Donald Trump und Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. krempeln die US-Seuchenschutzbehörde CDC radikal um. Impfprogramme werden gestrichen, Experten entmachtet und die Wissenschaft verliert an Einfluss. In Atlanta werfen leitende Mitarbeiter hin.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Natascha Wittmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Was früher als Rückgrat der US-Gesundheitspolitik galt, wird jetzt zum politischen Spielball: Donald Trump und sein Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. entlassen führende Köpfe der Seuchenschutzbehörde CDC (Center for Disease Control and Prevention), kürzen Forschungsgelder und streichen Impfprogramme. Die neue Linie? Weniger Wissenschaft, mehr Ideologie. Wer sich nicht fügt, fliegt.

Fachleute weltweit blicken mit Sorge auf die Entwicklungen. Denn wenn die CDC als globale Partnerbehörde ausfällt, dürfte das die Gesundheitsdatenlage international verschlechtern. Die Folge wären schwächere Frühwarnsysteme und ein schlechterer Schutz vor Pandemien.

Die CDC galt einst als Leuchtturm der Wissenschaft. Jetzt steht Amerikas wichtigste Gesundheitsbehörde vor dem Kollaps. US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. hat überraschend CDC-Chefin Susan Monarez entlassen. Nach weniger als einem Monat musste sie ihren Posten räumen. Eine offizielle Begründung für die Entlassung – gibt es nicht.

Doch ihre Anwälte liessen aufhorchen: Monarez habe sich geweigert, "unwissenschaftliche Anweisungen" umzusetzen und sei deshalb abgesägt worden. Demnach sollte sie unter anderem führende Gesundheitsexperten feuern und Impfempfehlungen absegnen, die nicht auf wissenschaftlicher Grundlage basieren.

"Sie hat zwei rote Linien gezogen", sagte der frühere CDC-Chef Dr. Richard Besser im Gespräch mit PBS. "Sie wollte nichts Illegales tun. Und nichts, was nicht faktenbasiert ist."

Trumps Einfluss im Hintergrund

Monarez´ Entlassung blieb nicht ohne Folgen. Mindestens vier weitere CDC-Führungskräfte traten aus Protest zurück. Sie werfen Kennedy vor, die Behörde ideologisch und nicht mehr wissenschaftlich zu steuern.

Aufgebrachte Mitarbeiter versammelten sich vor der CDC-Zentrale in Atlanta. Viele sprechen intern von einem "Putsch gegen die Wissenschaft". Immerhin hat der neue geschäftsführende Direktor der Behörde, Jim O’Neill, keine medizinische Ausbildung – und ist zufälligerweise ein enger Vertrauter von Kennedy.

Die Vorwürfe stossen bei dem US-Gesundheitsminister jedoch bislang auf taube Ohren. Stattdessen verteidigte er jüngst sogar seine Linie in einem Gastbeitrag im "Wall Street Journal".

Darin behauptet er, die Seuchenschutzbehörde sei "verkrustet, politisiert und vom Kurs abgekommen". Die Behörde soll sich künftig ausschliesslich um Infektionskrankheiten kümmern. Programme zu Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder psychischer Gesundheit sollen ausgelagert werden – in eine neue Behörde namens "Administration for a Healthy America".

Kennedy macht sich Frustration über die Pandemie zu Nutze

Gesundheitsexperten schlagen deshalb Alarm. "Die CDC ist das Rückgrat der öffentlichen Gesundheitsvorsorge weltweit", sagt Dorit Reiss von der UC San Francisco. "Kennedy will die Behörde schwächen und das in einer Zeit, in der neue Pandemien jederzeit möglich sind", so die Jura-Professorin und Expertin für Gesundheitsrecht im Gespräch mit unserer Redaktion.

Offiziell distanziert sich US-Präsident Donald Trump von der Personalpolitik Kennedys, doch inhaltlich ziehen die beiden an einem Strang. Beide wettern seit Jahren gegen Impfungen, Wissenschaft und Behörden. Zuletzt schrieb der US-Präsident auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social, die CDC werde durch den Impfstreit "zerrissen". Trump forderte deshalb konkrete Beweise von Pharmakonzernen, dass Corona-Impfstoffe überhaupt wirken.

Eine widersprüchliche Haltung. Immerhin lobte er 2020 noch die Operation "Warp Speed". Diese war unter Trumps Regierung gestartet worden und hatte die schnelle Corona-Impfstoffentwicklung überhaupt erst ermöglicht.

"Es ist ein klarer Versuch von Trump, sowohl impfkritische Wähler als auch die politische Mitte anzusprechen. Derweil nutzt Kennedy die öffentliche Frustration über die Pandemie, um umfassendere Änderungen zu rechtfertigen, die die CDC schwächen", sagt Professorin Dorit Reiss.

Experten schlagen Alarm "Kennedy gefährdet die Gesundheit aller Amerikaner"

Ähnlich wie Reiss warnen auch neun frühere CDC-Direktoren – darunter Anne Schuchat und Tom Frieden – vor den langfristigen Folgen des CDC-Umbaus. Sie haben in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die "New York Times" scharf gegen Kennedy Stellung bezogen.

Ihr Fazit: "Kennedy gefährdet die Gesundheit aller Amerikaner (…). Das ist inakzeptabel und sollte jeden Amerikaner, unabhängig von seiner politischen Ausrichtung, alarmieren." Die Experten werfen dem Gesundheitsminister konkret vor, Impfprogramme einzustellen und Forschungsgelder zu streichen.

Im August strich Kennedy Zuschüsse und Verträge im Wert von 500 Millionen Dollar für die Arbeit an mRNA-Impfstoffen. Zuvor war er Leiter einer Impfgegnergruppe und hat wiederholt weithin widerlegte Behauptungen über die Schädlichkeit von Impfstoffen verbreitet.

Besonders brisant: Im April soll Kennedy inmitten eines Masernausbruchs in Texas die Gefahr heruntergespielt und stattdessen auf alternative, nicht belegte Heilmethoden gesetzt haben.

Europa beobachtet Kampf um die CDC genau

Doch was bedeutet all das für Amerika und den Rest der Welt? Die USA sind nach ihrem Austritt aus der WHO (World Health Organisation) auf eine starke CDC mehr denn je angewiesen. Doch mit der aktuellen Entwicklung droht der einstige Wissenschaftsgigant zur politischen Marionette zu werden.

"Kennedy untergräbt die Fähigkeit der CDC, auf Infektionskrankheiten zu reagieren. Er arbeitet daran, das Vertrauen in die Behörde zu untergraben und tut nichts, um das Vertrauen zu stärken. Wenn die CDC zusammenbricht, hat das Auswirkungen auf die ganze Welt", warnt Professorin Dorit Reiss. Auch in Europa wird deshalb genau hingeschaut.

Empfehlungen der Redaktion

Denn: Die CDC arbeitet eng mit Partnerbehörden in der EU und Deutschland zusammen – von Impfstoffzulassung über Frühwarnsysteme bis zur Pandemievorsorge. Eine geschwächte oder politisierte CDC bedeutet schlechtere Daten, weniger Koordination und mehr Unsicherheit – auch hierzulande.

Die neue Impfpolitik von Kennedy und Trump ist also längst nicht nur medizinisch riskant, sondern auch zutiefst spaltend. Viele US-Bundesstaaten erwägen nun eigene Impfempfehlungen, da sie die CDC nicht mehr als verlässliche Quelle ansehen. Die Sorge wächst, dass bei der nächsten Pandemie nicht nur das Virus, sondern auch politische Ideologie Leben kosten könnte.

Verwendete Quellen:

Zur Gesprächspartnerin:

  • Dorit Reiss ist Professorin für Rechtswissenschaften an der University of California, San Francisco (UCSF). Sie forscht seit Jahren zur rechtlichen Regulierung von Impfungen, zur Rolle von Gesundheitsbehörden und zur Bekämpfung von Fehlinformationen.