Japans Regierung lädt hohe Vertreterinnen und Vertreter rund 50 afrikanischer Staaten nach Tokio ein, um sie zu umgarnen. Dahinter steckt ein Wettkampf mit dem ungeliebten Nachbarn China um globalen Einfluss. Grösster Profiteur könnte Afrika selbst sein.

Als Shigeru am Mittwoch hinter dem Rednerpult stand, hätte man denken können, er spricht von einem Land, wie er es sich erträumt: Es fielen die Beschreibungen "junge Bevölkerung","reichlich Energieressourcen" und "grosse Wachstumspotenziale", wie es etwa bei "NHK World Japan" heisst. Alles Dinge, die man in Ishibas Heimat Japan eher vermisst. Das ostasiatische Land verfügt jenseits von Wind, Sonne und Wasser kaum über Rohstoffe, altert in hohem Tempo, stagniert auch deshalb seit langem ökonomisch.

Doch im Saal von Yokohama wussten alle, wovon der japanische Premierminister sprach – von Afrika. Schliesslich sind die meisten Anwesenden auf einer Konferenz in der Metropole am Südrand von Tokio aus jenem Kontinent angereist. Sie sind hier, um sich von Japans Regierungschef Honig um den Bart schmieren zu lassen und letztlich mit ein paar attraktiven Deals wieder nachhause zu fahren.

Rund 50 Regierungsvertreter Afrikas zu Gast in Japan

Seit Mittwoch findet in Yokohama die drei Tage dauernde "Tokyo International Conference on African Development" statt – kurz: TICAD. Während der Name andeutet, dass es hier vor allem um die Entwicklung afrikanischer Staaten geht, machten schon die Worte von Shigeru Ishiba zur Eröffnung des Events klar: Der Gastgeber tritt hier kaum als Altruist auf, die angestrebten Handels-, Ausbildungs- und Investitionsdeals sollen nicht zuletzt Japan selbst nutzen. Und auch gleich einen der grössten Konkurrenten schwächen: China.

Schon die Anwesenheitsliste ist beachtlich: Hohe Vertreterinnen und Vertreter – viele davon Regierungschefs – aus rund 50 afrikanischen Staaten sind nach Japan gereist, um sich dort Vorschläge zu einer engeren Zusammenarbeit anzuhören. Sie reichen von einer freien Wirtschaftszone am Indischen Ozean, durch die mit Japan Freihandel betrieben werden könnte, über die Ausbildung rund 30.000 afrikanischer Experten und Expertinnen im Bereich Künstlicher Intelligenz. Mit 30 Staaten soll es auch bilaterale Treffen geben.

Japans grosser Konkurrent heisst China

Warum das Ganze? Weil man in Japan längst nervös geworden ist: Denn nicht nur stagniert die eigene Volkswirtschaft seit mittlerweile Jahrzehnten, da inmitten einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung weiteres Wirtschaftswachstum schwieriger geworden ist. Gleichzeitig befindet sich der ungeliebte Nachbar China seit Jahren auf einem globalen Expansionskurs. China löste Japan im Jahr 2010 als zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt ab. Mittlerweile ist China weit enteilt.

Dennoch bemüht sich die Regierung in Tokio, den regionalen und globalen Einfluss Chinas zu limitieren. In Japan spricht man über China wahlweise als Rivale oder sogar Feind: Nicht nur wegen historischer Konflikte und Territorialstreitigkeiten, sondern auch aus ideologischen Gründen: Während Japan eine Demokratie ist, die Menschenrechte weitgehend respektiert, ist der Pekinger Ein-Parteienstaat eine Diktatur mit politischen Gefangenen, einer kontrollierten Presse und einer handzahmen Wirtschaft.

Tokioter Versuche, Chinas Einfluss auf andere Staaten einzudämmen, waren bisher vor allem im asiatischen Raum zu beobachten. 2016 verkündete der damals regierende Premier Shinzo Abe die Idee des "Free and Open Indopacific", durch die Japan vor allem Staaten Südostasiens anbot, in deren Infrastruktur zu investieren – mit Betonung auf Qualität und Transparenz. Es war eine offensichtliche Spitze gegenüber China, das mit seinem Projekt der Neuen Seidenstrasse Ähnliches tut, Staaten aber dadurch oftmals in eine Abhängigkeit bringt.

Streben nach mehr Unabhängigkeit von den USA

Hinzu kommt allerdings auch, dass sich Japan zusehends um mehr Unabhängigkeit von seinem wichtigsten Sicherheitspartner, den USA, bemüht – durch De-Risking. Sich überregional zu vernetzen kann dabei helfen, befindet Raymond Yamamoto, Professor an der Universität Aarhus und Sicherheitsexperte. "Japan will offenbar vermeiden, in den wachsenden Konflikt zwischen den USA und China verwickelt zu werden." Die Strategie: Starke Verbindungen anderswo schaffen.

Gegenüber den Vertretern aus Afrika sprach Japans Premier Ishiba am Mittwoch von "gemeinsamen Lösungen für Herausforderungen", die auch "Afrikas regionale Integration und industrielle Entwicklung" fördern sollen. Konkret dürften etwa auch japanische Universitäten an Hochschulen in Afrika Kurse zu Künstlicher Intelligenz anbieten – von deren Absolventen man sich dann erhofft, dass sie später etwa für Unternehmen aus Japan arbeiten, wo es massiv an Arbeitskräften mangelt.

Der Vorstoss aus Japan ist nicht ganz neu, TICAD besteht seit einigen Jahren. Das Treffen ist in seinem Umfang aber gewachsen. Das liegt auch daran, dass das japanische Engagement in Afrika gerade jetzt grosses Potenzial hat: Zwar wächst Chinas Einfluss noch immer, doch die USA ziehen sich auf vielen Ebenen eher zurück – den Platz könnte Japan einnehmen. Wegen der Abschaffung der US-Entwicklungshilfeorganisation USAid durch US-Präsident Trump entstehen auf dem ärmsten Kontinent der Welt Lücken in Milliardenhöhe, was Millionen Menschen das Leben kosten könnte.

Nun besteht Hoffnung, dass Japan zumindest einige dieser Lücken füllen und in die Bresche springen kann: Im Vorfeld der Konferenz in Yokohama betonte Haoliang Xu laut NHK World Japan, Administrator des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, dass Japans Entwicklungszusammenarbeit in Afrika – bisher insbesondere in Form von Infrastrukturausgaben – gerade heute unverzichtbar sei. In Afrika hofft man jetzt auf mehr.

Profiteur könnte Afrika selbst sein

Generell könnte für die Staaten Afrikas allmählich eine neue Ära anbrechen, in der sie international selbstbewusster auftreten können als bisher. Denn obwohl der Protektionismus durch die US-Regierung zu einem Einbruch der Entwicklungsgelder führt, hat das Interesse an Afrika über die letzten Jahre deutlich zugenommen.

Neben China und Japan buhlen längst auch Russland und die Staaten der EU um Einfluss und Partnerschaften auf dem Kontinent. Sie machen Ex-Kolonialmächten wie Frankreich und Grossbritannien die Stellung streitig.

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Wie die Staaten Südostasiens können es sich daher auch jene aus Afrika allmählich aussuchen, mit wem sie sich verpartnern wollen – und welche Bedingungen sie dafür verlangen. Wie gut sie verhandeln, könnte sich am Ende der Konferenz in Yokohama andeuten. Dann wollen Japan und seine rund 50 Gäste eine gemeinsame Erklärung über die künftige Zusammenarbeit geben. Eine Zusammenarbeit, bei der China aussen vor sein könnte.

Verwendete Quellen