Donald Trump scheint nach seinen verharmlosenden Aussagen zu den rassistischen Ausschreitungen in Charlottesville immer tiefer in die Isolation zu geraten. Der Gegenwind innerhalb der republikanischen Partei wird stärker - und dann ging auch noch Chefstratege Steve Bannon von Bord.

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Nach nur 200 Tagen im Amt steht Donald J. Trump, der 45. Präsident der USA, womöglich vor einem Wendepunkt.

Nachdem er die rassistischen Ausschreitungen in Charlottesville, bei dem eine Gegendemonstrantin von einem mutmasslichen Neonazi getötet wurde, nur halbherzig verurteilt hatte, bläst ihm weiter heftiger Gegenwind ins Gesicht.

US-Medien wittern Putsch-Gefahr

Von Wirtschaftsbossen, von Ex-Präsidenten, von Ex-Geheimdienstlern, und auch von Mitgliedern seiner eigenen Partei. Trump droht die Isolation, Rufe nach der Ablösung des 71-Jährigen werden lauter.

Das US-Magazin Newsweek schreibt, Trump befürchte einen Putsch.

Prompt gab sein umstrittener Chefstrage Stephen Bannon ein skurriles Interview, in dem er die rechten Demonstranten von Charlottesville als "Clowns" und "Verlierer" bezeichnete und Donald Trump in dessen Nordkorea-Politik offen widersprach.

Nur wenige Stunden später war Bannon im Weissen Haus Geschichte und erklärte bei seiner umgehenden Rückkehr zum rechtsreaktionären Portal "Breitbart": "Die Trump-Präsidentschaft, für die wir gekämpft und die wir errungen haben, ist vorüber".

Bannon deutete an, dass Trump nun alleine gegen die liberalen Stimmen im Kongress stehen würde.

Das "ficht Trump überhaupt nicht an"

Ranghohe Republikaner wie Paul Ryan, der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, der Gouverneur von Ohio, John Kasich, sowie Senator Marco Rubio aus Florida, verurteilten die Gewalt durch Neonazis und andere rechte Gruppierungen anders als Trump deutlich.

Trotz aller Querelen hätten die meisten Republikaner bisher hinter dem Präsidenten gestanden, sagte ein hohes Parteimitglied anonym dem US-Medium "The Hill". "Es fühlt sich so an, als ob das jetzt auseinanderbricht."

Selbst der als stramm trumpfreundlich bekannte TV-Sender Fox News musste zugeben, dass sich trotz zahlreicher Anfragen kein Republikaner finden liess, der den Oberbefehlshaber im Fall Charlottesville verteidigen wollte.

"Das ficht Trump überhaupt nicht an, das ist für ihn kein grösseres Problem", gibt Politikwissenschaftler Prof. Thomas Jäger von der Universität Köln im Gespräch mit unserer Redaktion zu Bedenken.

Er habe politisch noch nie davon gelebt, dass "diese Leute, die nun nicht für ihn Wort ergreifen, für ihn gesprochen haben". Trump habe in der politischen Klasse ohnehin immer nur "temporär Verbündete", so Jäger.

Zuletzt hatte er sich mit seinem Justizminister Jeff Sessions in den Haaren, er liefert sich eine Fehde mit Mitch McConnell, dem Mehrheitsführer im Senat, die Beziehung zu Paul Ryan ist mal okay, mal mittelmässig.

Die Bushs und Obama kritisieren Trump

Die früheren Präsidenten George W. Bush und sein Vater George H.W. Bush erklärten in einem offenen Brief, Amerika müsste "ethnische Eiferei, Antisemitismus und Hass immer und in jeder Form zurückweisen".

Mehr als ein indirekter Fingerzeig auf den Präsidenten. "Dass Trump und die Bushs keine Freunde mehr werden, war sowieso klar", sagt Thomas Jäger im Hinblick auf die scharfe Kritik Trumps am durch Bush Jr. begonnenen Irak-Krieg 2003 und Sticheleien gegen dessen jüngeren Bruder Jeb.

Von daher sollte ihr Statement auch nicht überbewertet werden, so Jäger.

Ohne ihn namentlich zu nennen, ging Trumps Vorgänger Barack Obama mit einem Twitter-Hinweis auf Nelson Mandela ebenfalls - und wenig überraschend - auf Distanz zu seinem Nachfolger.

Wirtschaftsbosse, Militärs, Ex-CIA-Chef gehen auf Distanz

Wohl am drastischsten äusserte sich der frühere CIA-Direktor John Brennan. "Herrn Trumps Worte und die Ansichten, die sie widerspiegeln, sind eine nationale Schande", erklärte Brennan in einem Brief an den CNN-Moderator Wolf Blitzer. Auch führende Militärs brachen in Stellungnahmen eine Lanze für Toleranz. Schliesslich zogen sich sogar einige Wirtschaftsbosse aus Protest aus einem Beratergremium zurück, der selbst ernannte "Job-Präsident" löste das Gremien kurzerhand auf. "Auch das lässt Trump ziemlich kalt", meint Thomas Jäger. "Schliesslich sind es die Firmenchefs, die nun Schwierigkeiten haben dürften, noch einen Zugang ins Weisse Haus zu bekommen. Sie haben Einfluss verloren."

"Er muss keine Rücksicht mehr nehmen"

Auch in Umfragen befindet sich der Milliardär auf einem neuen Tiefpunkt: Im Juli äusserten sich nach einer Erhebung der Washington Post und des Fernsehsenders ABC nur noch 36 Prozent der Amerikaner zufrieden mit seiner Amtsführung. Bei den Republikanern waren es aber immer noch 82 Prozent - wenn auch mit leicht fallender Tendenz.

Nimmt man die sinkenden Umfragewerte, die Kritik aus seiner eigenen Partei und den Rückzug der Wirtschaftsbosse aus dem Beratergremium zusammen, so scheint sich Trump auf dem Weg in die Isolation zu befinden. Oder?
"Wer immer meinte, er sei noch nicht isoliert gewesen, hat die Unterstützung falsch eingeschätzt", sagt US-Experte Jäger.

"Trump ist in seiner Präsidentschaft nicht zum Parteiführer geworden, er ist nie Teil des politischen Establishments geworden."

Mit seinen verächtlichen Aussagen gegenüber der Washingtoner Politkaste hatte das der selbst ernannte Anti-Establishment-Kandidat auch nie im Sinn.

Trump "muss keine Rücksicht mehr nehmen"

Jäger glaubt, dass der Handlungsspielraum von Trump jetzt eher noch grösser geworden sei.

"Er muss keine Rücksichten mehr nehmen auf Wirtschaftsbosse, Parteiführer oder Ex-Präsidenten. Er nimmt nur Rücksicht auf seine Wähler - alles andere ist ihm völlig egal."

Auch von den republikanischen Mitgliedern des Repräsentantenhauses, das 2018 neu gewählt wird, drohe keine Gefahr.

Sie können sich wegen der Abstimmung nicht offen gegen Trump stellen, weil der Präsident an der eigenen Basis immer noch sehr beliebt ist.
Jägers Prognose: Trump wird einfach so weiter machen wie bisher - bis womöglich der nächste Skandal kommt.

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