Der neue US-Präsident will die Eskalationsspirale weiter Richtung Handelskrieg drehen. Bereits während seines Wahlkampfs hat er hohe Handelszölle für Waren aus der EU und China angekündigt. Dabei könnten auch die US-Amerikaner die Verlierer sein – zumindest kurzfristig.
Den Schaden, den die neue US-Regierung unter
Der neu gewählte US-Präsident drohte während seines Wahlkampfes bereits mit Importzöllen in Höhe von zehn bis 20 Prozent. Produkte aus China sollen sogar mit bis zu 60 Prozent besteuert werden. Über die Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft und den Welthandel hat unsere Redaktion mit Julian Müller-Kaler von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gesprochen.
Die USA sind der wichtigste Handelspartner Deutschlands im Aussenhandel. Wie sehr wird der Protektionismus, den Trump angekündigt hat, der deutschen Wirtschaft schaden?
Julian Müller-Kaler: Trumps Protektionismus ist nicht unbedingt neu. Er war bereits ein elementarer Bestandteil seiner ersten Amtszeit und wurde in weiten Teilen auch von der Biden-Administration weitergeführt. Trump tituliert es "America First" und bei Biden hiess es "American Foreign Policy for the Middle Class". Im Grunde sind es Symptome einer tektonischen Veränderung innerhalb der amerikanischen Gesellschaft und Wirtschaft, die sich nun in einer neuen Handelspolitik manifestieren, mit dem Ziel, die amerikanische Mittelschicht und das produzierende Gewerbe zu schützen. Ob Trump die extrem hohen Zölle, die er ankündigt, am Ende tatsächlich einführt, bleibt aber abzuwarten. Er nutzt das zunächst nämlich erst einmal als Verhandlungsmasse.
Deutsche Wirtschaft hängt vom Export ab
Heisst das, es handelt sich lediglich um Drohungen?
Das würde ich nicht sagen, denn es geht dem Trump-Lager vor allen Dingen darum, amerikanische Arbeitsplätze zu schützen beziehungsweise Investitionen zurück ins Land zu holen. Aber: Er will damit auch Deals herausschlagen, um das amerikanische Handelsdefizit zu reduzieren. Eine derartige Politik wird Deutschland enorm zu spüren bekommen, denn die deutsche Wirtschaft hängt enorm vom Export ab. Zum Vergleich: Die deutsche Exportquote betrug 2023 fast 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In den USA sieht das ganz anders aus, denn hier liegt diese lediglich bei gut zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das bedeutet, dass Deutschland deutlich stärker unter einer Erhöhung der tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse leidet als die USA, wo der Binnenmarkt als Absatzmarkt einen viel grösseren Anteil an der Wirtschaftsleistung darstellt.
Wie könnten Trumps Massnahmen konkret aussehen und worauf zielen sie ab?
Die Idee ist, das produzierende Gewerbe zurück in die USA zu holen. Das ist eine fundamentale Umkehr der wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Ein elementarer Bestandteil von Globalisierung war es lange, Produktionen ins Ausland zu verlagern, weil dort die Lohnkosten niedriger sind. Verbunden mit weitreichenden Automatisierungen hat dies nicht nur in den USA zu einem massiven wirtschaftlichen Abstieg der arbeitenden Mittelschicht geführt, die ihrem Unmut darüber nun mit ihrer Unterstützung von Populisten zum Ausdruck bringt. Die Politik versucht durch Protektionismus gegenzusteuern, um Investitionen und Arbeitsplätze zurück in die USA zu holen.
Möglicher langfristiger Vorteil
Inwiefern könnten auch die USA selbst unter derartigen Zöllen leiden?
Das ist in der Tat die zentrale Frage der nächsten Jahre, inwieweit eine protektionistische Handelspolitik zu Inflation führt. Donald Trump hat vor ein paar Tagen angekündigt, 25 Prozent Zölle auf mexikanische und kanadische Waren zu erheben, solange die Grenzen für Drogen und illegale Migration offen sind. Sollte es vorher zu keinem Deal kommen und diese im Januar dann tatsächlich in Kraft treten, würde es zweifelsohne zur Verteuerung von Konsumgütern kommen.
Dabei war die Inflationsbekämpfung ein zentrales Wahlversprechen der Trump-Kampagne. Heisst das, seine neu-gewählte Regierung schadet mit den Massnahmen den Menschen, die Trump gewählt haben?
Das ist genau der Drahtseilakt, den seine Regierung wird meistern müssen. Wenn er, so wie angekündigt, massiv Zölle auf alle ausländischen Produkte erhebt, dann könnte es zumindest in einigen Produktketten zu enormen Verteuerungen kommen. Aber die USA sind, wie bereits erwähnt, ein enormer Binnenmarkt und können sich einen gewissen Protektionismus leisten. Darüber hinaus gibt es die Ansicht in Trumps engerem Beraterkreis, dass mögliche Preissteigerungen ein notwendiges Übel sind, um Arbeitsplätze in den USA zu schützen. Der designierte Vize-Präsident J.D. Vance zum Beispiel ist hierbei quasi die intellektuelle Version des republikanischen Trumpismus. Er rechnet trotz kurzfristiger Preissteigerungen mit einem längerfristigen Vorteil dadurch, dass die Produktion in die USA zurückkehrt.
China könnte von Trumps Politik profitieren
Welche Profiteure könnte der Protektionismus der Trump-Administration hervorbringen?
Die Grundidee ist, wie gesagt, dass die US-amerikanische Wirtschaft massiv davon profitiert, dass Investitionen zurück in die USA kommen und das dann zu mehr Arbeitsplätzen und besser-bezahlten Jobs führt. Dabei wird allerdings oft vergessen, dass es vor allen Dingen die Automatisierung ist, die zu einer massiven Transformation der amerikanischen Wirtschaft beigetragen hat und dies auch noch immer tut. Gewerkschaftsjobs in der Industrie und im produzierenden Gewerbe wurden durch Dienstleistungsjobs in Städten ersetzt, die allerdings bei weitem nicht so gut vergütet sind wie die Jobs von früher. Der neugefundene Protektionismus wird diese sich beschleunigenden Trends nicht ändern, und ist insofern eher Symptom- als Ursachenbekämpfung. Was der US-amerikanischen Mittelschicht helfen würde, wäre eine andere Steuerpolitik.
Welche anderen Länder könnten von einem Handelskrieg profitieren?
Bisher waren Kanada und Mexiko Profiteure, da sie im nordamerikanischen Freihandelsraum von vielen Zöllen ausgenommen waren und damit günstiger in die USA exportieren konnten. Sollte Trump allerdings hier ebenfalls Zölle erheben, würde das auch Kanada und Mexiko treffen. Langfristig könnte China der grosse Profiteur von amerikanischem Protektionismus sein, denn das Land handelt schon jetzt mehr mit dem Globalen Süden als mit der EU und den USA zusammen. Diese sich intensivierende wirtschaftliche Verflechtung wird weitergehen, während sich westliche Länder immer mehr isolieren, um sich vor billigen Produkten aus dem Ausland zu schützen.
Anstoss des Handelskriegs
Besteht auch die Möglichkeit, dass die EU von Trumps Massnahmen profitiert?
Das ist sehr unwahrscheinlich. Die Europäische Union und insbesondere Deutschland stehen durch die Veränderungen im internationalen Handelssystem vor massiven Herausforderungen. Wir leben immer mehr in einer Zeit, die das deutsche Wirtschafts- und Wohlstandsmodell ganz grundlegend infrage stellt.
Inwiefern muss Donald Trump auch mit Vergeltung der anderen Handelspartner rechnen? China und die EU werden das ja nicht einfach so hinnehmen.
Es wird ohne Frage zu Vergeltungsmassnahmen kommen, sollte Trump wirklich in einem derartigen Masse wie angekündigt Zölle einführen. Die EU würde ihrerseits Zölle erheben und wir befänden uns in der Anfangsspirale eines Handelskrieges. Die USA haben hier allerdings zumindest kurzfristig den Vorteil, da sie nach wie vor die stärkste Volkswirtschaft der Welt sind und vor allen Dingen enorm konsumstark sind.
Aber die USA würden auch darunter leiden?
Es würde auch Verlierer auf dem US-amerikanischen Markt geben, keine Frage. Die Grundidee von Handel ist ja, dass alle davon profitieren, nur eben in unterschiedlichem Masse. Wenn man den Handel dann durch tarifäre oder nicht-tarifäre Hemmnisse limitiert, dann schadet man der Wirtschaft auf beiden Seiten. Gerade mit Blick auf China ist das Mantra der amerikanischen Politik aber inzwischen: "Wir akzeptieren einen gewissen eigenen wirtschaftlichen Schaden, solange die andere Seite mehr leidet." Europa muss extrem aufpassen, dass es in diesem Konflikt nicht zerrieben wird.
Über den Gesprächspartner
- Julian Müller-Kaler leitet das Programm für Strategische Vorausschau beim Stimson Center, einem unabhängigen Thinktank in der US-Hauptstadt Washington. Er ist darüber hinaus Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Julian Müller-Kaler
- Tagesschau.de: "Ökonomisch schwierigster Moment"
- Weltbank.org: Exports of Goods and Services
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