Inhaltlich hat jemand, der politisch ganz rechts steht, kaum etwas mit jemanden gemeinsam, der ganz links steht. Doch eine US-Studie zeigt nun: Zumindest psychologisch gibt es grosse Gemeinsamkeiten.

Politisch extrem eingestellte Menschen zeigen offenbar erstaunlich ähnliche Reaktionen im Gehirn – unabhängig davon, ob sie sich am rechten oder linken Rand des politischen Spektrums verorten. Das fand ein Team um Oriel FeldmanHall von der Brown University im US-Bundesstaat Rhode Island mit einem kleinen Experiment heraus, über das die Forschenden im Fachblatt "Journal of Personality and Social Psychology" berichten.

Die 44 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden vorab nach ihren politischen Einstellungen befragt und dementsprechend auf eine Skala von 0 (extrem liberal) bis 100 (extrem konservativ) eingeordnet. Im Experiment schauten die Probanden dann zweimal ein knapp 18-minütiges Video von einer hitzigen Debatte mit teils rauer Sprache.

Der US-Demokrat Tim Kaine und der US-Republikaner Mike Pence diskutieren darin über Migration und Reformen der Polizei – die Vize-Präsidentschafts-Debatte stammt aus dem Jahr 2016.

Ähnliche Reaktionen im Gehirn bei Extremen

Beim Schauen – teilweise in einem MRT-Scanner – wurde unter anderem die Gehirnaktivität gemessen. Das Ergebnis: Die politisch extremer eingestellten Personen zeigten ähnliche Muster. Bei ihnen riefen die Videoinhalte stärkere neuronale Reaktionen in Gehirnregionen hervor, die an der Verarbeitung von Emotionen beteiligt sind – insbesondere im Kontext von Angst und Bedrohung. Besonders stark war dies ausgeprägt, wenn die Kontrahenten sich im Video sprachlich scharf angingen.

Die politisch extremer Eingestellten zeigten beim Schauen auch stärkere Anzeichen körperlicher Erregung, die über die Hautleitfähigkeit gemessen wurde. Diese körperlichen Reaktionen schienen der Studie zufolge die neuronalen Prozesse zu verstärken, was die Forschenden als Hinweis darauf werten, dass Emotionen und Erregung dazu beitragen, Menschen in ihren politischen Überzeugungen zu bestärken.

Bei Gemässigten weniger Gemeinsamkeiten

"Im Gegensatz dazu zeigten Gemässigte deutlich vielfältigere Gehirnreaktionen, was darauf hindeutet, dass der Extremismus – unabhängig von der Ideologie – diese gleiche Art der Verarbeitung politischer Informationen bestimmt", erklärte Psychologin FeldmannHall.

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Das Team sieht die Befunde auch als Bestätigung der bekannten Hufeisen-Theorie, die besagt, dass politische Ränder in gewisser Hinsicht einander ähneln oder Gemeinsamkeiten haben. "Es deutet darauf hin, dass nicht nur das, woran man glaubt, sondern auch die Stärke dieses Glaubens und der emotionalen Reaktionen die Wahrnehmung der politischen Realität prägen", so Mitautorin Daantje de Bruin.

Die Autoren weisen darauf hin, dass ihre Erkenntnisse im politischen Kontext der USA zustande gekommen und damit nicht zwangsläufig auf andere Regionen übertragbar sind. (dpa/bearbeitet von thp)