Donald Trumps neues Spargesetz hat das amerikanische Gesundheitssystem erschüttert. Millionen verlieren ihre Versicherung. In Kalifornien kämpft eine Krebspatientin ums Überleben und erzählt von ihrem Schicksal. Experten warnen: Das ist erst der Anfang eines historischen Umbaus des Sozialstaats.

Donald Trumps "Big Beautiful Bill" stellt Amerika auf den Kopf. Millionen Menschen verlieren ihre Krankenversicherung, weil sie zu krank sind, um zu arbeiten, oder zu arm, um neue bürokratische Hürden zu überwinden. In Kalifornien trifft es Maria Reyes. Die 58-jährige ehemalige Reinigungskraft kämpft seit drei Jahren gegen den Krebs – und steht seit Kurzem ohne Krankenversicherung da.

"Ich hätte nie gedacht, dass ich mal um eine Behandlung betteln muss", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. "Ich habe gearbeitet, bis ich nicht mehr konnte. Und jetzt sagt mir die Regierung: Du bist nicht arm genug, nicht krank genug, nicht fleissig genug, um Hilfe vom Staat zu bekommen." Maria leidet an einem metastasierten Brustkrebs. Ihre Chemotherapie wurde vor drei Wochen gestoppt. Der Grund? Ihre Medicaid-Leistung wurde gestrichen.

Sie hatte es versäumt, rechtzeitig nachzuweisen, dass sie mindestens 80 Stunden im Monat einer Beschäftigung oder einer "arbeitsähnlichen Tätigkeit" nachgeht – eine neue Vorgabe im Rahmen von Donald Trumps "Big Beautiful Bill". "Ich habe keinen Computer. Kein Auto und keine Hilfe", so Maria. Wie viele andere Betroffene scheiterte sie damit an der Bürokratie. Ihre Unterlagen kamen zu spät an. Die Versicherung? Einfach weg.

Warum ist Trumps neues Spargesetz so umstritten?

Am 4. Juli unterzeichnete Donald Trump sein neues Haushaltsgesetz, das er stolz als "One Big Beautiful Bill" (OBBB) bezeichnet. Neben Steuersenkungen für Unternehmen und Wohlhabende enthält es auch die massivsten Kürzungen im US-Gesundheitswesen seit 60 Jahren. Laut dem nicht-parteigebundenen Congressional Budget Office könnten dadurch bis zu 17 Millionen Menschen ihre Krankenversicherung verlieren. 11,8 Millionen allein durch Einschnitte bei Medicaid, dem Gesundheitsprogramm für Geringverdiener.

Besonders betroffen? Alleinerziehende, chronisch Kranke, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Hinzu kommen Millionen, die durch das Ende von Subventionen für Obamacare-Pläne (ACA) keine bezahlbare Alternative finden werden. Auch bei den Ärzten im Land sind die Folgen spürbar. Immer weniger Menschen gehen zum Arzt – aus Angst vor horrenden Rechnungen. Besonders dramatisch ist die Lage in den ländlichen Regionen, wo Kliniken laut "Bloomberg" ohnehin unterfinanziert sind.

Laut einer Analyse der University of North Carolina könnten bis zu 338 ländliche Krankenhäuser in den nächsten Jahren schliessen – viele davon im Süden der USA. Laut William Dow von der UC Berkeley School of Public Health gefährden die Kürzungen daher nicht nur einzelne Patienten, sondern das gesamte Gesundheitssystem. "Mehr Menschen ohne Versicherung bedeuten mehr unbezahlte Rechnungen – und das führt zu steigenden Kosten für alle", sagt er unserer Redaktion.

Diese Gruppen leiden besonders unter der "Big Beautiful Bill"

Dow beobachtet die Entwicklung daher mit grosser Sorge. "Was wir hier sehen, ist ein radikaler Rückbau des öffentlichen Gesundheitswesens – zugunsten von Steuererleichterungen für Wohlhabende." Die Wirkung sei verheerend, da viele Familien durch unbezahlte Arztrechnungen in die Schuldenspirale geraten könnten und das Vertrauen in den Staat und das Gesundheitssystem wegbreche.

William Dow sieht in den Kürzungen sogar einen gezielten Schritt, "den Sozialstaat zu delegitimieren und langfristig ein rein marktwirtschaftliches Gesundheitssystem durchzusetzen, in dem nur zählt, was sich rechnet".

Während Millionen Amerikaner um ihre Versorgung bangen müssen, feiert Donald Trump sein Gesetz jedoch weiter als "die grösste Gesundheitsreform seit Reagan". Auf einer Pressekonferenz sagte er kürzlich: "Wir befreien die Menschen aus der Falle von Bürokratie und Abhängigkeit. Wer arbeiten kann, soll arbeiten – und wer nicht, bekommt Hilfe über private Wege." Das Problem: In vielen Bundesstaaten sind diese "privaten Wege" nicht vorhanden, nicht bezahlbar oder nicht zugänglich.

So könnte Trumps Gesetz entschärft werden

William Dow bleibt allerdings hoffnungsvoll. Er sagt: "Viele der Kürzungen treten erst in den kommenden Jahren in Kraft. Es bleibt Zeit, gegenzusteuern – etwa durch neue politische Mehrheiten oder Reformen auf Bundesstaatsebene." Einzelne Bundesstaaten könnten zudem eigene Mittel einsetzen, um die schlimmsten Folgen abzufedern.

Empfehlungen der Redaktion

Während Dow auf mögliche politische Korrekturen hofft, bleibt für viele Betroffene die Lage akut – und lebensbedrohlich. In Los Angeles hat die an Krebs erkrankte Maria Reyes jedoch Glück im Unglück: Eine gemeinnützige Klinik hat sie vorübergehend aufgenommen, sie bekommt zumindest Schmerzmittel. Doch die Fortsetzung ihrer Chemotherapie? Ungewiss. "Ich will nicht sterben, weil ich arm bin", sagt sie. "Ich will einfach wieder leben."

Über den Gesprächspartner

  • William Dow ist Professor für Gesundheitspolitik und -management an der renommierten School of Public Health der University of California, Berkeley. Der promovierte Ökonom (Yale University) gilt als einer der führenden Experten für öffentliche Gesundheitsfinanzierung in den USA.

Verwendete Quellen