Zum Jahrestag der grössten Proteste des Landes eskaliert auf den Strassen Kenias die Gewalt: Acht Menschen wurden laut Menschenrechtsorganisationen getötet, hunderte verletzt.

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In Kenia eskaliert die Lage zwischen Polizei und Demonstrierenden zunehmend: Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind bei Protesten mindestens acht Demonstranten getötet und hunderte verletzt worden. Die Proteste haben sich auf 23 Bezirke des Landes ausgeweitet, bei gewaltsamen Zusammenstössen mit der Polizei wurden "mindestens 400 Menschen verletzt, wobei 83 wegen schweren Verletzungen in eine Spezialklinik überwiesen wurden", erklärt am Mittwoch ein Zusammenschluss von Menschenrechtsorganisationen und Rettungskräften, darunter Amnesty International.

Erinnerung an Massenproteste in Kenia arten in Gewalt aus

In Nairobi und anderen kenianischen Städten hatten sich tausende Menschen versammelt, um an die Massenproteste vor einem Jahr zu erinnern, bei denen mindestens 60 Menschen getötet worden waren. Kritisiert werden massive Steuererhöhungen und gestiegene Polizeigewalt. Die Demonstranten fordern nach wie vor den Rücktritt von Präsident William Ruto. Laut "Tagesschau" waren es vor allem junge Menschen, die vor einem Jahr auf die Strasse gegangen sind, viele von ihnen weiblich. "Ruto muss gehen", riefen sie – der 2022 gewählte Präsident ist insbesondere bei der sogenannten Generation Z Kenias unbeliebt.

Wie das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) berichtet, heizen neuerliche Fälle von Polizeigewalt die Proteste rund um den Jahrestag weiter an. Unter anderem der gewaltsame Tod des Bloggers und Lehrers Albert Ojwang in Polizeigewahrsam. Ojwang soll Anfang Juni von der Polizei aus seinem Zuhause verschleppt worden sein. Der Vorwurf: mutmassliche Verleumdung des stellvertretenden Polizeichefs auf der Plattform X. Einen Tag nach der Verhaftung soll der Blogger leblos in seiner Zelle gefunden worden sein. An Selbstmord, wie es die Polizei wohl beschreibt, glauben die Protestanten nicht. Auch Amnesty International fordert laut RND Aufklärung.

Kenia: Proteste gegen Polizeigewalt

Proteste gegen Polizeigewalt in Kenia

Anlass für die seit Tagen andauernden Proteste war der Tod eines Bloggers und Lehrers, der Anfang Juni unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen war.

Die friedlichen Gedenkmärsche schlugen schnell in Gewalt um, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Ein Reporter spricht von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei in der Hauptstadt Nairobi. Demonstranten warfen mit Steinen auf Polizeibeamte. Die Polizei setzte vor allem Tränengas und Gummigeschosse ein, um die Menschenmenge unter Kontrolle zu bringen. Zwei Menschen seien in Matuu, etwa hundert Kilometer von der Hauptstadt entfernt, durch Schüsse getötet worden, sagte ein Verantwortlicher eines Krankenhauses am Mittwoch. Wie das RND berichtet, soll die Polizei einem Strassenverkäufer zudem von hinten aus nächster Nähe in den Kopf geschossen haben. Der 22-Jährige überlebte schwerverletzt.

Regierung will Pressearbeit in Kenia einschränken

Die Polizei blockierte auch die Strassen in Richtung Innenstadt von Nairobi und riegelte Regierungsgebäude mit Stacheldraht ab. Auch in anderen Städten des Landes gab es Berichte über Proteste. Die Organisation NetBlocks teilte mit, dass der Onlinedienst Telegram eingeschränkt worden sei. Die kenianische Regierung wies Radio- und Fernsehsender an, die Live-Berichterstattung über die Proteste einzustellen. Die kenianische Kommunikationsbehörde erklärte, die Live-Berichterstattung über die Proteste verstosse gegen die Verfassung.

Kenianische Medien schienen trotz des Verbots jedoch weiter live von vor Ort zu berichten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte das Verbot und betonte: "Die Presse zum Schweigen zu bringen, ist nicht die Lösung".

"Wir marschieren gegen Polizeibrutalität, gegen Unterdrückung durch die Regierung, gegen hohe Steuern, gegen alles, was in diesem Land schiefläuft", sagte der 25-jährige Demonstrant Anthony, der seinen Nachnamen nicht nennen wollte, der AFP.

Immer wieder kommt es laut RND in Kenia zu Gewalt, Tötungen und dem Verschwinden von Menschen. Die Stimmung im Land sei seit Jahren angespannt. Gut ausgebildete junge Menschen finden keine Jobs, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 35 Prozent. Während 40 Prozent der Bevölkerung in Armut lebt, steigen gleichzeitig die Lebenskosten. (afp/bearbeitet durch ras)

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