Die Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger ist zeit- und kostenintensiv. Die Koalition will eine Lohnersatzleistung prüfen. Nun positioniert sich die neue Familienministerin - allerdings eher vage.

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Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) hat sich grundsätzlich dafür ausgesprochen, ein Familienpflegegeld als Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige einzuführen. "Wir haben als Gesellschaft ein riesengrosses Interesse daran", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Es wird mit unserer demographischen Entwicklung nicht möglich sein, dass Pflege allein von Fachkräften geleistet wird. Deshalb müssen wir einen Einstieg in ein Pflegegeld als Lohnersatz für pflegende Angehörige schaffen."

Dabei seien verschiedene Varianten denkbar. "Man kann über die Bezugsdauer reden, über die Höhe, über eine soziale Staffelung", sagte Prien. Zugleich relativierte sie aber die Aussichten darauf: "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass sich die wirtschaftliche Lage verbessert. Aber auch wenn das klappt, wird man Schwerpunkte setzen müssen. Und oberste Priorität hat für mich mehr Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche."

Koalitionsvertrag sieht "Prüfung" vor

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD dazu lediglich einen Prüfauftrag vereinbart: "Wir prüfen, wie perspektivisch ein Familienpflegegeld eingeführt werden kann."

Bisher gibt es bereits ein Pflegegeld, das Pflegebedürftige erhalten, um damit die Kosten von Unterstützungsangeboten - auch von Angehörigen - zumindest teilweise zu begleichen. Zudem gibt es eine Familienpflegezeit, in der sich Angehörige kurzzeitig von der Arbeit freistellen lassen können und dann eine Lohnersatzleistung - das Pflegeunterstützungsgeld - erhalten. Alternativ ist dies auch länger möglich, aber nur mit einem Darlehen statt eines Lohnersatzes. Die Einführung eines Familienpflegegelds war bereits ein Vorhaben der alten Bundesregierung gewesen.

Sozialverbände wollen Pflegegeld wie Elterngeld

Mehrere Sozialverbände haben die Pläne für ein Pflegegeld als Lohnersatz bei der Pflege Angehöriger von Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) begrüsst. "Das Pflegegeld sollte analog zum Elterngeld ausgestaltet sein", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Joachim Rock, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch die Chefin des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, forderte eine "Entgeltersatzleistung für Pflegezeiten mindestens in Höhe des Elterngeldes".

Ein "reines Pauschalmodell" werde der sozialen Realität vieler Pflegender nicht gerecht, sagte Engelmeier. "Stattdessen braucht es eine sozial gestaffelte Lösung mit klarer Ober- und Untergrenze, die sich am vorherigen Einkommen orientiert." Pflegende müssten sich ohne Existenzangst um ihre Angehörige kümmern können.

Rock gab als "Orientierung" einen Anteil von 65 Prozent des "letzten Nettoeinkommens, mindestens aber 300 und maximal 1800 Euro", an. Er forderte, dass Angehörige deutlich stärker unterstützt werden.

Gemischte Meinungen bei Pflegeexperten

Zuspruch erhielt der Vorstoss Priens auch vom BIVA-Pflegeschutzbund, der Interessenvertretung bei Pflege und Betreuung. Wenn Angehörige ihre Erwerbstätigkeit wegen der Pflege einschränken oder ganz aufgeben, sei dies für die pflegenden Angehörigen ein erhebliches Armutsrisiko, warnte Markus Sutorius, Jurist beim Pflegeschutzbund. "Es braucht Anreize für pflegende Angehörige, diese wichtige Arbeit zu übernehmen", forderte er in den Funke-Zeitungen.

Bedenken äusserte indes der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. Eine solche Leistung könnte neue Ungerechtigkeiten schaffen. "Gerade Bezieher relativ hoher Einkommen könnten eine Pflegeauszeit aus eigenen Mitteln finanzieren, werden aber mit dem Familienpflegegeld auch von Bürgern mit geringeren Einkommen finanziert", sagte Wasem der Mediengruppe. (dpa/afp/ bearbeitet von lko)