Der US-Präsident will nach eigenen Angaben die US-Wirtschaft heilen und Wohlstand für alle. Tatsächlich handelt es sich aber um Steuererleichterungen für Wohlhabende, die mit Schulden finanziert werden sollen. Das stösst selbst im eigenen Lager auf Widerstand.
Donald Trump will gleich alles auf einmal. Mit seinem neuesten grossen Haushaltspaket, dem "Big Beautiful Bill" (grossen schönen Gesetz), wie der US-Präsident es in gewohnt lautstarken Worten betitelt, möchte er nach Angaben des Weissen Hauses "die Reallöhne erhöhen, das Defizit reduzieren, bedeutendes Wirtschaftswachstum erzeugen und die Staatsverschuldung stabilisieren". Kurzum: ein Allheilmittel für die strauchelnde US-amerikanische Wirtschaft.
Aber schon bei der Verabschiedung zeigten sich Probleme. Im Senat konnte das BBB, wie es abgekürzt bezeichnet wird, trotz Mehrheit der Republikaner nur durch die Extra-Stimme von Vize-Präsident
Die Senatorin Lisa Murkowski aus Alaska musste der "New York Times" zufolge zuvor durch einen Deal überzeugt werden. Ihr Bundesstaat bekam die Zusage, von umstrittenen Kürzungen beim Sozialstaat verschont zu bleiben als Gegenleistung für die Zustimmung im Senat.
Und auch im Repräsentantenhaus, der zweiten Kammer des Kongresses, konnte das Gesetz nur mit Biegen und Brechen durch die Abstimmung gebracht werden. Die ganze Nacht durch wurde verhandelt und debattiert, bis endlich am Donnerstag eine Mehrheit zustande kam. Das hat vor allem mit dem Inhalt des Pakets zu tun und der Ablehnung vieler Republikaner gegenüber Trumps Vorhaben.
Massive Schuldenaufnahme zur Finanzierung
Ganz so perfekt, wie der US-Präsident es darstellt, ist der Inhalt des Pakets nämlich nicht. Die geplanten Entlastungen bei den Steuern müssten unter anderem durch Schulden finanziert werden – und das obwohl die USA bereits massiv verschuldet sind. Das kommt gerade bei den Republikanern gar nicht gut an.
Analysten des Committee for a Responsible Federal Budget, einem unabhängigen Think-Tank in Washington, fürchten, dass Trumps Pläne neue Schulden in Höhe von vier Billionen US-Dollar bedeuten könnten. Bis 2034 würde die Verschuldung so auf 130 Prozent der US-Wirtschaftsleistung steigen. Und das, obwohl das Gesetzespaket massive Einsparungen beim Sozialstaat vorsieht.
Die Neuverschuldung ist einer der grössten Kritikpunkte der Abweichler innerhalb der Republikanischen Partei. Auch der Ex-Trump-Vertraute
Risse in Trumps Lager
David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, erklärt gegenüber unserer Redaktion: "Angesichts des horrenden Zuwachses durch den vorliegenden Entwurf wird das anfängliche Ziel, Staatsausgaben einzusparen und die Staatsverschuldung zu reduzieren, völlig ad absurdum geführt." Ihm zufolge könne das nun verabschiedete Gesetz daher zu weiteren Rissen führen.
Denn die Republikaner haben zum Thema Haushalt sehr unterschiedliche Haltungen – aber vor allem auch Bedenken, was Trumps Vorhaben betrifft. Im Kongress finden sich Fiskalkonservative, die für strikte Haushaltsdisziplin und eine Senkung der Verschuldung einstehen, ebenso wie Wirtschaftsliberale, die wie Elon Musk für ein Zurückdrängen des Staates bei der Regulierung und den Ausgaben sind. Beide Gruppen konnten wohl nur mit Widerstand davon überzeugt worden sein, dem Gesetz zuzustimmen.
Aber es gibt auch ganz handfeste Interessen seitens der Abgeordneten: "Trump-Loyalisten könnten aufgrund empfindlicher Kürzungen, die die eigene Wählerschaft treffen, Befürchtungen hinsichtlich der Kongresswahlen im November 2026 haben", so Politikwissenschaftler Sirakov.
Viele Abgeordnete sahen sich daher vor einer schwierigen Wahl: Entweder sie verärgern Donald Trump und riskieren bei der nächsten Wahl von ihm demontiert zu werden oder sie verärgern die eigenen Wähler und riskieren ebenfalls die eigene Wiederwahl. So lässt sich die Hängepartie in den vergangenen Tagen erklären.
Trump versucht sich an der Quadratur des Kreises
Trumps Vorhaben, gleichzeitig Steuern zu senken, Wirtschaftswachstum zu schaffen und die Staatsverschuldung zu senken, bezeichnet Sirakov als "Quadratur des Kreises". Er erklärt: "Wachstumspolitik kostet Geld, Schuldenstabilisierung verlangt Sparsamkeit. Beides zeitgleich geht nicht." Um die Reallöhne zu erhöhen, wie Trumps es vorhat, müsste Sirakov zufolge vor allem die arbeitende Mittelschicht entlastet werden. Aber die kommt im aktuellen Gesetzentwurf nur am Rande vor. Wirklich entlastet werden vor allem Unternehmen und sehr reiche Menschen. Die reichsten 20 Prozent können durch Trumps Paket im Schnitt jährlich rund 6.000 US-Dollar an Steuern sparen.
Die Steuergeschenke für die Reichen sollen mit Kürzungen bei den Sozialleistungen finanziert werden, was unter anderem die medizinische Versorgung für die Allerärmsten betrifft und die Lebensmittelversorgung von Bedürftigen, den sogenannten "Food-Stamps".
Zwar werden auch Menschen mit niedrigem Einkommen weniger Steuern zahlen müssen, allerdings wird dieser Effekt dadurch konterkariert, dass nun rund 12 Millionen US-Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren könnten und 40 Millionen US-Amerikaner die Bezuschussung bei der Lebensmittelversorgung verlieren. Unterm Strich wird sich die finanzielle Situation ärmerer Schichten deutlich verschlechtern.
Trump setzt auf den "Trickle-Down-Effekt"
Die Politik des US-Präsidenten folgt der Theorie des "Trickle-Down-Effekts". Diese besagt, dass Entlastungen für Unternehmen und Reiche langfristig zu Investitionen, mehr Jobs und Wohlstand für alle führen. Politikwissenschaftler David Sirakov sieht diese Idee allerdings kritisch: "In der Realität gibt es für diese Vorstellung nur sehr schwache Beweise. Studien zeigen vielmehr, dass sich dieser Effekt kaum einstellt."
Zusätzliches Einkommen bei den Wohlhabenden fliesse demnach regelmässig auf Konten und Aktiendepots und nicht in Investitionen. Zielführende Massnahmen, um die arbeitende Mitte zu stärken, wären ihm zufolge: Lohnerhöhungen, Arbeitsplatzsicherheit, Weiterbildung und sozialstaatliche Investitionen. "Hier finden wir – wenn überhaupt – Einsparungen im Gesetzesentwurf." Es ist also fraglich, ob der US-Präsident wirklich daran glaubt, dass sich dieser Effekt langfristig einstellt – oder einfach nur Wahlgeschenke an seine reichen Unterstützer verteilen will.
Über den Gesprächspartner:
- David Sirakov ist Politikwissenschaftler und seit 2015 Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz. Seine Forschungsschwerpunkte sind die US-Innenpolitik mit besonderem Schwerpunkt auf die politische und gesellschaftliche Polarisierung sowie der Aufstieg des Populismus in Europa und den USA.
Verwendete Quellen:
- Einschätzung von David Sirakov
- Whitehouse.gov: Analysis: One Big Beautiful Bill Will Boost Wages, Lower Deficits
- Cfrb.org: Senate Reconciliation Bill Could Add Over $4 Trillion to Debt
- Bloomberg.com: Richest 20% Get an Average of $6,055 income Boost in Trump Tax Bill
- Nytimes.com: After Narrow Senate Passage, Trump’s Policy Bill Faces Resistance in House