US-Präsident Donald Trump greift immer wieder gezielt Frauenrechte an – und scheint damit überraschend grossen Widerhall in der Gesellschaft zu finden. Wie tief ist diese ablehnende Haltung bereits verankert?

Ein Interview

Donald Trump nutzt seine zweite Amtszeit auch, um gezielt gegen die Rechte von Frauen vorzugehen. Binnen weniger Monate schränkte er per Dekret den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ein, untersagte Transfrauen die Teilnahme am Frauensport und liess feministisch geprägte Begriffe aus der Amtssprache streichen.

Grosse Proteste blieben bislang aus. Vielmehr scheint der Zuspruch zu wachsen – ein Muster, das auch Dr. Vanessa Vollmann beobachtet. Die Expertin für Amerikastudien forscht an der Universität Passau zur zunehmenden Normalisierung von Misogynie in der US-amerikanischen Gesellschaft.

Frau Vollmann, in den 30er Jahren galt der Kurzhaarschnitt als Symbol weiblicher Selbstbestimmung. Heute berichtet eine deutsche Journalistin, sie sei in den USA wegen dieser Frisur angefeindet worden. Eine Frau habe so nicht auszusehen, hiess es. Was sagt das über das amerikanische Frauenbild?

Vanessa Vollmann: Feminismus wird häufig als Gegenteil von Weiblichkeit dargestellt. Die Botschaft dahinter ist: Eine Frau kann nicht gleichzeitig feministisch und weiblich sein. Vor allem rechte, autoritäre Strömungen, wie unter Trump, greifen solche Klischees gezielt auf. Sie schüren Ängste, erzählen den Menschen, alles werde schlechter, und präsentieren dann die vermeintlichen Schuldigen: Migrantinnen und Migranten, Schwarze oder eben Frauen wie die Journalistin mit Kurzhaarschnitt. Die gelten plötzlich als "radikal" und als Bedrohung.

Wie stark verfangen solche Narrative derzeit in der US-Bevölkerung?

Leider immer mehr – ich habe es selbst erlebt: In einem meiner Seminare war eine Delegation aus Texas zu Gast. Einige Studenten traten mit extrem frauenfeindlichen und rassistischen Aussagen auf. Sie waren laut, provokant und überzeugt, im Recht zu sein. Als sie merkten, dass sie bei meinen Studierenden damit nicht durchkamen, filmten sie uns und verbreiteten ein Foto von mir mit dem Schriftzug "Deport" (zu Deutsch: "Abschieben", Anmerkung der Redaktion).

Wie ordnen Sie dieses Verhalten gesamtgesellschaftlich ein?

Den Studierenden war klar: Es wird keine grösseren Konsequenzen geben. Wenn ein Präsident damit durchkommt, Frauen zu erniedrigen, sendet das ein Signal. Plötzlich fühlt sich auch ein 20-jähriger Student berechtigt, im Seminar aggressiv und respektlos aufzutreten.

Vanessa Vollmann © Priscilla Grubo

Die Zustimmung für Trump kommt jedoch bei Weitem nicht nur von Männern: Bei der letzten Wahl stimmten etwa 45 Prozent der Frauen in den USA für ihn.

Weil viele von ihnen vom bestehenden System profitieren – sei es durch ihre Familie, ihren Partner oder bestehende Netzwerke. In den USA spielt dabei Rassismus eine grosse Rolle: Gerade viele weisse, oft ärmere Menschen sehnen sich nach einer Zeit zurück, in der ihre Hautfarbe ihnen automatisch Vorteile verschaffte. Und nur weil jemand eine Frau ist, bedeutet das nicht, dass sie nicht in traditionellen Denkmustern steckt.

Der Trump-Bewegung wird oft ein rückschrittliches Frauenbild vorgeworfen, in dem die Frau Beiwerk des Mannes ist. Gleichzeitig haben Frauen in Trumps Regierung hohe Ämter, etwa Pressesprecherin Karoline Leavitt und Heimatschutzministerin Kristi Noem. Ist das ein Widerspruch?

Es gibt den Begriff des "Lean-In-Feminismus": Frauen sollen in patriarchalischen Strukturen möglichst gut funktionieren, anstatt die Strukturen selbst zu verändern. Hat es dann eine Frau bis ganz nach oben geschafft, heisst es oft: "Sexismus gibt es doch nicht, diese Frau hat es doch bewiesen."

Dazu passt, dass die Frauen im Umfeld Trumps einem bestimmten Ideal zu entsprechen scheinen: Auffälliges Make-up, lange Haare, figurbetonte Kleidung.

Sie sollen dem sogenannten "male gaze" entsprechen – also der männlichen Wunschvorstellung. Frauen werden oft nur ernst genommen, wenn sie ein Objekt männlichen Begehrens sein können.

Das lässt sich auch in den sozialen Medien beobachten. Nach dem "Tradwife-Trend" ist nun "Skinny Tok" angesagt: Sehr schlanke Frauenkörper werden idealisiert. Beides Phänomene, die vor allem in den USA grosse Verbreitung finden.

Frauen werden schnell in Kategorien wie "skinny" einsortiert und auf dieses Körperbild reduziert. Das passt ziemlich gut in das rechte Denkmuster: Frauen kleinhalten und in enge Rollen pressen. Und wenn sie dann noch Kuchen backen, erfüllen sie genau die Rollenklischees, die Trump und sein Umfeld bedienen. Am Ende läuft es immer wieder auf dasselbe hinaus: Der Körper der Frau ist fürs Kinderkriegen da – und davor zur Unterhaltung der Männer.

Warum lassen sich so viele Amerikanerinnen das gefallen?

Ich frage mich auch, warum man so wenig hört. Vielleicht halten es manche für die bessere Taktik, einfach nichts zu sagen und abzuwarten, bis das Kartenhaus in sich zusammenfällt. Denn: Offener Protest würde sofort instrumentalisiert und für ihre Narrative genutzt.

Ein Blick in die US-Geschichte zeigt: Erfolgreicher Widerstand ist möglich. Man denke an die Bürgerrechtsbewegung der 1950er-Jahre. Fehlt heute der US-gesellschaftliche Kampfgeist, wenn es um die Rechte von Frauen geht?

Heute gibt es – vielleicht wegen der sozialen Medien – keine zentrale Steuerung einer Gegenbewegung. Auch "Black Lives Matter" war stark fragmentiert, voller einzelner Aktivistengruppen. Manche handelten konstruktiv, andere destruktiv oder sogar gewaltsam – und genau diese Bilder landeten dann in den Medien. Es fehlte eine Führungsebene, die eine klare Linie vorgab. Damals war das anders. Rosa Parks berühmter Busboykott 1955 war beispielsweise keineswegs spontan, sondern über ein Jahr lang sorgfältig geplant.

Ich setze Hoffnung in die neue Generation – in die Gen Z und auch die Millennials. Ich glaube, dass heute anders als damals nicht nur Frauen diesen Kampf führen werden, sondern auch viele Männer, die nicht in solch starren Rollen leben wollen.

Vanessa Vollmann

Wer könnte einer solchen Bewegung heute Struktur geben?

So jemand müsste die tiefe gesamtgesellschaftliche Spaltung überbrücken können – und auch für für konservative MAGA-Kräfte wählbar sein. Aus meiner Sicht müsste dieser Mensch also gross, weiss, verheiratet, männlich und eloquent sein. Wie Gavin Newsom, der demokratische Gouverneur Kaliforniens. Er könnte ein starkes Gegengewicht zu Trump darstellen.

Inwiefern?

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Newsom macht das clever. Er nimmt der konservativen und rechten Bewegung etwas den Wind aus den Segeln. Er hat eine Verordnung erlassen, die gezielt Jungen fördern soll. Konservative und rechte Bewegungen nutzen seit Jahren das Argument: Wenn Frauen immer weiter gefördert werden, was passiert dann eigentlich mit den Jungen? Newsom nimmt diesen Punkt auf und sagt: Ja, stimmt, vielen Jungen geht es tatsächlich nicht gut – und wir müssen uns darum kümmern. Damit reproduziert er nicht weiter rechtspopulistische Narrative, sondern setzt eigene Akzente.

Wenn sich in den USA das frauenfeindliche Klima immer weiter ausbreitet, was bedeutet das für die Zukunft?

Ich setze Hoffnung in die neue Generation – in die Gen Z und auch die Millennials. Ich glaube, dass heute anders als damals nicht nur Frauen diesen Kampf führen werden, sondern auch viele Männer, die nicht in solch starren Rollen leben wollen. Man darf ausserdem nicht vergessen: Die Amerikaner sind ein revolutionäres Volk. Ihr Land ist aus einer Revolution hervorgegangen, und sie haben diesen Schritt auch später mehrfach gewagt. Dieses Denken prägt die ganze Nation – es steckt sozusagen in ihrem politischen Selbstverständnis.

Verwendete Quellen:

Über die Gesprächspartnerin:

  • Dr. Vanessa Vollmann ist Dozentin an der Universität Passau im Bereich American Studies. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf den Themen Rassismus, Sexismus und Intersektionalität, insbesondere im kulturellen und historischen Kontext. Sie untersucht, wie Machtstrukturen Stimmen von marginalisierten Gruppen zum Schweigen bringen.