Wie stark wird der deutsche Sozialstaat wirklich reformiert? Bei "Markus Lanz" echauffierte sich die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge lautstark über die Pläne von Kanzler Friedrich Merz. Dabei warf sie ihm unter anderem vor, respektlos mit Geringverdienern umzugehen. Eine Aussage, die der ZDF-Moderator nicht unkommentiert liess.
Das Thema der Runde
Der angekündigte Herbst der Reformen sorgte jüngst für grosse Spannungen in der Koalition. Besonders die Aussage von Bundeskanzler

Die Gäste
- Grünen-Fraktionschefin
Katharina Dröge kritisierte die Reform des Bürgergeldes und sagt: "Sehr viele Menschen im Bürgergeld sind Aufstocker." - CDU-Politiker Tilman Kuban legte dar, warum er für ein Aufweichen der Klimaziele plädiert: "Es ist ausreichend, wenn wir 2045 zu 80 Prozent klimaneutral sind."
Das Wortgefecht
Bei "Markus Lanz" kritisierte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge die Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz, er habe keine Angst vor dem Kahlschlag des Sozialstaates. "Ich finde, es ist respektlos, wenn ein Bundeskanzler so über die Menschen spricht", stellte Dröge klar. Markus Lanz hakte irritiert nach: "Aber ist es so gemeint? Ist das respektlos gemeint?" Die Grünen-Politikerin nickte: "Aus meiner Sicht schon, weil er immer wieder über Menschen, die in Armut leben, sehr wenig mit Wertschätzung und Achtung spricht. Und auch über unseren Sozialstaat."
Der ZDF-Moderator wollte daraufhin wissen: "An welcher Stelle spricht er mit wenig Achtung über Menschen, die wenig haben?" Katharina Dröge antwortete prompt: "Weil er zum Beispiel immer wieder über Menschen im Bürgergeld sagt, wenn die sich nur ein bisschen mehr anstrengen würden, dann wird das schon was werden." Ein Argument, das Lanz nicht akzeptieren wollte: "Sagt er so nicht!" Dröge blieb jedoch bei ihrer Meinung und sagte, Merz spreche vor allem "über diejenigen, die er Total-Verweigerer nennt".

Sie ergänzte genervt: "Das ist nicht mal ein Prozent der Menschen im Bürgergeld. Sehr viele Menschen im Bürgergeld sind Aufstocker. Die gehen jeden Tag arbeiten!" Lanz konterte unbeeindruckt: "Das weiss er doch alles!" Die Grünen-Fraktionschefin sah dies anders: "Darüber spricht er aber nicht." Sie warf Merz zudem vor, eine ganze Gruppe bewusst zu stigmatisieren. Auch hier musste Lanz dagegenhalten. Er sagte: "Ich habe die Botschaft so verstanden, dass da jemand sich hinstellt und sagt: Wir werden uns diesen Sozialstaat, so wie er jetzt gerade dimensioniert ist, auf Dauer (...) nicht mehr leisten können."
Katharina Dröge wollte dies jedoch nicht glauben. Stattdessen merkte sie an: "Wenn er sich ernsthaft mit diesem Sozialstaat auseinandersetzen würde, dann würde er eben gerade nicht die Diskussion ums Bürgergeld führen." Eine Aussage, die Lanz fassungslos machte: "Sie sprechen dem Kanzler nicht ab, dass er sich ernsthaft mit dem Sozialstaat auseinandersetzt?" Dröge antwortete nüchtern: "Doch, weil das, was er jetzt gerade macht, ist wieder über diesen Herbst nur einen Herbst der Reform des Bürgergeldes zu machen!"
Die Offenbarung des Abends
In Bezug auf die vielen Versprechen der Bundesregierung sagte CDU-Politiker Tilman Kuban am Mittwochabend hoffnungsvoll: "Der Herbst der Reformen, der kommt!" Der ZDF-Moderator fragte daraufhin skeptisch: "Der kommt? Wann genau?" Kuban antwortete zunächst selbstbewusst: "Wir starten jetzt. Wir haben im Bereich der Energiepolitik schon die ersten Gesetze auf dem Weg. Es wird beim Thema Rentenpolitik ein Gesetz kommen und auch im Bereich des Bürgergeldes werden Sie sehen, dass wir da zu Ergebnissen kommen." Immer wieder betonte der Politiker dabei, dass "wir auf einem guten Weg sind". Zwar musste Kuban zugeben, dass es "keine Liebesheirat" zwischen CDU und SPD gewesen sei, "aber trotzdem finde ich, dass wir uns ganz gut gefunden haben. Und jetzt geht es eben in die Reform-Agenda".
Dazu offenbarte Tilman Kuban, dass nicht alle Ziele in den nächsten Monaten erreicht werden könnten. Die Folge? Es werde höchstwahrscheinlich auch "einen Frühling der Reformen, einen Sommer der Reformen" und "einen weiteren Herbst der Reformen" geben. Eine Aussage, die Katharina Dröge zum Lachen brachte. In Bezug auf Kanzler Merz sagte sie: "Er hat quasi eigentlich die vier Jahreszeiten der Reformen daraus gemacht. Und aus meiner Sicht deshalb, weil er ganz genau weiss, er kriegt jetzt nichts hin."
Die Grünen-Politikerin wetterte weiter: "Aus unserer Sicht wird es eher ein Herbst der Enttäuschung - und das vor allen Dingen für die deutsche Wirtschaft." Tilman Kuban liess sich davon jedoch nicht beirren und stellte klar: "Dass Deutschland eine Reform-Agenda braucht, da sind wir uns doch alle einig!", sagte der CDU-Politiker. "Fakt ist, ich gucke jetzt nach vorne." Eine positive Einstellung, die Markus Lanz zu teilen versuchte: "Wir freuen uns, wenn überhaupt irgendwas passiert."
Der Erkenntnisgewinn
Dass Deutschland in der Krise steckt, wurde bei "Markus Lanz" mehrfach deutlich. Auf die Frage, "Wie retten wir den Wirtschaftsstandort Deutschland?" entbrannte unter anderem eine Debatte über die Energiepolitik. Katharina Dröge stichelte zunächst: "Die Union, die hat so einen Zettel mit Unwahrheiten über die Energiepolitik und die wird in jeder Sendung vorgetragen. Nach jeder Sendung gibt es einen Faktencheck - dabei kommt heraus, das sind Unwahrheiten. In der nächsten Sendung sitzt wieder jemand von der Union hier und trägt dieselben Unwahrheiten vor!"
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Die Grünen-Politikerin wetterte weiter: "Die erneuerbaren Energien senken die Strompreise und machen sie nicht teurer. Das heisst, die Energiewende macht die Kosten für die Menschen günstiger". Atomenergie hingegen sei deutlich teurer als erneuerbare Energie. Dem musste Tilman Kuban teilweise widersprechen. Er merkte an, dass die Aussage, "Wind und Sonne schicken keine Rechnung" in Wirklichkeit "der grösste Bullshit-Satz" sei, trotzdem aber in Debatte um die Energiewende immer wieder auftauche. Der Grund? "Man braucht eben ein ganz anderes Netz!" Am Ende brauche es laut des CDU-Mannes daher eine "Gesamtkostenbetrachtung": "Das würde zur Ehrlichkeit nämlich dazugehören", so Kuban. © 1&1 Mail & Media/teleschau