Zahlen des Robert Koch-Instituts zeigen es Jahr für Jahr: Mit dem Oktoberfest in München steigt auch die Zahl der Atemwegserkrankungen. Der Münchner Virologe Johannes Bogner erklärt, wie man sich vor der berüchtigten "Wiesn-Grippe" schützen kann, und schätzt ein, welche Rolle das Coronavirus in diesem Jahr spielen wird.

Erst die Krüge hoch – dann eine Woche flach liegen. So ergeht es Jahr für Jahr vielen, die das Oktoberfest besuchen. Denn wer auf das riesige Volksfest geht, muss damit rechnen, sich eine "Wiesn-Grippe" einzufangen.

Wie das Gesundheitsreferat der Stadt München "BR24" mitteilte, zeigten seit Jahren durchgeführte bundesweite Untersuchungen des Robert Koch-Instituts (RKI), dass die Welle der Atemwegserkrankungen im bayerischen Raum tendenziell ein paar Wochen früher beginnt als anderswo.

"Bei einer Ansammlung von vielen Menschen ist die Übertragung von Krankheiten einfach gegeben", sagt Johannes Bogner, Leiter des Interdisziplinären Zentrums Klinische Infektiologie am LMU Klinikum. Das habe nichts mit München und dem Oktoberfest zu tun, sondern finde überall dort statt, wo ähnliche Ereignisse stattfinden.

Herbst befördert "Wiesn-Grippe"

Laut dem Infektiologen befördert allerdings die Jahreszeit - der nasskalte Herbst - die Ausbreitung der "Wiesn-Grippe". Neben der Erregerübertragung, die durch so viele Menschen auf so engem Raum leichter stattfindet, kämen zusätzlich Erkältungsfaktoren ins Spiel. "Das Immunsystem und die Abwehrkräfte werden geschwächt, wenn man längere Zeit kalter Witterung ausgesetzt ist", erklärt Bogner.

Und genau das passiert häufig auf dem Oktoberfest. "Wer nachmittags in Dirndl oder Lederhose dorthin geht, denkt nicht daran, dass es später viel kälter wird. Wenn man dann abends bei Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad ohne Jacke unterwegs ist, werden Haut und Schleimhäute kalt und schlechter durchblutet. Dadurch lassen die Abwehrfunktionen etwas nach", sagt der Mediziner.

Corona spielt noch eine Rolle

Nicht nur eine Erkältung kann ein Oktoberfestbesuch mit sich bringen. "Corona wird dieses Jahr auf dem Oktoberfest definitiv eine Rolle spielen", sagt Bogner. Schon jetzt gebe es in München wieder vermehrt Krankheitsfälle, nicht nur ambulant. "Einige Menschen kommen derzeit wegen Lungenentzündungen in die Klinik, und in Tests zeigt sich, dass sie Corona-positiv sind. Sie werden dann auf unserer Isolierstation behandelt."

Die Möglichkeit, sich auf dem Oktoberfest mit Covid-19 anzustecken, sei "definitiv gegeben", sagt der Experte. "Ich erwarte, dass es zu einem Schneeballeffekt kommt, der dazu führen wird, dass es in den Tagen und Wochen nach dem Oktoberfest mehr Infektionen geben wird. Wenn sie dann nicht realisieren, dass sie infektiös sind, wird es auch an ihrem Arbeitsplatz oder in der persönlichen Umgebung Fälle von Corona-Infektionen geben. Gefährdet sind also auch Menschen, die selbst nicht auf das Oktoberfest gehen."

Bogner empfiehlt deshalb, vorzusorgen. Wer das Oktoberfest besucht, sollte sich vorab mit Corona-Schnelltests und FFP2-Masken eindecken. Bei einem Verdacht kann man sich dann daheim testen und vorsichtshalber eine Maske tragen. Selbst die neuesten Varianten wie die derzeit kursierende XFG Stratus erkennen die Corona-Tests laut Bogner.

Wenn sich Bakterien und Viren durch die vielen Menschen auf dem Oktoberfest ausbreiten, ist es dann womöglich taktisch klüger, gleich zu Beginn zu gehen? Das nutzt laut Bogner nichts. "Auch am ersten Wiesn-Wochenende werden Erreger unterwegs sein und es besteht eine gewisse Gefahr, sich einen Atemwegsinfekt einzufangen", sagt er und merkt an: "Übrigens nicht nur das, sondern es kursieren auch Magen-Darm-Infekte - damit muss man ebenfalls bei Massenereignissen rechnen." Sein Tipp deshalb: Am besten bei gutem Wetter aufs Oktoberfest gehen, wenn es schön warm ist. "Aber es gibt natürlich keine Garantie, sich nicht anzustecken", fügt er an.

"Wiesn-Grippe" umgehen: Das empfiehlt der Virologe

Ein gesundes Mikrobiom hilft dem Immunsystem, Erreger schneller abzuwehren. "Wer sich gesund und abwechslungsreich ernährt, hat also schon mal einen Vorteil", sagt Bogner. Vorab Medikamente oder spezielle Booster zu sich zu nehmen, hält er allerdings für nutzlos. Wer will, könne Vitamin C einnehmen, meint der Arzt. Für mehr als das sieht er keinen Bedarf.

"Die wichtigste Massnahme ist die persönliche Hygiene: Händewaschen hilft auf alle Fälle."

Johannes Bogner, Leiter des Interdisziplinären Zentrums Klinische Infektiologie am LMU Klinikum

Für entscheidend hält Bogner hingegen das Verhalten auf dem Oktoberfest selbst. "Die wichtigste Massnahme ist die persönliche Hygiene: Händewaschen hilft auf alle Fälle", sagt er. Ausserdem hält er es für sinnvoll, ein kleines Desinfektionsspray dabei zu haben.

Vorbeugen lasse sich auch, wenn man sich draussen in den Biergarten setzt, anstatt in ein volles Zelt zu gehen. Eine Jacke mitzunehmen, sei auch nicht verkehrt, fügt Bogner an.

Für alle, die nicht auf den Besuch eines Zeltes verzichten wollen, gibt der Virologe zu bedenken, dass auch die persönliche Nähe zu Menschen die Übertragungswahrscheinlichkeit erhöhe. "Wir wissen, dass Aerosol- und Tröpfcheninfektionen eine Rolle spielen. Je näher man sich kommt, desto wahrscheinlicher ist die Übertragung", sagt er. "Natürlich ist es in einem Bierzelt schwierig, auf Abstand zu gehen. Aber es macht einen Unterschied, ob ich mich mit geringem Abstand unterhalte oder jemand auf der anderen Tischseite sitzt."

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Hygienebedingungen in der Kritik – ein Brillenputztuch kann helfen

Die Hygienebedingungen auf dem Oktoberfest sind immer wieder Thema. Unter anderem gibt es Kritik, dass die Bierkrüge schnell und nur mit kaltem Wasser gespült werden. Laut der "Süddeutschen Zeitung" kommen die Krüge in spezielle Spülkästen und werden mit kaltem Wasser innerhalb kurzer Zeit abgesprüht. Ein spezielles Spülmittel für gewerbliche Glasreinigung samt Chlor zum Desinfizieren wird dabei hinzugefügt.

"Wenn die Krüge schnell in kaltem Wasser oder überhaupt nur mit Wasser gespült werden, ist es möglich, dass sich verschiedenste Erreger, von Herpesviren bis zu Coronaviren oder Bakterien, noch auf dem Krug befinden", schätzt Bogner ein. "Es mag komisch erscheinen, aber man könnte mit einem Desinfektionstuch oder mit einem Hygienetuch den oberen Rand des Masskrugs abwischen. Alkohol getränkte Brillenputztücher zum Beispiel wären optimal dafür", empfiehlt er.

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. med. Johannes Bogner ist Leitender Oberarzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV, LMU Klinikum Innenstadt, Ludwig-Maximilians-Universität München und Leiter der Sektion Klinische Infektiologie.

Verwendete Quellen

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