• Obwohl sich die Delta-Variante immer weiter ausbreitet, dürfen Zehntausende Zuschauer in die EM-Stadien.
  • Zum Endspiel in London sollen sogar 60.000 Zuschauer in das Wembley-Stadion dürfen.
  • Bundesinnenminister Horst Seehofer und die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Markus Söder üben harsche Kritik.

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Vor dem EM-Achtelfinale zwischen England und Deutschland wird die Kritik an der Zuschauer-Aufstockung für das Wembley-Stadion und am Fanverhalten in der Coronavirus-Pandemie lauter.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) sagte mit Blick auf die Delta-Variante, vor allem in Grossbritannien seien Zehntausende Zuschauer im Stadion "unverantwortlich". In der "Süddeutschen Zeitung" appellierte Seehofer an die Europäische Fussball-Union UEFA und die britische Regierung, Zuschauerzahlen "deutlich nach unten zu korrigieren".

Bis zu 45.000 Fans sind am Dienstagabend zugelassen. Für die Halbfinals und das Endspiel sollen sogar 60.000 Zuschauer in das Wembley-Stadion dürfen.

Kretschmann: Plan der UEFA ist unverfroren

Weil die Corona-Zahlen durch die Delta-Variante zuletzt in Grossbritannien wieder stiegen, ist der Schritt umstritten. Dass die Partien überhaupt dort ausgetragen werden sollen, bezeichnete der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann als "eigentlich nicht zu verantworten". Dies ginge "nur mit harter Einhaltung der Regeln und der Abstände", sagte der 73-Jährige dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Die UEFA und der Deutsche Fussball-Bund müssten "dringend dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden. Der Plan, jetzt noch mehr Leute in die Stadien zu lassen, wie in Wembley, ist unverfroren", sagte der Grünen-Politiker.

Manche bisherigen Bilder vermittelten den Eindruck, dass die Pandemie vorbei sei. "Das ist ein absolut falsches Signal", sagte Kretschmann. Spiele in vollen Stadien und Zuschauer ohne Abstand oder Masken könnten zum Superspreader-Event werden. "Dieser Leichtsinn macht mich fassungslos", sagte Kretschmann dem RND.

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Söder: "Hätte das in Ungarn so nicht gemacht"

Zu Vorsicht mahnte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Am Spielort München und in Deutschland allgemein sei es bislang "gut gelaufen", sagte Söder der "Bild". Man habe sich "ganz bewusst dafür entschieden, so lange abzuwarten, bis klar war, wie sich die Inzidenzen bei uns entwickeln", sagte er mit Blick auf eine Zulassung von Fans und betonte: "Ich möchte halt nicht, dass es uns einholt."

Dass in Budapest mehr als 55.000 Zuschauer in das Stadion durften, hält Söder für einen Fehler. "Ich hätte das in Ungarn so nicht gemacht, hätte das nicht verantworten wollen. Ausgangspunkt für ein Superspreader-Event zu sein, das ist der Fussball in dem Verhältnis nicht wert. Geniessen ja, aber geniessen mit Verstand", sagte Söder.

"Wir machen alles kaputt, was wir uns aufgebaut haben"

Auch EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas mahnte die UEFA zu Vorsicht. Der Verband müsse eine Entscheidung über ein EM-Halbfinale und EM-Finale in einem stark gefüllten Stadion in Wembley sorgfältig abwägen, sagte er. Er erinnerte daran, dass Grossbritannien die Reisemöglichkeiten seiner Bürger einschränke und es eine "gewisse Symmetrie" und Verhältnismässigkeit bei diesen Entscheidungen brauche.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen warnte vor Nachlässigkeit. "Es besorgt mich als Gesundheitspolitiker und Arzt gleichermassen, wenn trotz des rasanten Anstiegs gefährlicher Virusvarianten an den dicht-gedrängten Fussballstadien, oftmals ohne ausreichenden Abstand und Maske, festgehalten wird", sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Dahmen wandte sich generell gegen den derzeitigen Corona-Kurs der EM-Verantwortlichen. "Inzwischen sind ja sogar Nationalspieler mehrerer Mannschaften infiziert", sagte er. "Wir machen so alles kaputt, was wir uns an niedrigen Fallzahlen aufgebaut haben." Zuletzt war die Corona-Infektion des kroatischen Nationalspielers Ivan Perisic bekannt geworden. (dpa/mko)

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