Wenn am Hafen von Los Angeles normalerweise die Kräne im Minutentakt Container bewegen, herrscht geschäftiges Treiben. Doch in diesen Tagen ist es still auf dem Gelände in Long Beachzu still. Denn wegen drastischer Zölle und eines eskalierenden Handelskriegs gehen die Containerzahlen dramatisch zurück.

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Trucker, Spediteure und Lagerarbeiter bangen um ihre Existenz. Mit Blick auf die grösste Handelsdrehscheibe der USA wird schnell deutlich: Diese Krise trifft nicht nur Kalifornien, sondern könnte die ganze Wirtschaft erschüttern.

Der Hafen von Los Angeles – einst ein pulsierender Knotenpunkt des Welthandels – steht derzeit erschreckend still. Container bleiben aus, Schiffe stornieren ihre Anläufe, Arbeiter bangen um ihre Jobs. Was sich derzeit in Long Beach und San Pedro abspielt, ist mehr als nur eine lokale Krise. Experten sprechen von einem Frühwarnsignal für eine mögliche wirtschaftliche Erschütterung, die bald ganz Amerika treffen könnte.

Grund für den drastischen Rückgang des Containerverkehrs sind die neuen Importzölle der US-Regierung, die Präsident Donald Trump Anfang April unter dem Motto "Liberation Day" eingeführt hatte.

Besonders hart trifft es Importe aus China: Für manche Produkte liegen die Zölle inzwischen bei über 145 Prozent. Hinzu kommen Zölle von 25 Prozent auf kanadische und mexikanische Produkte, die den Warenfluss in die USA drastisch verlangsamen.

Die Folge: Viele Unternehmen stoppen ihre Lieferungen, weil sich der Handel schlichtweg nicht mehr lohnt. "Die Importeure haben Anfang des Jahres ihre Lager gefüllt, um den Zöllen zuvorzukommen", sagt Gene Seroka, Direktor des Hafens von Los Angeles, wie "Newsweek" berichtet. Doch dieser Puffer sei laut Seroka bald aufgebraucht. "In fünf bis sieben Wochen werden wir weniger Auswahl in Geschäften und höhere Preise sehen."

Leere Docks, leere Auftragsbücher

Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind bereits heute deutlich spürbar. Mehr als 60 Schiffsladungen wurden allein im Mai gestrichen, was einem Minus von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das bedeutet weniger Arbeit für die rund 10.000 Hafenarbeiter, Trucker und Lagerarbeiter, die direkt vom Containerumschlag leben.

"Unsere Leute stehen vor einem drastischen Rückgang der Arbeitsstunden", sagte Gewerkschaftschef Danny Vilicich gegenüber dem US-Sender "ABC7". Auch Gary Herrera von der Dockarbeitergewerkschaft ILWU Local 13 warnt: "Einige unserer Mitglieder bekommen nicht mehr ihre 40 Stunden – Jobverluste sind wahrscheinlich."

Einer Studie zufolge würde ein Rückgang des Frachtaufkommens in den Häfen von Los Angeles und Long Beach um nur ein Prozent 2.769 Arbeitsplätze vernichten und bis zu 4.000 weitere gefährden. Besonders dramatisch ist die Lage auch für die selbstständigen Trucker, die pro Lieferung bezahlt werden. Wenn keine Container ankommen, gibt es für sie auch kein Einkommen. Eine existenzielle Bedrohung für viele.

"Wenn keine Ladung kommt, gibt es kein Geld. Und wir spüren schon jetzt, dass es schlimmer wird", berichtet eine betroffene Truckerin und Dreifach-Mutter gegenüber der "Los Angeles Times".

Auch ein Speditionsunternehmer der Firma Ocean Rail Logistics schlägt Alarm. Er transportiert normalerweise 50 Container pro Woche – aktuell sind es nur noch zehn bis 15. Eine gefährliche Entwicklung, denn: "Wir haben Fixkosten wie Versicherungen. Ohne Aufträge verlieren wir Geld."

Ein Dominoeffekt für ganz Amerika

Die wirtschaftlichen Folgen gehen weit über Kalifornien hinaus. Fast ein Drittel aller US-Importe läuft über die Häfen von Los Angeles und Long Beach. Wenn hier der Verkehr stockt, leiden Lieferketten im ganzen Land – von Lebensmittelhändlern über Autohersteller bis hin zu Spielwarenfirmen.

Die bittere Folge: Leere Regale, steigende Preise und mehr Arbeitslose. Gewerkschaftschef Danny Vilicich sagt dazu gegenüber "ABC7": "Das wird einen Grossteil unserer Region lahmlegen. Wir unterstützen unsere lokale Wirtschaft, unsere Restaurants, unsere Geschäfte, Jugendgruppen und vieles mehr. Es wird unsere Kinder treffen."

Zwar gibt es Hoffnung auf eine Entspannung der Lage, aber nicht sofort. Obwohl China zu neuen Verhandlungen bereit ist, warnen Experten: Selbst wenn der Handelskrieg sofort enden würde, würden sich die Lieferketten erst in sechs Monaten wieder normalisieren. Bis dahin bleibt für viele Betroffene nur die Hoffnung – oder der Sparkurs.

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