Erneut schickt Trump die Nationalgarde in eine Stadt – gegen deren Willen. Doch in Chicago formiert sich Widerstand. Auf den Strassen der Stadt hofft man auf einen gerichtlichen Stopp des US-Präsidenten.
Nach der Ankunft von Nationalgardisten nahe Chicago wird mit Spannung erwartet, ob ein Gericht die Pläne von US-Präsident
Eine Einschätzung, die in Chicago viele teilen: Hunderte zog es am Mittwochabend zu einem Protest gegen einen Soldateneinsatz in die Innenstadt. "Morgen haben wir unseren Gerichtstermin und wir sind zuversichtlich, dass die Richterin unsere Demokratie verteidigen und entscheiden wird, dass die Nationalgarde nicht in unsere Stadt gehört", sagt eine lokale Politikerin bei der Demonstration. Nicht weit von ihr entfernt prangt vor der Skyline Chicagos in knalligem Orange der Schriftzug: "Keine Soldaten auf unseren Strassen".
Etwa 200 Soldaten der Nationalgarde aus Texas sowie 300 Soldaten der Nationalgarde aus Illinois befinden sich nach Militärangaben bereits im Grossraum Chicago. Die Nationalgardisten aus Illinois wurden gegen den Willen des dortigen Gouverneurs, JB Pritzker, unter Bundeskontrolle gestellt, was eine massive Eskalation markiert. Vor Trump hatte seit 1965 kein US-Präsident mehr die Nationalgarde eines Bundesstaats gegen dessen erklärten Willen übernommen.
Stimmung in Chicago kocht hoch
Chicago könnte zu einem Symbol für den Widerstand gegen Trump werden. Stadtspitze und Bundesstaat wehren sich seit Wochen vehement gegen dessen Vorgehen. Dort kocht die Stimmung immer weiter hoch. Der Bürgermeister von Chicago, Brandon Johnson, reagierte am Mittwoch auf eine verbale Attacke Trumps. Dieser hatte auf seiner Plattform Truth Social erklärt, Johnson und Pritzker, sollten "im Gefängnis sitzen", weil sie Beamte der Einwanderungsbehörde ICE "nicht schützen" würden.
Johnson nannte Trump beim Sender CNN einen "instabilen, unberechenbaren Menschen", der eine Bedrohung für die Demokratie darstelle. "Es ist sicherlich nicht das erste Mal, dass Donald Trump ungerechtfertigt die Verhaftung eines schwarzen Mannes fordert", sagte der Demokrat. "Ich gehe nirgendwo hin. Ich werde als Bürgermeister dieser grossartigen Stadt standhaft bleiben."
Zudem warf er Trump vor "ausserhalb der Grenzen der Verfassung" zu handeln. In den USA haben im Normalfall die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde, die eine militärische Reserveeinheit und Teil der US-Streitkräfte ist. Sie kann etwa bei Naturkatastrophen, Unruhen oder Notfällen im Inneren eingesetzt werden. In Kriegszeiten oder bei nationalen Notfällen kann der US-Präsident aber das Kommando übernehmen.
Streit über Machtbefugnisse
Die Trump-Regierung argumentiert, die Soldaten sollten Bundeseigentum und Bundesbeamte, etwa von der Einwanderungsbehörde ICE, gegen angeblich gewalttätige Demonstranten schützen. Sie behauptet ausserdem, in Chicago und anderen von Demokraten regierten Städten sei die Kriminalität völlig ausser Kontrolle, weshalb von Bundesebene "Stadt für Stadt" eingegriffen werden müsse. Belege dafür liefert sie allerdings nicht.
Pritzker spricht deshalb von "Trumps Invasion". Er und andere werfen dem Präsidenten vor, weitgehend friedliche Proteste gegen die Regierung absichtlich eskalieren zu wollen, um den Einsatz des Militärs im Inneren schrittweise zu normalisieren und damit gegen politische Gegner vorzugehen.
Bereits vor Monaten hatte Trump in einem ersten umstrittenen Einsatz Soldaten nach Los Angeles geschickt, mit dem erklärten Ziel, Proteste gegen ICE-Razzien zurückzudrängen. Schon diesen Einsatz sahen Kritiker als Vorboten einer grösser angelegten Selbstermächtigung der Regierung. Vor einigen Wochen veranlasste der US-Präsident dann einen Einsatz der Nationalgarde in der US-Hauptstadt Washington, der er ebenfalls ein ausuferndes Kriminalitätsproblem attestierte – ohne dass Statistiken das in dieser Form belegen würden.
Kritik an Einwanderungsbehörde ICE
In Chicago und anderen US-Städten gibt es zudem heftige Kritik am Vorgehen der Einwanderungsbehörde ICE, das viele Menschen in betroffenen Gegenden schockiert. Videoaufnahmen zeigen, wie ICE-Beamte bei Razzien teils vermummt auftreten, Migranten festnehmen und sie in unmarkierten Fahrzeugen abtransportieren.
Dabei ist unklar, ob es sich bei den Festgenommenen um Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus handelt – oder um gefährliche Kriminelle, wie die Trump-Regierung sie darstellt. Es gibt auch Berichte, dass bei ICE-Razzien schon US-Staatsbürger festgenommen wurden.
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In der Millionenmetropole Chicago protestieren seit Wochen Menschen gegen Razzien von ICE. "Kein Trump, kein ICE, keine Soldaten", schallten am Mittwochabend Sprechchöre durch die Innenstadt – auf Spanisch riefe Demonstranten zudem: "Raus mit ICE". (dpa/bearbeitet von thp)