder so wird, wie es vorher war", sagt Ingram, die derzeit vor Ort ist.
Der Wiederaufbau des Gazastreifens wird viel Unterstützung der internationalen Gemeinschaft fordern. Wie Entwicklungsministerin Alabali Radova im "Bericht aus Berlin der ARD" sagte, wird sich Deutschland daran mit einem dreistelligen Millionenbetrag beteiligen. Zahlreiche Wohnhäuser, aber auch Schulen und Krankenhäuser sind beschädigt. Die Rückkehr zum Alltag und zu einer hoffnungsvollen Zukunft wird noch einige Zeit dauern.
Erste Hilfslieferungen kommen im Gazastreifen an
Seit Sonntag kommen wieder mehr Hilfslieferungen bei den Menschen an. Geliefert wurden unter anderem Zelte und Hygiene-Kits. Besonders dringend benötigt werden Medikamente, Lebensmittel, Trinkwasser und Treibstoff. Viele verletzte Kinder brauchen Krücken oder Rollstühle – diese durften laut UNICEF zuletzt nicht geliefert werden.
Ende August wurde in Gaza eine Hungersnot bestätigt, über eine halbe Million Menschen hungern, vor allem Kinder unter fünf Jahren sind betroffen. Durch die ausgeweiteten Hilfslieferungen soll gegengesteuert werden. Viele sind zudem verletzt oder schwer traumatisiert. UNICEF steht mit mehr als 1.300 LKW um den Gazastreifen bereit, die darauf warten, ihre Hilfslieferungen zu den Menschen zu bringen.
Winter gibt Anlass zur Sorge
Der bevorstehende Winter bereitet dem Kinderhilfswerk Sorge. Denn viele haben ihre Häuser verloren und können sich nicht ausreichend gegen die Kälte schützen. Viele Kinder, so berichtet Ingram, würden barfuss laufen. Im letzten Jahr starben mehrere Kleinkinder an Unterkühlung.
UNICEF hat bereits diesen Sommer begonnen, sich für diesen Fall zu rüsten. So wurden Planen für Zelte und Winterkleidung beschafft, um die Menschen im Gazastreifen damit zu versorgen. Erste Lieferungen mit Winterkleidung sind bereits im Gazastreifen angekommen.
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Was fordert UNICEF?
Mehrere humanitäre Organisationen der Vereinten Nationen fordern die Öffnung aller Grenzübergänge, darunter UNICEF, die WHO und das UN-Hilfswerk für Palästinenser. "Es ist entscheidend, dass alle Konfliktparteien alles tun, um die Vereinbarung umzusetzen, aufrechtzuerhalten und zu einem dauerhaften Frieden zu führen", sagte Ricardo Pires, stellvertretender UNICEF-Sprecher, am Freitag in Genf. UNICEF steht bereit, um die Hilfe im Gazastreifen auszuweiten.
Doch dürfen diese Hilfslieferungen nicht das Ende der Unterstützung im Gazastreifen sein. "Kinder in Gaza brauchen wieder geöffnete Schulen, Spielplätze und Zeit, um sich von dem unvorstellbaren Trauma zu erholen", sagt Pires.
Verwendete Quellen
- Statement von Ricardo Pires
- tagesschau.de: Deutsche Millionen für Wiederaufbau in Gaza
- unicef.de: Gaza: “Kinder müssen in ein Leben ohne Angst zurückkehren"