Die Republik Moldau hat gewählt, die proeuropäische Regierung bleibt an der Macht. Im Vorfeld hat der Kreml versucht, die Wahlen zu beeinflussen – mit Stimmenkauf, Cyberangriffen und Desinformation. Eine Expertin erklärt, warum das kleine Land für Moskau so interessant ist und warum es mit der politischen Einflussnahme nicht wie von Russland gewünscht geklappt hat.
Als "die wichtigste Wahl der Geschichte" hatte Präsidentin Maia Sandu die Wahlen in Moldau im Vorfeld bezeichnet. Es ging um 101 Sitze im Parlament, aber auch um den künftigen Kurs des Landes zwischen der EU und Russland.
Sandu dürfte mit dem Ausgang zufrieden sein: Die proeuropäische Regierungspartei "Partei Aktion und Solidarität" (PAS) kam bei den Wahlen am Sonntag (28.) auf 50,3 Prozent der Stimmen und verteidigt damit ihre absolute Mehrheit.
Moldau ist für Expertin ein "Schlachtfeld"
Auf den prorussischen "Patriotischen Block" um den früheren Staatschef Igor Dodon entfielen 24,3 Prozent der Stimmen. Insgesamt waren rund drei Millionen Menschen im In- und Ausland wahlberechtigt.
Brigitta Triebel, Leiterin des Auslandsbüros Republik Moldau der Konrad-Adenauer-Stiftung, hat die Wahlen aufmerksam verfolgt. "Die Wahl in Moldau ist auch für uns relevant: Russland führt im Nachbarland, der Ukraine, einen Krieg und betreibt in ganz Europa hybride Kriegsführung", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Moldau sei ein "Battlefield" (Schlachtfeld) und ein Land, in dem Moskau schon seit langer Zeit versuche, politischen Einfluss zu halten oder zu gewinnen.
Ukraine destabilisieren
Das nur zwei Flugstunden von Berlin entfernte Moldau grenzt an Rumänien und die Ukraine. Mit der Ukraine teilt sich das Land, das seit 2022 EU-Beitrittskandidat ist, eine knapp 1.000 Kilometer lange Landgrenze, die im Südwesten der Ukraine verläuft.
"Wenn in (der moldawischen Hauptstadt, Anm. d. Red.) Chişinău die Regierung prorussisch wäre oder sogar von Moskau sogar kontrolliert werden würde, könnte das bedeuten, dass die Ukraine vom Süden oder Westen her destabilisiert oder sogar angegriffen wird", sagt Triebel.
Strategisch wichtige Lage
Mit Rumänien als Nachbar grenzt Moldau ausserdem direkt an EU- und NATO-Gebiet. "Hätte man hier eine prorussische Regierung, müsste man ähnlich wie in Belarus mit Destabilisierungsversuchen rechnen. Das könnten etwa künstlich herbeigeführte Flüchtlingsbewegungen oder Drohnenangriffe sein", so Triebel. All das sei von Moldau aus für den Kreml besser möglich.
Moldau grenze zwar nicht direkt an das Schwarze Meer, aber die Lage sei wichtig, um das Schwarze Meer zu kontrollieren. "Russland könnte von hier aus den Norden des Schwarzen Meeres in der Hand haben", warnt sie.
Versuche der Einflussnahme
Schon während des Wahlkampfes hatte es unterschiedliche Versuche der Einflussnahme aus Russland gegeben – etwa durch Stimmenkauf oder Trollfabriken, aus denen Desinformationen vor allem gegen die EU, die moldauische Präsidentin Maia Sandu oder die PAS-Regierung verbreitet wurden.
"Schon seit der Invasion in der Ukraine hat Russland ein grosses Netz aufgebaut, um Stimmen – zunächst für Lokalwahlen – zu kaufen", sagt Triebel. Seit der Präsidentschaftswahl in Moldau im letzten Jahr habe man dieses Netz ausgebaut. Damals waren mehr als hunderttausend Stimmen gekauft und haben die Wahl beeinflusst. Sandu gewann die Stichwahl mit rund 55 Prozent der Stimmen.
Festnahmen und Durchsuchungen
Ende August war Kanzler Friedrich Merz (CDU) auf Kurzbesuch in Moldau und sicherte seine Solidarität zu. Im Wahlkampf selbst gab es hunderte Durchsuchungen und dutzende Festnahmen.
"Vor der jetzigen Wahl wurden in Moldau Schläfer festgenommen, die mit den russischen Geheimdiensten zusammenarbeiten, um Unruhe und Gewalt auf die Strasse zu bringen. Es gab auch viele Cyberangriffe, zum Beispiel auf die Polizei oder die Wahlkommission", sagt Triebel.
Doch das Wahlergebnis legt nahe: Die russische Einflussnahme hat dieses Mal nicht so gut funktioniert wie im letzten Jahr bei der Präsidentschaftswahl. "Die Sicherheitskräfte in Moldau waren diesmal wesentlich besser vorbereitet, haben den Stimmenkauf nachvollziehen könne und Menschen vorgeladen, die Stimmen gekauft oder das System organisiert haben", erklärt die Expertin. Ausserdem habe man grosse Informationskampagnen gegen Stimmenkauf im ganzen Land gestartet.
Kreml hat die Wahl unterschätzt
Triebel meint: "Moskau scheint die Wahlen unterschätzt zu haben. Vielleicht hat man gedacht, dass die proeuropäische Regierung aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage so sehr unter Druck steht, dass man den Erfolg näher gesehen hat, als er dann tatsächlich war."
Zudem sei der Wahlkampf von Seiten der Opposition sehr schlecht geführt worden. Die Oppositionsparteien hätten kein anderes Thema gehabt, als gegen die PAS-Regierung zu schiessen und sie als gefährlich und schlecht für Moldau darzustellen. "Das hat viele Menschen offenbar nicht überzeugt", so Triebel.
Kein Grund zur Entwarnung
Auch, wenn in Moldau nun proeuropäische Kräfte an der Macht bleiben – Grund zur Entwarnung ist das aus Sicht von Triebel aber nicht. "Moldau bleibt sehr gefährdet. Wenn die Ukraine die Verteidigung im Süden an der Schwarzmeerküste nicht halten würde, wäre Moldau sicherlich ein nächstes Ziel", warnt sie.
Russland könne Moldau derzeit zwar nicht militärisch einnehmen, versuche es aber deshalb politisch zu beeinflussen. "Das wird man nicht aufgeben und das wird mit diesen Wahlen nicht vorbei sein", sagt die Expertin. Ausserdem dürfe der Sieg der PAS nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land weiterhin zersplittert bleibt.
Land bleibt zerrissen
"Die Wahlbeteiligung war mit 52 Prozent recht niedrig und die einzige vertrauenswürdige proeuropäische Partei hat rund 50 Prozent der Stimmen erhalten. Es gibt aber Regionen, in denen die PAS nur drei Prozent bekommen hat", so Triebel. Die tieferliegenden Probleme des Landes habe die Wahl nicht lösen können.
Empfehlungen der Redaktion
"Es fehlt nach wie vor an einer gemeinsamen Idee, ob man wirklich Richtung Europa will oder zurück nach Moskau", so Triebel. Das bleibt eine Frage, die die Gesellschaft spaltet – auch nach der Wahl.
Über die Gesprächspartnerin
- Dr. Brigitta Triebel ist Leiterin des Auslandsbüros Republik Moldau der Konrad-Adenauer-Stiftung.