Brüssel/Sofia - Eigentlich wollte Bulgarien den Euro schon 2024 einführen. Doch weil die Inflation zu hoch war, hiesst es dazu bislang Nein aus Brüssel in Richtung Sofia. Nun gibt die EU-Kommission grünes Licht: Bulgarien erfülle die notwendigen Kriterien für den von der amtierende prowestliche Koalition angestrebten Beitritt zum Währungsraum zum 1. Januar 2026.
Warum will Bulgarien den Euro einführen?
"Der Beitritt zur Eurozone ist eine Möglichkeit, dass Bulgarien reicher wird", werben das Finanzministerium und die Nationalbank BNB in Sofia in einer Informationskampagne. Der Euro werde dem Fremdenverkehr helfen und bulgarischen Herstellern den Handel mit Europa und der Welt erleichtern.
Bulgarien ist seit 2007 EU-Mitglied. Seine Nationalwährung Lew (Löwe) ist aber schon seit 1999 an den Euro gekoppelt - im Verhältnis 1,95583 für einen Euro. Nach einer Finanz- und Währungskrise war der Lew seit 1997 bereits im Verhältnis 1:1 an die D-Mark gekoppelt.
Wieso hat es bislang nicht geklappt?
Die geplante Euro-Einführung 2024 musste Bulgarien unter anderem wegen der vergleichsweise hohen Inflation von 9,5 Prozent verschieben. Damit war das Kriterium der Preisstabilität nicht erfüllt. Für 2025 erwartet die EU-Kommission für Bulgarien eine Teuerungsrate von 3,6 Prozent, 2026 dann 1,8 Prozent.
Bulgarien mit seinen rund 6,4 Millionen Einwohnern gehört zu den ärmeren EU-Ländern und war 2024 beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf Schlusslicht in der Europäischen Union. Für 2025 ging die EU-Kommission in ihrer jüngsten Konjunkturprognose von 2,0 Prozent Wirtschaftswachstum aus, für 2026 sagt sie 2,1 Prozent Plus voraus.
Das Vermögen in dem Balkanland ist sehr ungleichmässig verteilt, die Kluft zwischen Arm und Reich ist gross. Der Mindestlohn beträgt 1.077 Lewa (626,83 Euro) im Monat. 30 Prozent der Wirtschaft entfallen nach den Worten von Finanzministerin Temenuschka Petkowa auf die Schattenwirtschaft.
Wer entscheidet über den Euro-Beitritt eines Landes?
Die Fortschritte der Euro-Kandidaten bei Inflation, Staatsverschuldung und stabilen Wechselkursen werden regelmässig von der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission überprüft - mindestens einmal alle zwei Jahre oder auf Antrag eines EU-Staates, der den Euro noch nicht eingeführt hat.
Ob ein Land bereit ist für den Euro, entscheidet letztlich der Rat der Europäischen Union. Vertreter aus allen EU-Ländern treffen diese Entscheidung auf Grundlage eines Vorschlags der EU-Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments.
Was sind die nächsten Schritte?
Nach dem nun erfolgten Vorschlag der EU-Kommission müssen die Euro-Mitgliedsstaaten zustimmen und das Europäische Parlament muss sich dazu äussern. Die EU-Staats- und Regierungschefs diskutieren dann über den Beitritt, bevor die Mitgliedsstaaten im Rat der Europäischen Union grünes Licht geben.
Gibt es Kritiker in Bulgarien?
Die prorussische nationalistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt) ist gegen den Euro. Die Nationalisten, die im Europaparlament zusammen mit der deutschen AfD zur Fraktion Europa der souveränen Nationen gehörten, werben für den Erhalt der Landeswährung Lew. Die drittstärkste Partei im bulgarischen Parlament warnt vor einem "Preisschock" noch vor der Einführung des Euro.
Staatspräsident Rumen Radew stellt den von der Regierung angestrebten Termin 2026 zur Einführung des Euro infrage. Der als prorussisch geltende Politiker bemängelt, dass die Bevölkerung nicht ausreichend auf eine Währungsumstellung vorbereitet sei. Er fordert zudem Massnahmen gegen eine übermässige Verteuerung von Waren und Dienstleistungen.
Kann es noch ein Referendum in Bulgarien geben?
Radew forderte vergeblich eine Volksbefragung über den Termin zur Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung in Bulgarien. Sein Antrag wurde nicht zur Abstimmung im Parlament zugelassen. Erst vor wenigen Tagen lehnte die prowestliche Parlamentsmehrheit zum zweiten Mal nach 2023 ein von Wasraschdane beantragtes Referendum über den Euro ab. Bulgariens Bevölkerung ist Umfragen zufolge in der Frage gespalten, ob der Euro für sie eher Vor- oder eher Nachteile bringen wird.

Welche Auswirkungen hätte ein Beitritt Bulgariens auf die Eurozone?
Ein weiteres Land im Währungsraum erleichtert Handel und Reisen. Wer Geschäfte macht oder investieren will, muss sich keine Sorgen mehr um Wechselkurse machen. Zudem wäre der Vergleich von Preisen zwischen den bisherigen Euroländern und Bulgarien einfacher, wenn auch dort mit Euro bezahlt würde.
Auch Touristen würden profitieren, weil sie sich nach einem Euro-Beitritt Bulgariens keine Landeswährung mehr besorgen müssen, was in der Regel mit Kosten verbunden ist.
Bulgarien würde mit seinem Beitritt zum Euroraum mit den anderen Eurostaaten über die Stabilität der gemeinsamen Währung wachen: als Mitglied im EZB-Rat, in dem die geldpolitischen Entscheidungen zum Beispiel zur Höhe der Leitzinsen im Währungsraum getroffen werden. © Deutsche Presse-Agentur