Es war eine der verheerendsten U-Boot-Katastrophen der Moderne. Der Untergang der "Kursk" forderte das Leben von 118 Seemännern und erschütterte das Vertrauen in den jungen Präsidenten Putin. Am 12. August jährt sich das Unglück zum 25. Mal – und immer noch sind viele Fragen offen.

12. August 2000: In der Barentssee nordöstlich von Murmansk gibt es eine Erschütterung der Stärke 1,5 auf der Richterskala. Norwegische Seismografen registrieren das Ereignis um 7:29 Uhr UTC (koordinierte Weltzeit). Zwei Minuten später folgt eine weitere Detonation, diesmal mit der Stärke 3 – ein Ereignis, das selbst in Alaska noch zu spüren ist.

Nahe dem Ursprung der Erschütterung sind mehrere russische Schiffe an einem Manöver beteiligt. Diese halten die Detonationen jedoch für einen Teil der Übung. Etwa zwei Stunden später fällt auf, dass der Kontakt zur "Kursk" abgebrochen ist. Das Atom-U-Boot der Oscar-II-Klasse, 154 Meter lang und von zwei Druckwasserreaktoren mit einer Leistung von 98.000 PS angetrieben, ist eines der Aushängeschilder der russischen Marine und eines der grössten je gebauten U-Boote.

Untergang der "Kursk": 23 Matrosen überleben zunächst

Während das Manöver auf der Wasseroberfläche erst einmal wie geplant weitergeht, spielen sich in 108 Metern Tiefe dramatische Szenen ab. Wie später rekonstruiert wird, explodiert auf der "Kursk" ein Torpedo. Wahrscheinlich wurde dessen Motor zu früh eingeschaltet, der Torpedo überhitzte und brachte Wasserstoffperoxid, das als Treibstoff fungierte, zum Detonieren. Der Brand breitet sich aus, sodass zwei Minuten später weitere Torpedos detonieren. Die Explosion reisst ein etwa zwei Quadratmeter grosses Loch in den Rumpf. Das Boot sinkt.

Ein Grossteil der Besatzung ist sofort tot. Aber 23 Männer überleben zunächst. Sie retten sich in den hinteren Teil des Bootes und hoffen auf ein Wunder. Doch erstmal geschieht – nichts.

Denn die russische Admiralität zögert, die Meldung von der Katastrophe an das Verteidigungsministerium weiterzugeben. Ganze 12 Stunden dauert es, bis die Nachricht in Moskau ankommt. Der frisch gewählte Präsident Putin erfährt erst am folgenden Morgen davon, da er sich zu der Zeit im Sommerurlaub in Sotschi befindet. Sogar US-Präsident Bill Clinton ist da schon im Bilde. Staaten wie Grossbritannien bieten umgehend Hilfe an, doch Russland lehnt ab. Und Putin bleibt im Urlaub.

Vertuschungspolitik nach "Kursk"-Unglück: Schuldzuweisungen statt Hilfe

Zu allem Überfluss behauptet die russische Marineführung auch noch, der Grund für das Unglück sei eine Kollision mit einem U-Boot der Nato. Schuldzuweisungen statt Hilfe. Denn ob es vielleicht doch noch Überlebende gibt, ist zu dem Zeitpunkt noch nicht klar.

In völliger Dunkelheit verharren eben diese überlebenden Matrosen in der Tiefe. Unter ihnen Kapitänleutnant Dmitri Kolesnikow. Der 27-Jährige schreibt auf einem Blatt Papier eine letzte Nachricht. Was genau in dem Brief steht, ist bis heute unbekannt. Veröffentlicht wurden nur ein paar einzelne, erschütternde Sätze:

"Wir haben wegen eines Unfalls diese Entscheidung getroffen. Niemandem von uns gelingt es, nach oben zu steigen", schreibt Kolesnikow.

Die Nachricht verfasst er um 11:45 Uhr UTC. Danach nichts mehr. Die gängigste Theorie besagt, dass einer der Matrosen einen Kohlendioxid-Filter in Wasser oder Öl fallen liess. Die darauffolgende Reaktion hat dann einen Brand verursacht, den niemand überlebt hat.

Veraltete Technik: Russische Marine dringt nicht zur "Kursk" vor

Am Tag nach dem Unglück werden erste Rettungsmassnahmen eingeleitet. Das Problem: Die russische Marine verfügt nur über veraltete Technik. Zwar bieten unter anderem Norwegen und die USA ihre Hilfe an, doch die Russen lehnen ab und versuchen, mit ihren Rettungs-U-Booten der "Pris-Klasse" die "Kursk" zu erreichen. Vergeblich.

In der Öffentlichkeit versucht man, die Situation kleinzureden, man habe die Situation unter Kontrolle. Auch der neue Präsident Putin sieht keine Veranlassung, seinen Schwarzmeerurlaub zu unterbrechen. Das wird er erst nach fünf weiteren Tagen tun.

Über eine Woche nach der Katastrophe akzeptiert die russische Regierung schliesslich Hilfe. Einem norwegischen Team gelingt es, mit Tauchrobotern das Wrack zu erreichen. Das Innere ist überflutet, die Besatzung ist tot.

Untergang ist keine Überraschung für Experten

Für Experten war die Katastrophe alles andere als eine Überraschung, wie es etwa in einem Beitrag von Spiegel TV heisst. Die stolze Marine Russlands war teilweise in einem erbärmlichen Zustand; die Technik war veraltet, dringende Wartungsarbeiten wurden nicht durchgeführt. Schon in den Jahren zuvor kam es immer wieder zu teils schwerwiegenden Unfällen auf sowjetischen, später russischen U-Booten.

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Man kann wohl nur erahnen, was in Olga Kolesnikowa vorging, als sie die letzten Zeilen ihres Mannes Dmitri las. Der Brief, der in Kolesnikows Tasche gefunden wird, gibt Auskunft über die dramatischen Stunden im Dunkeln. Der Kapitänleutnant und sein Team haben die ersten Explosionen wahrscheinlich etwas mehr als vier Stunden überlebt.

Was in der verbleibenden Zeit genau passiert, bleibt unklar. Den vollständigen Brief ihres Mannes Dmitri hat seine Ehefrau bis heute nicht erhalten.

Verwendete Quellen