Nach der Friedensdemonstration in Berlin nimmt die Diskussion über deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine weiter an Fahrt auf. Bei "Markus Lanz" geriet am Dienstagabend Politologe Johannes Varwick deshalb nicht nur mit dem ZDF-Moderator, sondern auch mit CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter aneinander.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Auch über ein Jahr nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine bestimmt der Angriffskrieg Russlands auf sein Nachbarland weltweit die Schlagzeilen und die politische Diskussion. Besonders hinsichtlich der Waffenlieferungen an die Ukraine aus dem Westen entbrannte zuletzt eine Kontroverse - auch wegen des von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten "Manifests für den Frieden".

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Auch der Politologe Johannes Varwick ist skeptisch, ob Waffenlieferungen helfen, ein Ende des Krieges herbeizuführen, wie er am Dienstagabend bei "Markus Lanz" erläuterte und sich ein leidenschaftliches Wortgefecht mit CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter lieferte, der sogar eine Lieferung deutscher Kampfjets forderte.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Waffenlieferungen in die Ukraine ja oder nein? Diese Frage ist - auch dank des von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten "Manifest für Frieden" - längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch im Gespräch mit ZDF-Moderator Markus Lanz wurde am Dienstagabend deutlich, wie unterschiedlich die Meinungen dazu sein können. Beim Thema Waffen geriet Politikwissenschaftler Johannes Varwick in Bedrängnis, als CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter ihm unter anderem Zynismus vorwarf und erklärte, dass der russische Präsident Wladimir Putin keine Kontrolle über das Kriegsende haben dürfe.

Das sind die Gäste

  • Roderich Kiesewetter, CDU-Aussenpolitiker und Oberst a.D.: "Dass Alice Schwarzer den Frauen in der Ukraine keine Stimme gibt, ist befremdlich."
  • Johannes Varwick, Politologe: "Wir müssen darüber nachdenken, Russland einen Ausweg zu bieten."
  • Rieke Havertz, "Zeit Online"-Journalistin, USA-Expertin: "Aussenpolitik ist für die Amerikaner wie Spinat auf einem Buffet."
  • Kristin Helberg, Nahost-Expertin: "Diejenigen, die von der Katastrophe profitieren, sind Putin und Assad."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

ZDF-Moderator Markus Lanz startete die Sendung mit der Aussage: "Die vielen Waffen für die Ukraine spalten das Land." Besonders Johannes Varwick stand kurz darauf im Fokus, da er als einer der Ersten das "Manifest für Frieden" unterzeichnet hatte. Bei "Markus Lanz" erklärte der Politologe: "Das Manifest habe ich unterzeichnet, weil ich der Auffassung bin, dass die Stimmen der Menschen, die für Verhandlungen sind, zu wenig vernehmbar und zu leise sind. Ich bin von Frau Schwarzer angesprochen worden. Von Sahra Wagenknecht wusste ich bis zum Schluss nichts." Markus Lanz fragte überrascht: "Sie wurden gelinkt?"

Varwick, der sich nur eine Woche später von dem Friedens-Manifest wieder distanziert hatte, erklärte trocken: "Nein, man hat mich nicht überfallen. Aber ich wollte nicht unbedingt in einen Topf mit Frau Wagenknecht gerührt werden." Aber auch andere Personengruppen, die sich dem Manifest angeschlossen hätten, seien ihm zuwider gewesen. "Ich hatte den Eindruck, dass die Initiatoren nicht ernsthaft genug sich von Rechts abgegrenzt haben. Man muss schon Grenzen ziehen. Ich möchte nicht mit Rechten in einer Reihe genannt werden."

Mit Blick auf die Friedensdemonstration in Berlin am vergangenen Wochenende stellte Johannes Varwick jedoch auch klar, dass dort vor allem "die politische Mitte demonstriert" habe. Er erklärte zudem selbstbewusst: "Das Manifest ist eindeutig in der Verurteilung Russlands." Das wollte Markus Lanz offenbar nicht unkommentiert stehen lassen und sagte: "Das finde ich gar nicht." Der ZDF-Moderator merkte zudem an, dass bei den Demonstrationen "keine einzige ukrainische Flagge" zu sehen war und bemängelte, dass es vielen Demonstranten "primär um unsere deutschen Befindlichkeiten" ginge.

Varwick verteidigte sich daraufhin mit den Worten: "Mir geht es ausschliesslich darum, dass die Ukraine möglichst gut aus diesem Krieg herauskommt und dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt." Markus Lanz hakte daraufhin nach: "Aber ohne die deutsche Hilfe gäbe es die Ukraine nicht mehr. Hört die Ukraine heute auf zu kämpfen, hört sie morgen auf zu existieren. Ist Ihnen das egal?" Varwick reagierte besonnen: "Das ist ein wichtiger Punkt, den Sie machen. In dem Manifest steht nicht, dass wir alle Waffenlieferungen heute beenden müssen. Es geht darum, dass wir die Eskalation der Waffenlieferungen beenden müssen."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Emotionaler wurde die Debatte nur kurze Zeit später. Als Johannes Varwick mit strengem Blick sagte: "Wir befeuern mit den Waffenlieferungen nur einen dauerhaften Abnutzungskrieg, den keiner gewinnen kann", platzte CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter augenscheinlich der Kragen. Er erklärte wütend: "Ich finde das zynisch zu sagen, dass Waffenlieferungen eindimensional seien. Zynisch ist auch, wenn Sie in Ihrem Manifest verlangen, dass die Ukraine Zugeständnisse machen muss. Wir haben einen Täter, der angegriffen hat und ein souveränes Land, das seit 2014 im Krieg ist."

Verhandlungsansätze zu Beginn des Krieges seien ergebnislos gewesen. "Wenn Russland den Frieden will, muss es sich zurückziehen. Für all das steht Ihr Manifest nicht!" Nahost-Expertin Kristin Helberg stimmte entschieden zu und ergänzte: "Man beginnt ja keine Verhandlung mit einem Ergebnis."

Die Argumentation wollte Politologe Varwick jedoch nicht akzeptieren und sagte stattdessen: "Wir sind auf einer Rutschbahn im Krieg mit Russland. Wir werden Russland nicht militärisch besiegen können. Wenn das das Ziel ist, dann wird es so bald keinen Frieden geben." CDU-Politiker Kiesewetter reagierte erbost: "Nicht die Waffenlieferungen eskalieren den Krieg, sondern Putin eskaliert den Krieg. Wir können der Ukraine nicht zumuten, Teile ihrer Souveränität zu verlieren. Russland muss hier Zugeständnisse machen, sie sind ja der Aggressor." Auch Markus Lanz schaltete sich ein und wandte sich an Varwick: "Jeder will Frieden, das ist ja gar nicht die Frage. Krieg zu führen ist böse, aber ist es manchmal nicht genauso böse, keinen Krieg zu führen?"

Der Politologe entgegnete schlicht: "Sie brauchen mich nicht davon zu überzeugen, dass das Militär eine Rolle in der internationalen Politik spielt. Ich argumentiere aber strategisch. Wir sollten unsere politischen Ziele so definieren, dass sie zu einem realistischen Preis umsetzbar sind. Aber wir können nicht jede Maximalforderung der Ukraine einfach so annehmen." Daraufhin stellte Roderich Kiesewetter entgeistert fest: "Die eigene Souveränität ist doch keine Maximalforderung!"

Der CDU-Aussenpolitiker warb deshalb in der ZDF-Sendung entschieden für die Lieferung von Kampfjets und den militärischen Einsatz auf russischem Territorium, denn: "Russland muss verlieren lernen!" Auch Journalistin Rieke Havertz hielt es bei "Markus Lanz" für realistisch, dass US-Präsident Joe Biden einer Kampfjet-Lieferung in naher Zukunft zustimmen wird. Ein Szenario, das für Johannes Varwick undenkbar wäre: "Ich fühle mich bestätigt in meiner Sorge vor einer Eskalation der Waffenlieferungen. Vielleicht landen wir in einem apokalyptischen Krieg mit Russland. Das müssen wir verhindern."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Lanz moderierte solide und mischte sich mit Leidenschaft in die hitzige Debatte ein. Vor allem im Gespräch mit Johannes Varwick liess der ZDF-Moderator nicht locker und fasste häufig mit unbequemen Nachfragen oder konkreten Gegenbeispielen nach. Neben Varwick konnte Lanz vor allem Roderich Kiesewetter einige steile Thesen entlocken - liess seinen Gästen jedoch gleichzeitig auch genügend Freiraum, um eine lebendige Diskussion zu führen, in der jeder zu Wort kommen konnte.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

In Deutschland gibt es zunehmend auch kritische Stimmen an den Waffenlieferungen an die Ukraine. Auch bei "Markus Lanz" waren die Spannungen spürbar, als die geladenen Gäste mit vereinter Kraft auf Politologe Johannes Varwick einredeten, der versuchte, zu erklären, warum er weitere Waffenlieferungen in die Ukraine für strategisch schlecht halten würde. Die Diskussion fand jedoch kein versöhnliches Ende, weshalb Markus Lanz nichts anderes übrig blieb, als festzustellen: "Wir haben offensichtlich viel zu tun. Das war intensiv und spannend."

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