Am Morgen startete ein Abschiebeflug nach Afghanistan. Die UN fordert einen sofortigen Stopp aufgrund der kritischen Lage in dem Land: Es sollen Menschenrechtsverletzungen drohen.
"Die Zeit ist reif für Solidarität mit dem afghanischen Volk", sagte eine Sprecherin von UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk am Freitag in Genf.
In Leipzig war erstmals seit knapp einem Jahr wieder ein Abschiebeflug mit 81 Passagieren nach Afghanistan gestartet. Der zuvor letzte Abschiebeflug mit Straftätern nach Afghanistan hatte noch in der Zeit der Ampel-Regierung im Bund im August 2024 stattgefunden.
Türk forderte nach Angaben der Sprecherin "einen sofortigen Stopp der Zwangsrückführung aller afghanischen Flüchtlinge und Asylsuchenden". Dies gelte insbesondere für diejenigen, denen bei ihrer Rückkehr "Verfolgung, eine willkürliche Festnahme oder Folter droht".
Völkerrecht und Lage in Afghanistan
Die Abschiebung von Menschen in ein Land, in dem sie der Gefahr schwerwiegender Misshandlung ausgesetzt seien, verstosse gegen "den völkerrechtlichen Grundsatz der Nichtzurückweisung", der auch für Straftäter gelte.
Die UN-Sprecherin Ravina Shamdasani verwies ausserdem auf die "katastrophale" humanitäre Lage in Afghanistan, wo 70 Prozent der Menschen in Armut lebten. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt und von jahrzehntelangem Krieg gezeichnet. Im Sommer 2021 kehrten die radikalislamischen Taliban inmitten des Abzugs westlicher Streitkräfte an die Macht zurück, viele Staaten und Organisationen fuhren ihre Hilfen für das Land zurück.
Abschiebung von Straftätern trotz Foltergefahr
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte im ARD-"Morgenmagazin". An Bord befänden sich "schwere und schwerste Straftäter, die abgeschoben werden".
Laut Bundesinnenministerium seien alle "vollziehbar ausreisepflichtige afghanische Männer, die in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten sind", hiess es. Der Flug erfolge "unter Zuhilfenahme der strategischen Sicherheitspartnerschaft mit dem Emirat Katar".
Auf die Frage, ob es einen Unterschied mache, wenn es sich bei Abgeschobenen um abgelehnte Asylbewerber oder Straftäter handele, erinnerte Shamdasani an das "Non-Refoulement-Prinzip". Es verbiete die Ausweisung, Auslieferung oder Rückschiebung von Personen, wenn ihnen im Zielland Folter, unmenschliche Behandlung oder schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.
Zwangsrückführungen stossen auf weiteren Widerstand
Scharfe Kritik an dem neuen Abschiebeflug kam von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International und der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl.
Berenice Böhlo, Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied des Republikanischen Anwältinnen und - Anwältevereins, äusserte sich gegenüber der "tagesschau.de" ebenfalls kritisch: "Die Abschiebungen heute nach Afghanistan sind auch ein Angriff auf den Grundsatz der Universalität der Menschenrechte, denn Schutz vor Folter, erniedrigender und unmenschlicher Behandlung gilt für alle." Mit den Taliban dürfe keine Kooperation erfolgen, da vom Internationalen Gerichtshof Haftbefehle gegen das Regime vorliegen.
Empfehlungen der Redaktion
Auch aus der deutschen Politik hagelte Kritik. So sagte etwa Innenpolitiker Hakan Demir (SPD) im Gespräch mit dem "Spiegel": "Abschiebungen nach Afghanistan bleiben menschenrechtlich fragwürdig." Der Schutz vor Folter müsse für alle Menschen gelten.
Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger kritisierte gegenüber dem Magazin den "dreckigen Deal mit den Taliban-Terroristen". Aussenpolitik werde "einer zynischen innenpolitischen Ideologie geopfert."
Ähnlich formulierte es Clara Bünger von der Linksfraktion. "Deutschland führt Beziehungen zu den Taliban und kooperiert mit einem Terrorregime", zitiert der "Spiegel" die Politikerin.
Unterstützung hingegen gab es von Union-Aussenpolitiker Jürgen Hardt: "Die Bundesregierung handelt mit der Abschiebung der straffälligen Afghanen richtig." (phe)
Verwendete Quellen
- Material der afp
- Material der dpa
- tagesschau.de: "Deutschland schickt Abschiebeflug nach Afghanistan"
- spiegel.de: "Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken kritisieren Abschiebungen nach Afghanistan"