Krisen kann er: Der neue französische Premierminister Sébastien Lecornu hat den Ruf eines guten Konfliktmanagers. Und genau so einen kann Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gut gebrauchen.

Der Präsident hat dieses Mal nur gut 24 Stunden gebraucht, um nach dem Regierungssturz einen neuen Premierminister zu ernennen. Ein Grund für die Eile dürften die landesweiten Proteste sein, die ab Mittwoch angekündigt sind.

Macron sorgt sich vermutlich, dass diese sich zu einer grösseren Protestwelle auswachsen, ähnlich wie die Gelbwesten-Bewegung, die 2019 eine Spur der Zerstörung im Land hinterlassen hatte. Damals war es Lecornu gewesen, der im ganzen Land endlose Diskussionsrunden mit Macron organisiert hat, um die Wut der Enttäuschten und Benachteiligten zu dämpfen. Es lag also nahe, in der aufgeheizten Stimmung jemanden zum Regierungschef zu machen, der mit solchen Situationen Erfahrung hat.

Lecornu bereits 2024 Favorit gewesen

Lecornu war bereits beim vorherigen Regierungswechsel Favorit für das Amt gewesen. Aber damals hatte sich in letzter Minute der Zentrumspolitiker François Bayrou dem Präsidenten aufgedrängt. Nun hat er den Posten doch noch bekommen.

Lecornu ähnelt Macron darin, dass er in jungen Jahren in hohe Staatsämter gekommen ist. Er ist aber zugleich zurückhaltend und loyal. Macron muss daher vorerst nicht fürchten, von ihm in den Schatten gestellt zu werden.

Der 39-Jährige, der deutlich älter wirkt, hat seine politische Karriere mit 19 Jahren bei der konservativen Partei UMP begonnen, aus der die Republikaner hervorgegangen sind. Er hat seitdem zahlreiche Posten innegehabt und mehrfach Rekorde als jüngster Amtsinhaber gebrochen. Lecornu war bereits Bürgermeister, Senator, hatte drei Ministerposten inne und ist inzwischen seit acht Jahren Regierungsmitglied.

Treuer Wegbegleiter Macrons

Er gilt als einer der treuesten Wegbegleiter Macrons und hat für ihn schon zahlreiche heikle Aufgaben erledigt. Zu seinen ersten Dossiers zählte die Schliessung des Atomkraftwerks Fessenheim nahe der deutschen Grenze. Anschliessend profilierte er sich mit den Debatten, die 2019 das Eindämmen der Gelbwesten-Proteste ermöglichten.

2022 war Lecornu eine der Schlüsselfiguren in Macrons Wahlkampf für dessen zweite Amtszeit. Mit 35 Jahren wurde Lecornu Verteidigungsminister, der jüngste, den Frankreich seit der Französischen Revolution hatte. Wegen des Ukraine-Kriegs und Macrons Bemühen, die europäische Verteidigung auszubauen, gewann sein Ministerium an Bedeutung - und Lecornu an internationaler Statur.

Guter Draht zu Pistorius

Insbesondere zu seinem deutschen Amtskollegen Boris Pistorius (SPD) fand er schnell einen Draht. Beide bemühten sich, die Arbeit an den gemeinsamen Rüstungsprojekten wieder in Gang zu bringen, die sich wegen Streitereien zwischen den beteiligten Unternehmen verzögert hatten. Im Juli lud Pistorius Lecornu in seine Heimatstadt Osnabrück ein und besuchte mit ihm ein Werk des Rüstungsunternehmens Rheinmetall, das an dem deutsch-französischen Kampfpanzer MGCS beteiligt ist.

Im eigenen Lager hat Lecornu viele Freunde. Aber er pflegt auch Kontakte zur rechtspopulistischen Opposition. Für seine gemeinsamen Mittagessen mit der rechtspopulistischen Fraktionschefin Marine Le Pen ist er von den Linken heftig kritisiert worden.

Wichtige Aufgabe wartet auf Lecornu

Von seinem Privatleben ist wenig bekannt. Er ist Reservist bei der Gendarmerie und unverheiratet. Mit 39 ist Lecornu nicht der jüngste Regierungschef der Geschichte: Gabriel Attal war im Januar 2024 mit 34 Premierminister geworden, Laurent Fabius im Jahr 1984 mit 37.

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Lecornus wichtigste Aufgabe besteht nun darin, einen Haushalt für das kommende Jahr durch das Parlament zu bringen. Dafür ist er auf die Unterstützung der Sozialisten angewiesen, die sich dies etwas kosten lassen dürften. Da Lecornu - anders als Bayrou - ein gutes Verhältnis zu Macron hat, könnte er dafür eher mit dem Einverständnis des Präsidenten rechnen. Aber angesichts der dramatischen Wirtschaftslage des Landes und des grossen Widerstands der linken Opposition und der Bevölkerung gegen die bisherigen Sparpläne der Regierung ist ihm der Erfolg alles andere als sicher. (afp/bearbeitet von cgo)