Donald Trump steht am Scheideweg. Werden die USA in den Iran-Israel-Konflikt eingreifen oder nicht? Seine Entscheidung könnte seine weitere politische Laufbahn bestimmen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Natascha Wittmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Während im Nahen Osten erneut Raketen fliegen und Israel gezielte Luftschläge gegen den Iran durchführt, steht die Weltmacht USA an einem kritischen Wendepunkt. Präsident Donald Trump will laut Weissem Haus "innerhalb von zwei Wochen" entscheiden, ob sich die USA militärisch an dem Konflikt beteiligen. Doch damit droht ein innenpolitischer Spagat: Trump hatte im Wahlkampf versprochen, Amerika aus "endlosen Kriegen" herauszuhalten.

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Ein Angriff könnte dieses Versprechen brechen – oder ihm die Chance bieten, sich als starker Krisen-Präsident zu inszenieren. US-Politikexperte Nicholas Grossman erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, warum der Konflikt für Trump sowohl Risiko als auch eine strategische Gelegenheit sein könnte.

Ein Luftschlag gegen den Iran – oder gar der Einsatz von Bodentruppen – könnte für Trump gefährlich werden. Experten wie Nicholas Grossman, Professor für Politikwissenschaft an der University of Illinois, sehen Trumps Verhältnis zu Krieg und Frieden jedoch deutlich differenzierter. "Es hat nie wirklich der Realität entsprochen, dass Trump gegen militärische Verwicklungen ist", so Grossman.

"Schon in seiner ersten Amtszeit hat er Truppen nach Afghanistan geschickt, sich stärker in Syrien eingemischt und den iranischen General Soleimani töten lassen – ein historischer Tabubruch."

Nutzt Trump den Krieg als Imagepflege?

Trotz des Tabubruchs ist es Trump gelungen, sich als Anti-Kriegs-Präsident zu inszenieren. Eine Unterstützung Israels gegen den Iran könnte er daher erneut rhetorisch so verkaufen, dass seine Wählerschaft mitzieht – zumindest teilweise. "Trumps Anhänger haben ihm bisher fast jede Kehrtwende verziehen", sagt Grossman.

Der Politik-Experte ergänzt im Gespräch jedoch: "Als Russland 2022 in die Ukraine einmarschierte, waren die meisten Republikaner noch dagegen. Wenige Monate später – nach Trumps und Elon Musks Pro-Russland-Rhetorik – kippte die Stimmung plötzlich." Ein gezielter Luftschlag gegen das iranische Atomprogramm könnte also von Trumps Basis eher als "notwendige Verteidigung eines Verbündeten" statt als Kriegstreiberei wahrgenommen werden.

Und Trump selbst? Könnte darin eine Chance sehen, sich als starker Krisenmanager zu präsentieren – möglicherweise auch mit Blick auf die kommenden US-Midterm-Wahlen. "Trump will als stark wahrgenommen werden", erklärt Grossman. "Wenn ihm jemand einredet, dass ein Angriff Stärke zeigt, könnte er sich dafür entscheiden. Aber das kann auch nach hinten losgehen – siehe George W. Bush im Irak."

"Fox News" geht im Gleichschritt mit Trump

Auch die konservativen Medien könnten dabei für Trump eine entscheidende Rolle spielen. Laut Grossman sei "Fox News" bereits heute in einer Art Kriegsmodus – zumindest, wenn es um Israel geht. "Fox hat nie wirklich isolationistisch argumentiert", so der Professor. "Wenn Trump angreift, wird Fox das unterstützen. Wenn er nicht angreift, werden sie auch das unterstützen. Die Linie richtet sich ganz nach Trump."

Dass diese mediale Rückendeckung auch bei Trumps Wählerschaft Wirkung zeigt, ist wahrscheinlich. Dennoch bleibt der politische Preis eines möglichen Konflikts hoch – insbesondere, wenn der Krieg eskaliert oder amerikanische Soldaten ums Leben kommen.

"Verhindert" ein Angriff den grossen Krieg?

Trump könnte versuchen, einen Militärschlag als präventive Massnahme zu verkaufen – als Mittel zur Abschreckung. Doch Grossman hält diese Argumentation für wenig glaubwürdig, denn: "Israel befindet sich bereits im Krieg."

Der Professor betont in dem Zusammenhang: "Es geht nicht mehr darum, einen Krieg zu verhindern – der läuft schon. Und dass Trumps Politik den Krieg nicht verhindert hat, zeigt sich daran, dass er 2018 das Iran-Abkommen ohne Grund aufgekündigt hat. Damit hat er Iran von nuklearen Einschränkungen befreit – ohne Gegenleistung." Die aktuelle Situation sei also, so Grossman, auch ein Resultat vergangener Fehlentscheidungen der Trump-Regierung.

Drahtseilakt mit offenem Ende

Wie Trump sich am Ende entscheiden wird, bleibt also weiter abzuwarten. Laut eines aktuellen Berichts der Nachrichtenagentur "Reuters" will das Weisse Haus innerhalb der nächsten zwei Wochen über eine mögliche US-Beteiligung entscheiden. Die "New York Times" berichtet unterdessen von intensiven Beratungen mit dem Nationalen Sicherheitsrat, dem Pentagon und Verbündeten in der Region.

Trump steht damit vor einem Drahtseilakt: Ein militärisches Eingreifen könnte ihn als starken Führer inszenieren – oder ihn als Wortbrecher entlarven. Und in einer Zeit, in der Glaubwürdigkeit und Stärke wichtiger denn je zu sein scheinen, könnte jede Entscheidung über Krieg und Frieden weitreichende Konsequenzen haben.

Zum Gesprächspartner:

  • Nicholas Grossman ist Politikwissenschaftler und lehrt als Teaching Assistant Professor an der University of Illinois im Department of Political Science. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit internationaler Sicherheit und asymmetrischer Kriegsführung. Sein Buch "Drones and Terrorism: Asymmetric Warfare and the Threat to Global Security" gilt als fundierte Analyse moderner Konfliktdynamiken im Zeitalter unbemannter Kriegsführung.

Verwendete Quellen: