Der Bedarf an psychologischer Betreuung in der Ukraine wächst. Der Leiter von Caritas International spricht von wachsender Anzahl traumatisierter Menschen im Land.
Immer mehr Menschen in der Ukraine sind laut dem Leiter von Caritas International, Oliver Müller, traumatisiert. Besonders betroffen: Soldaten und ihre Familien. Der Staat könne die benötigte Hilfe nicht leisten, erklärte Müller im Deutschlandfunk.
Daher sei die psychologische Beratung und Unterstützung "aktuell die Hauptherausforderung" für die humanitäre Hilfe vor Ort.
Anzahl traumatisierter Kinder wächst
"Die Ukraine ist ein Land, das noch funktioniert – aber unter der Oberfläche werden die Risse tiefer", sagt Müller. 40 Prozent der Bevölkerung seien mittlerweile auf humanitäre Hilfe angewiesen. Auch wachse die Anzahl der Kinder, die Kriegstraumatisiert seien. Das Sozialsystem sei überfordert.
Die Arbeit von Caritas International bestehe nun unter anderem darin, Familien wieder zusammenzubringen. In der Reha arbeiteten Psychologinnen und Psychologen mit gesamten Familien, um das zu überwinden, das Müller "Sprachlosigkeit" nennt.
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Denn es sei auch ein Anstieg von häuslicher Gewalt festzustellen: Kinder, die sich auf die Rückkehr ihrer Väter gefreut hätten, müssten letztlich feststellen, dass sie einer anderen Person gegenüberstehen. Auch die andauernden Angriffe aufs Land, die nächtlichen Sirenenalarme, die Übernachtungen in Bunkern, verfestigten die Probleme. Russland zeige den Ukrainern so: "Ihr seid nirgendwo sicher."
Die Ukraine hat in der Nacht zum Montag nach Angaben aus Kiew den grössten russischen Drohnenangriff seit Kriegsbeginn erlebt. Russland feuerte insgesamt 364 Geschosse auf das Gebiet der Ukraine, darunter 355 Drohnen und Drohnenattrappen sowie neun Marschflugkörper, wie die ukrainische Luftwaffe mitteilte.
Nach Angaben des Luftwaffensprechers Juriy Ignat handelte es sich um die bisher grösste Drohnenattacke seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022.
"Staat kann diese Herausforderung nicht mehr leisten"
Die Behandlung von Traumata ist aus Sicht des Caritas-Leiters eine der Hauptherausforderungen des Landes. Man sehe im öffentlichen Leben zunehmend Soldaten, die versehrt sind und nicht mehr in die Bahn zurückfänden. "Der Staat kann diese Herausforderung nicht leisten." Hier seien die Hilfsorganisationen besonders gefordert.
Der Krieg habe sich tief in die Gesellschaft eingegraben. "Zu den schrecklichen Erlebnissen, die viele aus dem Krieg mitbringen, kommt, jetzt noch die materielle Not", sagt er. Aufgabe der Caritas sei es auch, den Menschen zu helfen, ihre Rechte einzuklagen. Viele hätten keine Kraft, das zu beantragen, das ihnen zusteht.
Die Menschen seien froh, um jede Hilfe, die ins Land kommt, meint Müller. Denn die Kürzungen der Hilfen, namentlich von Seiten der USA, seien schon jetzt zu spüren. Es bestehe deshalb die Angst, vergessen zu werden. (ras)
Verwendete Quellen
- deutschlandfunk.de: "Caritas: Psychologische Hilfe ist die grösste Herausforderung"
- Material der afp