Die Budapest-Pride ist zum Politikum geworden. Mit seinem Versuch, die queere Veranstaltung zu unterbinden, macht Ungarns Regierungschef Orbán sie zu einer Demo gegen seine immer autokratischere Politik.
Unter anderen Umständen wäre die jährliche Pride-Parade in Budapest in deutschsprachigen Medien wohl höchstens eine Randnotiz. Doch die Umstände in Ungarn sind eben, wie sie sind: Der mehr und mehr autokratisch agierende Regierungschef Viktor Orbán wollte die seit 30 Jahren jährlich stattfindende Veranstaltung mit aller Macht unterbinden. Und weil er von dieser jede Menge hat – er regiert mit Zweidrittelmehrheit – gibt es seit März ein passendes Gesetz. Es verbietet Versammlungen, die nicht-heterosexuelle Lebensweisen öffentlich zeigen – vordergründig zum Jugendschutz.
Budapests links-grüner Bürgermeister Gergely Karacsony jedoch hat beschlossen, den Umzug am Sonntag trotzdem stattfinden zu lassen – oder erst recht. Er hat ihn kurzerhand zu einem offiziellen Fest der Stadt erklärt und beruft sich darauf, dass das Versammlungsrecht dann nicht gelte.
Über 70 EU-Politiker reisen zur Budapest-Pride
Über 70 EU-Politikerinnen und Politiker wollen dabei sein. Neben der belgischen Kommissarin Hadja Lahbib, in deren Ressort auch das Thema Gleichstellung fällt, haben rund 20 Abgeordnete der europäischen Grünen angekündigt mitzufeiern. Auch die sozialdemokratische Fraktion S&D hat ihre Leute aufgerufen, nach Budapest zu fahren.
Die deutschen EU-Abgeordneten Terry Reintke und Daniel Freund (Grüne) sponsern gar eine Busreise, zwei Übernachtungen im Hostel inklusive. Rund 40 Teilnehmer, die sich auf einen Social-Media-Aufruf hin gemeldet haben, seien seit Freitagmorgen unterwegs in die ungarische Hauptstadt, sagt Freunds Büroleiterin Franziska Telschow auf Anfrage. Für den Abend habe Karacsony Abgeordnete und weitere Gäste, insgesamt rund 600, zu einem Empfang geladen.
Von der Leyen mischt sich ein – Orbáns Retourkutsche folgt prompt
EU-Kommissionspräsidentin
Orbán liess daraufhin wissen, er verbittet sich solche Einmischung: "Ich ermahne die EU-Kommission, davon abzusehen, sich in Strafverfolgungsangelegenheiten der Mitgliedsstaaten einzumischen, bei der sie keinerlei Rolle zu spielen hat", schrieb er auf X. Strafverfolgungsangelegenheiten? Ja. Justizminister Bence Tuzson hat Bürgermeister Karacsony mit einer bis zu einjährigen Haftstrafe gedroht. Teilnehmern drohen bis zu 500 Euro Bussgeld. Die Polizei darf mit Gesichtserkennung arbeiten.
Dass die Budapest-Pride stattfinden kann, ist erst seit Freitagvormittag klar, als Orbán in einem Interview mit einem staatlichen Radiosender ankündigte, die Polizei werde die Veranstaltung nicht auflösen. "Es wird rechtliche Konsequenzen geben, aber es darf nicht das Ausmass körperlicher Gewalt annehmen", sagte er.
Teilnehmer-Rekord erwartet
Im Team von Freund gab es im Vorfeld ein Sicherheitsbriefing, "für alle Fälle", wie Büroleiterin Telschow sagt.
In den vergangenen Jahren kamen jeweils rund 40.000 Teilnehmer zur Pride-Parade in Budapest. Diesmal könnten es noch mehr werden, denn es geht längst nicht mehr nur darum, Toleranz gegenüber queerem Leben zu zeigen. Orbán selbst hat daraus eine Demo gegen seine Politik gemacht.
Verwendete Quellen:
- Telefonat mit Franziska Telschow, Büroleiterin des EU-Abgeordneten Daniel Freund
- Post Ursula von der Leyens auf "X" vom 25. Juni 2025
- Instagram-Post von Daniel Freund am 26. Mai 2025
- dpa