Gebärmutterhalskrebs ist eine der häufigsten Krebsarten bei Frauen und meist Folge einer HPV-Infektion. Forschende in Österreich haben unlängst aber eine mögliche zweite Ursache ohne Virusbeteiligung entdeckt. Ein Experte erklärt die Folgen dieser Entdeckung für Diagnose und Therapie.
Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) ist die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen. Weltweit erhalten jährlich etwa 600.000 Frauen die Diagnose Gebärmutterhalskrebs, etwa 350.000 überleben ihre Erkrankung nicht - vorwiegend in Ländern mit unzureichender medizinischer Vorsorge.
Zahlen für Deutschland, Österreich und die Schweiz
- In Deutschland erkranken jährlich etwa 4.600 Frauen an dieser Krebsart, rund 1.500 Frauen sterben daran.
- In Österreich sind es etwa 400 Erkrankungen mit 130 bis 180 Todesfällen.
- Schweiz: 250 Erkrankungen mit 75 bis 80 Todesfällen.
Überwiegender Auslöser von Gebärmutterhalskrebs ist eine Infektion mit dem Humanen Papillomavirus (HPV). Es ist weltweit verbreitet und wird in den meisten Fällen durch Sexualkontakt übertragen.
"Wir wissen, dass Gebärmutterhalskrebs in 95 bis 97 Prozent der Fälle eine Krankheit ist, die von einer Infektion mit humanen Papillomaviren ausgelöst wurde. Infolgedessen kann sich geschädigtes Gewebe über verschiedene Vorstufen schrittweise zu Krebs weiterentwickeln, muss es aber nicht", erklärt Michael Eichbaum, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Die meisten sexuell aktiven Menschen infizieren sich mehrmals in ihrem Leben mit HPV. Oft sind die Viren nur kurze Zeit nachweisbar, lösen keine Symptome aus und verschwinden von alleine wieder. In einigen Fällen bleibt die Infektion länger nachweisbar, das Virus kann dann zum Beispiel die Schleimhaut am Gebärmutterhals schädigen. Über Jahre hinweg können dann Zellschäden entstehen, die sich zunächst zu Krebsvorstufen und dann zu Krebs entwickeln können.
Neue Erkenntnisse zu Gebärmutterhalskrebs machen Hoffnung
Forschende der Medizinischen Universität Graz haben nun im Rahmen zweier Studien neue Entdeckungen zur Entstehung von Gebärmutterhalskrebs geliefert, die Auswirkungen auf die weitere Diagnostik und Therapieverfahren haben könnten - sofern sich die Ergebnisse in weiteren Untersuchungen bestätigen lassen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass sich HPV-assoziierte Krebsvorstufen auch über sogenannte "dünne high-grade squamöse intraepitheliale Läsionen" ("dünne HSIL") entwickeln können und dass diese besonders dünnen Zelllagen an einem anderen Ort im Gebärmutterhals entstehen als bisher angenommen.
Das Team um Olaf Reich, Sigrid Regaur und Karl Kashofer stellte in seinen Untersuchungen fest, dass "dünne HSIL" ähnliche Veränderungen im Erbgut und in der Genaktivität aufweisen wie bösartige Tumorerkrankungen und vermutet daher, dass es sich dabei ebenfalls um Krebsvorstufen handeln könnte.
Eichbaum ordnet ein: "Die Arbeitsgruppe der Medizinischen Universität Graz konnte eine besondere Vorstufenart von Gebärmutterhalskrebs identifizieren, die so in der Fachwelt bisher nicht im Fokus war. HSIL kennen wir zwar schon, es handelt sich dabei um eine Art Zwischenstufe von HPV-Infektion bis hin zur Endstufe Krebs, bisher ist man aber nicht davon ausgegangen, dass es sich dabei um ein Bild handelt, das einen besonderen Krankheitswert haben könnte." Die Entdeckungen sollten seiner Ansicht nach deshalb weiter diskutiert und untersucht werden: "Denn es scheint, als handle es sich um eine Krebsvorstufe, die nicht erst über Jahre entsteht, sondern schneller als bisher angenommen und das sollten wir genauer prüfen."
Da diese Form von Krebsvorstufe mit bisherigen Untersuchungsverfahren nicht leicht zu sehen ist, wurde sie möglicherweise bislang nicht ausreichend beachtet. "Die beobachteten Zellveränderungen spielen sich im Inneren des Gebärmutterhalses in Nischen ab, in denen die Schleimhaut quasi eine Falte bildet und sind deshalb nicht leicht zu erkennen. Sollten sich die neuen Erkenntnisse bestätigen, werden wir zukünftig bei Behandlungen genauer darauf achten müssen, um nichts zu übersehen", erklärt der Experte.
Auch HPV-unabhängige Krebsvorstufen nachgewiesen
Neben dieser möglichen neu entdeckten Krebsvorstufe konnten die Forschenden zudem erstmals belegen, dass auch eine HPV-unabhängige Entstehung von Gebärmutterhalskrebs möglich ist. Die Studienergebnisse lassen vermuten, dass Gebärmutterhalskrebs also auch ohne die Beteiligung des HP-Virus, durch einen bisher nicht bekannten Mechanismus, entstehen kann.
"Sollten sich die Vermutungen bestätigen, würde das eine erhebliche Erweiterung unseres Wissens über Gebärmutterhals mit sich bringen."
"Wir hatten immer einen kleinen Anteil an Krebsfällen, bei denen keine HPV-Infektion nachgewiesen werden konnte, aber auch kein anderer Auslöser feststand. Die Grazer Kolleginnen und Kollegen scheinen dafür nun einen Ansatz zu haben, da sie offensichtlich einen genetischen Entstehungsweg entdeckt haben, der auch zu Krebs führen könnte. Sollten sich die Vermutungen bestätigen, würde das eine erhebliche Erweiterung unseres Wissens über Gebärmutterhals mit sich bringen", sagt der Experte im Gespräch mit der Redaktion.
Diese nun in den Fokus gerückten, seltenen Schleimhautveränderungen, sogenannte differenzierte zervikale intraepitheliale Neoplasien, ähneln in ihrer Struktur den bereits bekannten Krebsvorstufen an der Vulva. Sie weisen typische Gendefekte auf, die das Tumorwachstum fördern können und konnten bei Zellabstrichen bisher nur schwer von gutartigen, harmlosen Veränderungen unterschieden werden.
Diagnostik und Therapie könnte durch neue Entdeckung besser werden
HPV-unabhängige Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs machen nur einen kleinen Anteil aller Krankheitsfälle aus und waren bisher schwer zu erkennen, da sie unter dem Mikroskop oder bei klinischen Untersuchungen wenig auffällig waren beziehungsweise durch ihre verstecke Lage nicht wahrgenommen wurden. Die neue Aufmerksamkeit dafür könnte sich durch die neuen Erkenntnisse ändern und die Diagnose von Gebärmutterhalskrebs erleichtern.
"Sollten sich die Ergebnisse erhärten, könnte das in der Zukunft dazu führen, dass beispielsweise die Vorsorge angepasst wird, etwa indem Vorsorgeintervalle anders gewählt werden oder möglicherweise auch an neuen therapeutischen Ansätzen gearbeitet wird. Darüber können wir aber aktuell nur spekulieren", erläutert Eichbaum.
Vorsorge erhöht Heilungschancen
Was jedoch feststeht: Je früher mögliche Zellveränderungen im Gebärmutterhals entdeckt werden, desto höher stehen die Chancen, Betroffene schnell und einfach heilen zu können. Dass die Krankheitsfälle in vielen Ländern rückläufig sind, liegt vor allem an den angebotenen Vorsorgemassnahmen und den seit 2007 verfügbaren Impfstoffen gegen eine HPV-Infektion.
"Durch gut organisierte Vorsorgeuntersuchungen können Zellveränderungen und mögliche Krebsvorstufen früh bemerkt und behandelt werden."
"Die Vorsorge ist entscheidend im Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs. Durch gut organisierte Vorsorgeuntersuchungen können Zellveränderungen und mögliche Krebsvorstufen früh bemerkt und behandelt werden. In den Industrienationen, zum Beispiel in Deutschland, haben wir damit Erfolge erreicht und konnten die Krankheit durch organisierte Krebsvorsorge und die HPV-Schutzimpfung deutlich zurückdrängen", bestätigt der Facharzt für Frauenheilkunde.
Für Gebärmutterhalskrebs, der durch HPV verursacht wird, gibt es eine Impfung. Sie schützt vor HPV-Typen, die für die meisten Fälle von Gebärmutterhalskrebs und weitere Krebsarten im Genital- und Rachenraum verantwortlich sind.
Empfehlungen der Redaktion
Da die Impfung am wirksamsten schützt, solange noch kein Kontakt mir HPV stattgefunden hat, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) sie für Mädchen und Jungen ab neun Jahren, idealerweise vor dem ersten sexuellen Kontakt. Für Jungen ist sie ebenfalls wichtig, da sie das Virus übertragen können und auch an HPV-bedingtem Krebs erkranken können, etwa im Analbereich oder Mund- und Rachenraum.
Über den Gesprächspartner
- Prof. Dr. med. Michael Eichbaum, MHBA, ist Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Leiter des gynäkologischen Krebszentrums und Brustzentrums am Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden. Die Schwerpunkte des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe liegen in der Gynäkologischen Onkologie sowie in der Geburtshilfe und Perinatalmedizin.
Verwendete Quellen
- The American Journal of Surgical Pathology: The Histologic and Molecular Spectrum of Highly Differentiated HPV-independent Cervical Intraepithelial Neoplasia
- rki.de: Antworten auf häufig gestellte Fragen zu HPV-Impfung und HPV-Infektion
- Medizinische Universität Graz: Gebärmutterhalskrebs: Neue Krebsvorstufen entdeckt
- Zentrum für Krebsregisterdaten: Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom)