Seit über einem Jahrzehnt meisselt Bildhauer Thomas Doneis an seinem Lebenswerk. Aus einem riesigen Quarzsandsteinblock lässt er eine Miniatur-Version des weltbekannten Schlosses Neuschwanstein entstehen. Warum er dafür sogar seine Gesundheit aufs Spiel setzt, sagt der am ganzen Körper tätowierte Ausnahmekünstler im Interview.
Schloss Neuschwanstein macht gerade viele positive Schlagzeilen: Erst kürzlich ist das "Märchenschloss" von König Ludwig II. zum Weltkulturerbe erklärt worden, ausserdem sind die 22 Millionen Euro teuren Restaurierungsarbeiten im bayerischen Wahrzeichen endlich abgeschlossen und seit dem 1. August gibt es das Schloss obendrein als Lego-Set zu kaufen.
Einer, der für weitere positiven Neuigkeiten rund ums weltberühmte Baudenkmal sorgt, ist Thomas Doneis aus Niedersachsen. Der 56-jährige Bildhauer arbeitet seit einem Jahrzehnt an einer Miniatur-Version des Schlosses. Sieben Tonnen ist das aus nur einem einzigen Steinblock gemeisselte Kunstwerk schwer. Wie er auf die Idee dazu gekommen ist, hat der Künstler der Redaktion in einem Video-Call erzählt.
Herr Doneis, wie sind Sie zur Bildhauerei gekommen?
Thomas Doneis: Ich habe vor ungefähr 25 Jahren in einem Steinmetzbetrieb im Baubereich gearbeitet. Dort habe ich unter anderem Natursteine als Fassadenverkleidung verlegt. Einmal sollte ich eine Sandsteinmauer bauen und dabei kam mir ein Stein unter, der für mich wie eine Figur aussah. Aus Spass habe ich nach Feierabend darauf rumgehämmert. So fing alles an.
Das heisst, Sie haben sich die Bildhauerkunst im Grunde selbst beigebracht?
Ja. Nach und nach bin ich immer besser geworden, ich habe mehr ausprobiert und mir Material und Literatur besorgt, bis schliesslich die ersten Auftragsarbeiten kamen.
Seit über einem Jahrzehnt arbeiten Sie an einer Nachbildung von Schloss Neuschwanstein. Aus einem einzigen, riesigen Quarzsandsteinblock meisseln Sie eine Miniatur-Version des weltberühmten Schlosses. Wie kamen Sie auf die Idee?
Das war im Frühjahr 2015. Ich hatte zuvor schon viele andere Projekte gemacht, meistens Figuren, die ich an Privatpersonen verkauft habe. Aber ich wollte nicht immer nur Kunstwerke schaffen, die im Privatbesitz landen. Mein Wunsch war es, an einem Projekt zu arbeiten, das am Ende alle sehen können und mit dem man auch sozial etwas bewegen kann, indem man zum Beispiel Teile des Erlöses spendet. Deshalb heisst das Projekt auch "Kunst trifft Soziales".
Und warum gerade Schloss Neuschwanstein?
Ich habe viel recherchiert und mich gefragt: Was hat einen hohen Wiedererkennungswert und wie kann man die Menschen begeistern? Auf der Münchner Edelsteinmesse habe ich damals den Tipp bekommen: "Mach doch Neuschwanstein, das kennt jeder." Und das stimmt! Egal, ob in Japan oder in Amerika, das Schloss von König Ludwig II. ist weltbekannt. Neben dem Oktoberfest ist es das Wahrzeichen Deutschlands schlechthin. Deshalb war klar: Für mein Projekt konnte es kein anderes Motiv geben.
Ihr Atelier ist in Niedersachen, das Märchenschloss von König Ludwig II. liegt am bayerischen Alpenrand, also nicht gerade um die Ecke. Wie oft waren Sie dort?
Bis heute vielleicht drei bis vier Mal. Vor Beginn des Projekts hatte ich das Schloss tatsächlich noch nie besucht. Als ich dann den Entschluss dazu gefasst habe, bin ich nach Hohenschwangau gereist und habe es mir ganz genau angesehen. Ich habe viele Fotos von der Fassade gemacht, war auch in München und habe mich bei der Bayerischen Schlösserverwaltung vorgestellt und mich mit dem Bauamt Kempten in Verbindung gesetzt. Leider habe ich aber keine originalen Baupläne bekommen.
Wie hat Ihr Projekt dann Gestalt angenommen?
Ich habe weiter recherchiert und Fotografen damit beauftragt, für mich ganz viele Fotos vom Schloss zu machen. Mittlerweile habe ich so um die 4.000 Aufnahmen von Neuschwanstein. Danach musste ich das passende Material auswählen. Ich habe mich für einen 21 Tonnen schweren Quarzsandsteinblock aus dem Steinbruch Undelfangen in der Nähe von Trier entschieden. Der musste dann erst noch in Luxemburg zurechtgeschnitten werden. Das alles war ein riesen Aufriss, bevor der Steinblock in mein Atelier geliefert werden konnte.
"Fehler darf ich mir keine erlauben, ich muss immer 1000-prozentig bei der Sache sein."
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass Sie Ihr Projekt schon zur 150-jährigen Grundsteinlegung von Schloss Neuschwanstein im Jahr 2019 vollenden wollten. Warum hat es länger gedauert?
Die Arbeit ist sehr zeitfressend. Ich meissel das Schloss ja aus einem einzigen Steinblock, allein auf der Grundlage von Fotos. Da wird nichts dazugeklebt. Die ersten Jahre war ich täglich zwischen 14 und 16 Stunden im Atelier. Inzwischen hat sich die Arbeit verändert, jetzt geht es ja nicht mehr ums Grobe, sondern ums Filigrane. Ich muss mich sehr stark konzentrieren und länger als acht Stunden am Tag hält man da nicht durch. Fehler darf ich mir keine erlauben, ich muss immer 1000-prozentig bei der Sache sein.
Das hört sich körperlich sehr fordernd an.
Das ist die Schattenseite meiner Arbeit: Gesund ist es nicht. Ich muss mich körperlich oft verkrümmen, dadurch habe ich Muskelschmerzen. Und leider kann ich nicht unter freiem Himmel arbeiten, so atme ich viel Staub ein. Eigentlich müsste ich andauernd eine Maske tragen, aber damit beschlägt meine Sehbrille. Deshalb habe ich die Staubmaske oft weggelassen. Jetzt ist meine Lunge geschädigt.
Und das hat Sie nicht davon abgehalten, weiterzumachen?
Man muss sich entscheiden, was man will. Ich möchte meine Kunst leben, ich liebe das Projekt, ich habe eine Beziehung dazu aufgebaut. Die Arbeit ist mein Herzblut.
Ihr Kunstwerk ist fast vollendet. Nun ist das Original Schloss Neuschwanstein gerade zum Weltkulturerbe erklärt worden. Besser hätte der Zeitpunkt für die Fertigstellung Ihres Projekts nicht sein können, oder?
Für mich ist das Fügung. Vor dem Projekt war ich lange Zeit überzeugter Buddhist, durch das Schloss habe ich mich dem Christentum zugewandt. Der Glaube gibt mir Kraft und Mut. Ich bin davon überzeugt, dass mir die Bildhauerei als Gabe gegeben wurde.
Auch König Ludwig II. war sehr gläubig. Fühlen Sie sich dem Erbauer Neuschwansteins besonders verbunden?
Vor dem Projekt hatte ich gar keine Verbindung zu Ludwig II. und Neuschwanstein. Das ist jetzt natürlich anders. Durch meine Arbeit habe ich mich intensiv mit dem König beschäftigt und das Schloss hat mich völlig in seinen Bann gezogen. Wenn ich daran arbeite, bin ich wie in einer anderen Welt. Ich habe die Musik von Richard Wagner für mich entdeckt und ich bin von der Nibelungensage begeistert. Ja, und der König und ich haben am selben Tag Geburtstag.
Tatsächlich?
Ja, wir sind beide an einem 25. August geboren (lacht). Da gibt es schon Parallelen. Ludwig II. hatte auch Probleme bei der Finanzierung seiner Bauten. Er hat sich privat immer mehr verschuldet.
Sie wollen Ihr Schloss für 11 Millionen Euro verkaufen. Gibt es schon Angebote dafür?

Es gab schon ein paar Anfragen, aber nichts Konkretes. Mein grösster Wunsch wäre, dass das Schloss für alle öffentlich zugänglich unter einer Glashaube steht. Am besten in München!
11 Millionen Euro sind viel Geld …
Es können auch mehr sein (lacht). Ich habe über 30.000 Arbeitsstunden reingesteckt und mein ganzes Hab und Gut verkauft, um das Projekt zu finanzieren. Seit zehn Jahren verdiene ich kein Geld damit und arbeite jeden Tag daran, auch am Wochenende und an Feiertagen. Ohne finanzielle Unterstützung von aussen wäre das nicht möglich gewesen. Ich möchte auch in Zukunft weiter Kunst machen und mich und meine Frau finanziell absichern. Und ich möchte einen Teil der Summe spenden. Wie gesagt: Kunst trifft Soziales. Je mehr ich für mein Kunstwerk bekomme, umso mehr kann ich auch abgeben.
Sie schaffen nicht nur Kunst – Ihr Körper ist auch selbst ein Kunstwerk. Sie sind von Kopf bis Fuss tätowiert. Wie kommt das?
Ich war einer der Ersten in Deutschland, wenn nicht der Erste, der sich auf die Art und Weise am Kopf tätowieren hat lassen. Die Tätowierkunst nennt sich Blackwork-Tattoo und ist inspiriert von traditionellen Tätowierungen bestimmter Kulturen. Ich habe es nie bereut, die Tattoos gehören einfach zu mir und ich habe durch mein Aussehen einen hohen Wiedererkennungswert.
Das stimmt. Und wie geht es nun für Sie nach Beendigung Ihres Projekts weiter?
Empfehlungen der Redaktion
Vor zwei Jahren habe ich damit angefangen, nebenher mit Opalen zu arbeiten. Ich möchte damit kleine Skulpturen und Kunstwerke schaffen. Dafür stehe ich schon in den Startlöchern und freue mich darauf, mal wieder was Neues zu machen. Vielleicht auch mal was Christliches.
Über den Gesprächspartner
- Thomas Doneis ist Künstler aus dem niedersächsischen Landkreis Peine. Der 56-Jährige hat sich das Steinmetzhandwerk vor über 25 Jahren selbst beigebracht und meisselt seitdem Skulpturen. Vor zehn Jahren startete er ein besonderes Projekt: Seitdem arbeitet er an einer Miniatur-Form von Schloss Neuschwanstein. Wie es mit seiner Arbeit vorankommt, dokumentiert der Künstler auf seinen Social-Media-Kanälen.