Beim Pilzesammeln ist Vorsicht geboten: Giftige Doppelgänger sind oft nur durch Details von essbaren Arten zu unterscheiden. Eine mögliche Pilzvergiftung kann sich dann auch erst mit Verzögerung bemerkbar machen. In jedem Fall ist dann ärztliche Hilfe gefragt.

Nach dem eher milden und feuchten Sommer spriessen die Pilze. Sammlerinnen und Sammler durchstreifen die Wälder auf der Suche nach Steinpilzen, Champignons und Pfifferlingen. Doch dabei lauert auch Gefahr: Immer wieder landen ungeniessbare oder sogar hochgiftige Doppelgänger im Korb. Die Folgen reichen von Magenverstimmungen bis hin zu lebensbedrohlichen Vergiftungen.

"Die gefährlichsten Verwechslungen passieren häufig beim Knollenblätterpilz, der leicht mit essbaren Champignons oder dem Parasol verwechselt wird", warnt Gabriele Groth, Chefärztin an der Schön Klinik Hamburg Eilbek. Auch der Gifthäubling sieht dem beliebten Stockschwämmchen zum Verwechseln ähnlich. "Viele Giftpilze unterscheiden sich nur durch kleine Details von ihren essbaren Doppelgängern", bestätigt Groth.

Gefährliche Verwechslungen drohen

Was für erfahrene Sammler keine Herausforderung sein mag, kann für Neulinge gefährlich werden. "Unerfahrene Sammler sind besonders gefährdet, da sie sich auf Bestimmungs-Apps oder Pilzbücher verlassen", sagt Groth. "Diese bieten jedoch keinen vollständigen Schutz vor gefährlichen Verwechslungen."

Gefährdet sind laut der Ärztin auch Menschen, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben oder aus Regionen stammen, in denen der Knollenblätterpilz kaum vorkommt. "In Ländern wie Russland, der Ukraine, dem Nahen Osten oder Afghanistan ist der Knollenblätterpilz oft unbekannt, weshalb die Gefahr hierzulande unterschätzt wird."

Auch für Kinder können Pilze gefährlich werden, wenn sie sie beim Spielen im Wald oder im Garten in den Mund nehmen. "Eltern sollten ihre Kinder daher immer im Auge behalten und ihnen frühzeitig erklären, dass Pilze nicht gegessen werden dürfen", sagt Groth. Im Blick haben sollte man dabei, dass auch im heimischen Garten giftige Pilze spriessen können.

Zunahme von Pilzvergiftungen

Zuletzt hat die Ärztin eine Zunahme von Pilzvergiftungen beobachtet. Neben dem Knollenblätterpilz und dem Gifthäubling zählen Fliegenpilze und Pantherpilze zu den Arten, bei denen es häufig zu Vergiftungen kommt. "Auch der Satansröhrling und der Kahle Krempling können schwere Vergiftungen verursachen", so Groth.

Wie sich eine Pilzvergiftung bemerkbar macht, hängt von der Pilzart ab. "Häufige erste Anzeichen sind Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen", sagt Groth. Auch Schweissausbrüche, Kreislaufprobleme oder Halluzinationen sind möglich.

Besonders tückisch ist, dass manche Pilzgifte erst verzögert wirken. Beim Knollenblätterpilz treten die Beschwerden zum Beispiel oft erst nach mehreren Stunden auf. "Gerade bei spät einsetzenden Symptomen ist besondere Vorsicht geboten, da die Vergiftung dann oft schon fortgeschritten ist."

Entscheidend bei einer Pilzvergiftung ist der Faktor Zeit. "Bei Verdacht auf eine Pilzvergiftung gilt: Keine Zeit verlieren!", sagt die Ärztin. Man sollte sofort die Giftnotrufzentrale anrufen, um die Situation einschätzen zu lassen. In Deutschland gibt es dafür keine einheitliche Telefonnummer, aber fast alle Giftnotrufzentralen sind mit unterschiedlicher Vorwahl über die Kurzwahl 19240 zu erreichen (in Berlin beispielsweise unter 030/19240).

Reste der Pilze mitbringen oder Fotos zeigen

Bei schweren Symptomen wie Bewusstlosigkeit, Atemnot oder Kreislaufproblemen sollte man nicht zögern und umgehend einen Notarzt rufen oder den Betroffenen in die nächste Notaufnahme bringen. "Wenn möglich, sollten Reste der Pilze, Erbrochenes oder Speisereste aufbewahrt werden", sagt Groth. Das hilft, das Gift zu identifizieren.

Wichtig ist, Ruhe zu bewahren, so schwer das in einem solchen Moment auch fallen mag. Von Hausmitteln rät die Ärztin ab, auch ein Erbrechen sollte man nicht herbeiführen. "Geben Sie dem Betroffenen Wasser zu trinken, aber keine Milch oder Alkohol, warten Sie auf den Rettungsdienst und halten Sie die Proben der Pilze bereit."

Auch bei leichten Beschwerden zum Arzt

Die Behandlung im Krankenhaus richtet sich nach Art der Vergiftung. "Wir untersuchen die Patienten körperlich und nehmen Blut- und Urinproben, um Hinweise auf bestimmte Giftstoffe zu erhalten", sagt Groth. Weil bestimmte Gifte gezielt behandelt werden können, ist es sehr hilfreich, wenn sich der Pilz bestimmen lässt. "Deshalb sind Pilzreste oder Fotos der gesammelten Pilze für uns sehr wertvoll."

Wenn mehrere Personen dieselben Pilze gegessen haben, sollte alle Betroffene beobachtet und behandelt werden, auch wenn nicht alle unter Beschwerden leiden. "Es ist wichtig, dass niemand abwartet, sondern alle gemeinsam ärztliche Hilfe aufsuchen", betont Groth.

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Die Ärztin rät ausserdem dringend davon ab, eine mögliche Pilzvergiftung auf die leichte Schulter zu nehmen. "Selbst vermeintlich harmlose Symptome können auf eine ernsthafte Vergiftung hindeuten", sagt sie. "Suchen Sie in jedem Fall ärztlichen Rat, im Zweifel lieber einmal zu viel als zu wenig."

Über die Gesprächspartnerin

  • Dr. Gabriele Groth ist Chefärztin im Zentrum für Notall- und Akutmedizin der Schön Klinik Hamburg Eilbek.