Ein massiver Luftraumverstoss russischer Drohnen über Polen sorgt für Spannungen. Neue Details aus Nato-Kreisen deuten auf eine gezielte Aktion hin. Fünf Flugobjekte sollen direkt auf einen Militärstützpunkt zugesteuert sein, über den Waffenlieferungen in die Ukraine abgewickelt werden.
Der Vorfall gilt als grösster Sicherheitszwischenfall im Nato-Luftraum seit Jahrzehnten: Etwa zwei Dutzend russische Drohnen drangen am Mittwoch in den polnischen Luftraum ein und wurden dort abgeschossen.
Während die Hintergründe noch untersucht werden, verdichten sich die Hinweise auf eine gezielte russische Provokation statt eines versehentlichen Luftraumverstosses. Das berichtet die Tageszeitung "Welt".
Brisante neue Details aus Nato-Kreisen
In einem vertraulichen Nato-Sicherheitsbriefing am späten Mittwochnachmittag wurden offenbar alarmierende Details bekannt. Nach Informationen der "Welt" hätten sich laut vorläufigen polnischen Ermittlungen fünf der russischen Drohnen auf direkter Flugbahn zu einem Nato-Stützpunkt befunden. Drei dieser Flugobjekte seien durch niederländische F35-Kampfjets abgeschossen worden, während zwei weitere unter bislang ungeklärten Umständen abgestürzt seien.
Besonders brisant: Bei dem anvisierten Stützpunkt handelt es sich um einen Knotenpunkt, über den die Nato Militärgüter in die Ukraine liefert. Diese Information verstärkt den Verdacht einer gezielten Operation. "Nach gegenwärtigem Stand gehen wir davon aus, dass die Drohnen höchstwahrscheinlich absichtlich in den Nato-Luftraum eingedrungen sind", sagte ein hochrangiger Nato-Offizier der Zeitung.
Mehrere Indizien sprechen gegen ein Versehen
Die schiere Anzahl der Drohnen macht ein versehentliches Eindringen äusserst unwahrscheinlich. Laut "Welt" drangen zwischen Mittwoch Mitternacht und etwa 6:30 Uhr morgens insgesamt 22 bis 25 Drohnen in den polnischen Luftraum ein.
Was die Nato-Verantwortlichen zusätzlich alarmierte: Am selben Tag um 10:00 Uhr verletzten erneut zwei russische Drohnen den Luftraum über Litauen – ein weiteres Nato-Mitglied. Dieses koordinierte Vorgehen an verschiedenen Nato-Grenzen deutet auf eine systematische Aktion hin.
Testlauf für russische Aufklärung?
In Nato-Kreisen vermutet man, dass Russland mit dieser Aktion die Reaktionsfähigkeit des Bündnisses testen wollte. Dabei ging es möglicherweise darum, zu analysieren, wie schnell die Nato reagiert und welche Einsatzmittel zur Drohnenabwehr zum Einsatz kommen.
Gegen einen geplanten Angriff spricht, dass bei den Trümmerteilen von etwa 20 gefundenen Drohnen kein Sprengstoff entdeckt wurde, berichtet die "Welt". Dennoch stellt das koordinierte Eindringen in den Nato-Luftraum eine ernste Provokation dar.
Diplomatische Reaktionen auf beiden Seiten
Die polnische Regierung reagierte entschlossen und berief sich auf Artikel 4 des Nato-Vertrags, der Konsultationen vorsieht, wenn ein Mitgliedstaat seine Sicherheit bedroht sieht. In zahlreichen Telefonaten und Konferenzschaltungen bemühte sich Warschau um Unterstützung der Verbündeten.
Russland hat das Eindringen der Drohnen in den polnischen Luftraum nicht direkt dementiert. Allerdings bestreitet Moskau jegliche Absicht oder gar einen Angriff auf das EU- und Nato-Land.
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Bei dem Vorfall kamen keine Menschen zu Schaden, obwohl Trümmerteile auf mindestens ein Wohnhaus stürzten. Dennoch hat der Zwischenfall die Nato in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und könnte zu einer weiteren Verschärfung der Spannungen zwischen dem westlichen Verteidigungsbündnis und Russland führen. (bearbeitet von fah)