Der Mord an Charlie Kirk entfaltet in den USA enorme politische Wirkung. Von einer "linken Verschwörung", wie sie US-Präsident Donald Trump als Motiv beschwor, kann nach einer ersten Anhörung des mutmasslichen Attentäters allerdings keine Rede sein. Darauf deuten auch Nachrichten hin, die Tyler Robinson kurz nach der Tat seiner Partnerin schrieb.

Viel sagte Tyler James Robinson nicht. Seine Anhörung dauerte nur 15 Minuten. Nach dem tödlichen Schuss auf den rechten US-Aktivisten Charlie Kirk wurde der mutmassliche Täter am Dienstag erstmals einem Gericht vorgeführt – und schwieg, abgesehen von der Nennung seines Namens.

Kurz zuvor hatte Bezirksstaatsanwalt Jeff Gray auf einer Pressekonferenz die Anklagepunkte vorgebracht. Sieben Punkte sind es, die Robinson zur Last gelegt werden. Veröffentlicht wurden sie in einem zehnseitigen "charging document" (PDF). Es ist noch keine offizielle Anklage, listet aber die Vorwürfe, Indizien und Aussagen auf. Neben Mord werden Robinson unter anderem krimineller Schusswaffeneinsatz, Behinderung der Justiz, Zeugenbeeinflussung und eine Gewalttat in Anwesenheit von Kindern zur Last gelegt.

Bei der Anhörung las Richter Tony Graf die Anklagepunkte vor und informierte Robinson über seine Rechte. Der 22-Jährige sitzt derzeit im Bundesstaat Utah in Haft und wird Graf zufolge wegen des Kapitalverbrechens, dessen er beschuldigt wird, ohne Kaution im Gefängnis bleiben. Erschwerend komme hinzu, dass er wohl aus politischen Motiven gehandelt habe, sagte Gray.

Der zuständige Staatsanwalt Chad Grunander sagte bei der Anhörung, seine Behörde strebe die Todesstrafe an. Dem Verfahren in Utah könnte eine Anklage auf Bundesebene folgen.

Der Staatsanwalt verwies ausserdem auf etliche Beweise, die Robinson belasteten – darunter Textnachrichten, DNA-Spuren an der mutmasslichen Tatwaffe sowie Auswertungen von Überwachungsvideos.

Robinsons Nachrichten legen politisches Motiv nahe - aber keine "linke Verschwörung"

"Ich hatte die Chance, Charlie Kirk auszuschalten, und ich werde sie nutzen." Diese Nachricht soll Robinson den Behörden zufolge auf einem Zettel unter seiner Tastatur hinterlassen haben. Gefunden wurde sie demnach von Robinsons Partnerin, der er per Chat geschrieben haben soll: "Lass alles stehen und liegen, was du gerade machst, und schau unter die Tastatur meines Computers."

Robinsons Mutter gab Gray zufolge an, bei der Person handle es sich um eine trans Person. Der Staatsanwalt sagte lediglich, der Person sei bei der Geburt das männliche Geschlecht zugeschrieben worden. Auf die Nachfrage eines Reporters des konservativen US-Senders Fox News, ob Transgender-Themen bei der Tat eine Rolle gespielt hätten, gab Gray keine Auskunft.

Der Staatsanwalt verlas allerdings einige der Chatnachrichten, die Robinson der Person geschickt haben soll, mit der er zusammenlebte und eine Beziehung führte. Nach dem Fund der Notiz kam es den Ermittlern zufolge zu einem schriftlichen Austausch, in dem Robinson die Tat einräumte.

Robinson: "Lass alles stehen und liegen und schau unter meine Tastatur"

Partnerin: "Was?????????????? Das ist doch ein Scherz, oder????"

Robinson: "Mir geht es noch gut, mein Liebling, aber ich sitze noch ein bisschen länger in Orem fest. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis ich nach Hause kommen kann, aber ich muss noch mein Gewehr holen. Um ehrlich zu sein, hatte ich gehofft, dieses Geheimnis bis zu meinem Tod zu bewahren. Es tut mir leid, dass ich dich da mit reinziehe."

Partnerin: "Du warst nicht der, der es getan hat, oder???"

Robinson: "Ich war es, tut mir leid."

Partnerin: "Ich dachte, sie hätten den Täter gefasst?

Robinson: "Nein, sie haben einen verrückten alten Mann geschnappt und dann jemanden in ähnlicher Kleidung verhört. Ich hatte vor, kurz danach mein Gewehr von dort zu holen, wo ich es abgelegt hatte, aber der grösste Teil dieser Seite der Stadt wurde abgeriegelt. Es ist ruhig, fast so, als könnte man rauskommen, aber da ist noch ein Fahrzeug, das herumsteht.

Partnerin: "Warum?"

Robinson: "Warum ich es getan habe?"

Partnerin: "Ja."

Robinson: "Ich hatte genug von seinem Hass. Mancher Hass lässt sich nicht weg verhandeln."

Robinson: "Wenn ich mein Gewehr unbemerkt an mich nehmen kann, hinterlasse ich keine Beweise. Ich werde versuchen, es wiederzuholen, hoffentlich sind sie weitergezogen. Ich habe nichts davon gesehen, dass sie es gefunden haben."

Partnerin: "Seit wann hast du das geplant?"

Robinson: "Ein bisschen länger als eine Woche, glaube ich."

(...)

Robinson: "Lösche diesen Austausch."

Robinson: "Ich werde mich freiwillig stellen. Einer meiner Nachbarn hier ist stellvertretender Sheriff."

Robinson: "Du bist alles, um das ich mir Sorge mache, Liebes."

Partnerin: "Ich mache mir viel mehr Sorgen um dich."

Robinson: "Bitte sprich nicht mit den Medien. Gib keine Interviews und mache keine Kommentare. ... Wenn dich die Polizei befragt, verlange einen Anwalt und schweige.

Robinsons Nachrichten legen ein politisches Motiv nahe. Staatsanwalt Gray teilte weiter mit, der mutmassliche Attentäter habe sich im vergangenen Jahr "immer mehr nach links geneigt", habe sich zunehmend für die Rechte Schwuler und von trans Personen engagiert. Er habe Kirk erschossen, weil dieser "zu viel Hass verbreitet" habe. Von Hinweisen auf eine breit angelegte "linksradikale Verschwörung", wie sie US-Präsident Donald Trump und sein Team ausgemacht haben wollen, kann keine Rede sein.

Auf Nachfrage sagte Gray es gebe derzeit keine Hinweise auf weitere Verdächtige. Die nächste Anhörung von Robinson ist für den 29. September angesetzt.

Familie brachte Robinson dazu, zur Polizei zu gehen

Robinsons Mutter war es, die ihren Sohn als den mutmasslichen Schützen erkannt haben soll. Sie habe Fotos in den Nachrichten gesehen und ihrem Ehemann gesagt, der Täter sehe ihrem Sohn ähnlich, beschrieb Gray. Auch das Gewehr habe so ausgesehen wie eines, das Robinson geschenkt bekommen habe.

Die Mutter habe den Sohn angerufen, ihn gefragt, wo er sei. Der habe behauptet, er liege krank im Bett. Die Eltern überredeten Robinson, zu ihnen nach Hause zu kommen. Dort habe er die Tat gestanden.

Robinson habe gedroht, "es zu beenden" und sich das Leben zu nehmen. Seine Eltern und ein Freund der Familie hätten ihn schliesslich überzeugt, sich der Polizei zu stellen.

Kirks Tod hat politische Schlagkraft

Vergangenen Mittwoch war bei einer Veranstaltung auf dem Campus einer Universität in Utah auf Kirk geschossen worden. Er starb wenig später im Krankenhaus. In online verbreiteten Videos war der Schuss zu hören und auch zu sehen, wie der 31-Jährige getroffen wurde. Die vorrangig jungen Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung schrien, warfen sich zu Boden oder rannten weg.

Kirks Tod entfaltet in den USA eine enorme politische Schlagkraft. Er galt als Trumps Mann für die Jugend, war Aktivist und Podcaster, stramm rechts und Verbreiter von Fake News. Er gründete 2012 die Jugendorganisation Turning Point USA, die heute an zahlreichen Schulen und Hochschulen aktiv ist.

Rechtskonservativer Aktivist wurde an US-Uni angeschossen
Kirk gehörte zum inneren Zirkel von US-Präsident Trump. © dpa / Manuel Balce Ceneta/AP/dpa

Kirk gehörte zu den prägenden Stimmen der US-Rechten und erreichte ein Millionenpublikum, vor allem junge Männer. Immer wieder stellte er provokante Thesen auf, die Kritiker als rassistisch und sexistisch verurteilten. Er galt zudem als enger Vertrauter von US-Vizepräsident JD Vance und von Trumps ältestem Sohn, Donald Trump Jr.

Trumps Regierung erhebt Kirk zum Märtyrer

Es ist nicht das erste politische Attentat in der jüngeren US-Geschichte. Vor wenigen Monaten wurden im Bundesstaat Minnesota eine demokratische Politikerin und ihr Ehemann erschossen. Auch auf Trump selbst war im vergangenen Jahr geschossen worden. Behörden und Experten warnen schon länger vor einer zunehmenden Radikalisierung in Teilen der US-Gesellschaft.

Die Trump-Regierung stellt politisch motivierte Gewalt aber fast ausschliesslich als Phänomen der "radikalen Linken" dar. Zwar gibt es in der republikanischen Partei auch beschwichtigende Stimmen. Doch Trump und sein engstes Umfeld nutzen die enorme Reichweite von Kirks Plattformen seit seinem Tod nicht nur für die Würdigung des Aktivisten, sondern auch gezielt, um politische Botschaften zu platzieren.

Nach tödlichem Angriff auf rechtskonservativen US-Aktivisten Kirk
Für Teile seiner Anhängerschaft wurde Kirk mit dem Attentat zum Märtyrer. © dpa / Lindsey Wasson/AP/dpa

Beobachter warnen, das Attentat werde so zum Hebel, um einen zunehmend autoritären Regierungsstil zu rechtfertigen. Kirk werde mit religiöser Sprache zum Märtyrer erhoben. Gleichzeitig werde die Verantwortung für seinen Tod weder bei einem Einzeltäter gesucht, noch als Folge einer gesellschaftlichen Radikalisierung von links und rechts anerkannt. Die Schuld werde stattdessen einzig einer vage definierten Gegenseite zugeschoben.

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So kündigte Vizepräsident Vance etwa am Montag in einer im Weissen Haus aufgezeichneten Sonderausgabe der "Charlie Kirk Show" an, gegen ein "Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen" vorgehen zu wollen, das er – ohne Belege vorzulegen – für die Gewalt verantwortlich machte. Trumps stellvertretender Stabschef Stephen Miller sprach gar von einer "inländischen Terrorbewegung".

Der demokratische Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, war im April selbst Ziel eines Angriffs geworden, als ein Mann mitten in der Nacht Feuer in seinem Haus legte. Shapiro übte scharfe Kritik an Trump. Gewalt müsse stets verurteilt werden – unabhängig davon, ob sie von links oder rechts ausgehe. Der Präsident habe diese "moralische Probe" nicht bestanden, verurteile Gewalt nur selektiv. "Und das macht uns alle weniger sicher."

Verwendete Quellen

Teaserbild: © Getty Images/Handout