Russland und der Iran sind Verbündete – doch im Konflikt mit Israel springt Moskau seinem Partner kaum bei. Mehr als scharfe Verurteilungen kommen derzeit nicht aus dem Kreml. Könnte Putin Teheran nicht auch anders unterstützen? Und: Schwächt der Krieg im Nahen Osten den Kremlherrscher - oder profitiert er sogar davon?
Israel hat mit seinem Angrif auf den Iran einen Verbündeten Russlands attackiert. Erst zu Beginn des Jahres hatten Moskau und Teheran eine "umfassende strategische Partnerschaft" vereinbart. Nun verurteilt Moskau Israels Bombardements zwar, militärische Unterstützung kann Teheran aber nicht erwarten. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt Militärexperte Gustav Gressel, woran das liegt.
Warum hält Putin sich in dem Konflikt zwischen Israel und dem Iran derzeit so zurück?
Gustav Gressel: Wir erleben hier im Grund dieselbe Situation wie zuletzt in Syrien. Der Herrscher in Damaskus war ein noch engerer Verbündeter Putins. Russland hatte dort sogar Truppen stationiert und militärische Operationen zur Stabilisierung von Assad laufen.
Wo genau sehen Sie die Parallelen zum Iran?
In Syrien überliess Putin Assad mehr oder weniger sich selbst, weil Russland wegen des Kriegs in der Ukraine keine weiteren Mittel zur Verfügung hatte für eine grosse militärische Operation zum Schutz des Regimes in Damaskus. Es fehlten dafür die Kräfte.
Zumal es dem Iran an weiteren Verbündeten mangelt. Die Hisbollah im Libanon wurde durch die israelischen Angriffe im Vorfeld geschwächt.
Das heisst: Von Putin hat Teheran auch weiterhin nichts zu erwarten?
Die Russen können diplomatisch aktiv werden oder UN-Resolutionen verhindern, viel mehr Möglichkeiten haben sie derzeit nicht, um den Iran zu unterstützen. Man sollte aber nicht unterschätzen, was Moskau bisher alles für den Iran getan hat.
Was denn?
Ohne verdeckte Hilfe aus Russland würde das iranische Raketenprogramm nach wie vor in den bitteren Anfängen stecken oder wäre völlig abhängig von China. Sämtliche iranischen ballistischen Raketen mit flüssigem Treibstoff basieren auf russischer Technologie, verwenden russische Triebwerke und Steuerteile.
Russland hat in der Vergangenheit trotz internationaler Sanktionen Waffen geliefert. Viele Waffensysteme, die der Iran produziert, kann er nur fertigen, weil Moskau dabei geholfen hat. Aussedem hat Russland im UN-Sicherheitsrat immer die schützende Hand über den Iran gehalten, so dass der Schaden nicht zu gross wurde.
Was bezweckte Russland damit?
Das enge Verhältnis zwischen Russland und dem Iran ist mit dem Zerfall der Sowjetunion entstanden. Ein erstes strategisches Interesse beider seiten war Armenien. Sowohl Russland als auch der Iran hatten ein Interesse daran, dass Armenien als Staat gegen Aserbaidschan und die Türkei überlebt.
Die Kooperation zwischen Moskau und Teheran hat sich dann recht schnell auch im Rüstungssektor vertieft. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine haben die Iraner Russland beim Drohnenbau geholfen und ihre Expertise zum Umgehen von Sanktionen mit Moskau geteilt. Und dann steckt natürlich noch ein russisches Grundkalkül hinter dieser Partnerschaft.
Welches ist das?
Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat man in Moskau gespürt, dass man nicht mehr Weltmacht ist und gebraucht wird. Die russische Taktik war: "Wir schaffen Probleme und bieten uns dem Westen als Löser an".
Die Idee dahinter: Entweder nimmt der Westen uns dann als Weltmacht ernst und wahr. Oder er kriegt massive Probleme, ist von uns abgelenkt und - lässt uns mehr Freiräume. Diesem Interesse entsprangen die Partnerschaften mit dem Iran und mit Nordkorea.
Verliert Russland jetzt nicht an Glaubwürdigkeit, wenn es einen Verbündeten im Stich lässt?
Es handelt sich zwischen Moskau und Teheran nicht um ein Verteidigungsbündnis, wie Russland es mit Nordkorea abgeschlossen hat. Diese beiden Verbündeten haben sich gegenseitig zusichert, militärisch aktiv zu werden, wenn es Not tut. Das ist beim Iran nicht der Fall, entsprechend niedriger ist die Erwartungshaltung.
Wie sieht das bei anderen Verbündeten Moskaus aus – Belarus und China etwa?
In Belarus wäre Machthaber Lukaschenko ohne Russland vermutlich längst gestürzt worden. China erwartet von Russland vor allem Rohstofflieferungen. Nordkorea wiederum ist in der Ukraine aktiv involviert und bekommt als Gegenleistung weitere Technologie und Rüstungsgüter. Und die Armenier möchten ohnehin weg vom russischen Schutzschirm, weil Moskau sie im Konflikt mit Aserbaidschan enttäuscht hat.
Zurück zu Israel und Iran: Spielt Putin der Angriff in die Karten, weil er vom Ukraine-Krieg ablenkt?
Ja, das hilft ihm. US-Präsident Trump war ja schon vorher relativ desinteressiert an der Ukraine, der Nahe und Mittlere Osten sind für ihn viel wichtiger.
Das gilt jetzt noch mehr. Die Amerikaner haben bereits Anti-Drohnen-Raketen, die eigentlich für die Ukraine bestimmt waren, abgezogen und in den Mittleren Osten geschickt.
Will heissen: Der Iran ist als Partner für Putin künftig zwar wertlos, dafür steigen seine Chancen auf einen Sieg gegen die Ukraine?
So kann man das sehen. Vermutlich wird die Trump-Regierung den israelischen Krieg gegen den Iran auch als Ausreden nutzen, um die Ukraine-Unterstützung herunterzufahren. Das wäre aber eine billige Ausrede, weil wir hier von ganz anderen Waffenklassen reden.
Die Israelis brauchen in erster Linie Bewaffnung für Kampfflugzeug – da sind die Ukrainer sparsamer, weil sie gar nicht so viele Jets haben. Die Einsätze der israelischen Luftwaffe unterscheiden sich deutlich von denen der Ukraine. Das wird Trump aber vermutlich wenig kümmern.
Über den Interviewpartner:
- Gustav Gressel ist Experte für Sicherheitspolitik, Militärstrategien und internationale Beziehungen. Er absolvierte eine Offiziersausbildung und studierte Politikwissenschaft an der Universität Salzburg. Schwerpunktmässig befasst sich Gressel mit Osteuropa, Russland und der Aussenpolitik von Grossmächten.