Im neuesten Teil des Kampfsport-Franchises wird Karate Kid zum Kung-Fu-Boy. Fans dürfte vor allem das Wiedersehen mit alten Bekannten freuen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es gibt etwas im originalen "Karate Kid"-Film von 1984, das auch heute noch Kinder sofort anspricht. Trotz der schaurigen 80er-Jahre-Dauerwellen, der etwas peinlichen Dialoge, der Synchronisation und der zugegeben ziemlich schwachen Kampfsportszenen, ist es diese einfache, universelle Geschichte des Underdogs, der nirgendwo richtig dazu gehört, sich gegen das Unrecht auflehnt und am Ende das Mädchen bekommt, die noch immer fasziniert.

Mehr News über Filme & Serien

Zur Vorbereitung auf diesen Artikel schaue ich das Original mit meinen beiden Töchtern, acht und zehn Jahre, an. Sie lachen sich schlapp, als Daniel La Russo (Ralph Macchio) tagelang Autos polieren und Holzböden schleifen muss. Sie legen die Hände auf die Augen, als das Karate Kid und Ali (Elizabeth Shue) sich küssen. Sie springen auf, als der Bösewicht vermöbelt wird. Kurz nach dem Film ruft eine: "Ich will Karate lernen!" Die andere berichtigt sofort: "Das heisst Ka-ra-teee!"

Als der Teenager-Kampfsportfilm 1984 in die Kinos kam, war er sofort ein Hit. Die Geschichte von LaRusso, der aus New Jersey nach Los Angeles zieht, sich in ein Mädchen verliebt und Karate lernt, um sich gegen ihren Bully-Ex-Freund verteidigen zu können, wurde nicht nur zum Kult, er brachte auch Kinder auf der ganzen Welt dazu, die japanische Kampfsportart zu lernen.

Es folgten drei Fortsetzungen, eine Zeichentrickserie und 2010 die Neuverfilmung mit Will Smiths Sohn Jaden und Jackie Chan als seinem Lehrmeister. Der Erfolg liess zu wünschen übrig und erst der die Serie "Cobra Kai", die 2018 zunächst auf YouTube startete, dann von Netflix weitergeführt wurde und die Geschichte von "Karate Kid" aus der Sicht von Bösewicht Johnny Lawrence (William Zabka) weiterführte, machte die Filmreihe wieder bekannt.

Karate Kid ist eigentlich ein Kung-Fu-Boy

Das alles soll "Karate Kid: Legends", der am 30. Mai in deutschen Kinos startet, zusammenführen. In Hollywood nennt man diese Verwebung von Charakteren, Zeitebenen und Handlungssträngen ein "Universum". Sonderlich elegant gelingt das dem Film nicht: Weil Pat Morita, der 1984 und in den Fortsetzungen den Lehrmeister Kesuke Miyagi spielte, bereits 2002 verstarb, beginnt "Karate Kid: Legends" mit einer leicht abgewandelten Szene aus "Karate Kid II" (1986). Dort erklärt Miyagi, wie seine besondere Form des Karate aus dem chinesischen Kung Fu entstand. Denn das neue Karate Kid ist eigentlich ein Kung-Fu-Boy.

Der neue Film spielt drei Jahre nach dem Ende der Serie "Cobra Kai". Li Fong (Ben Wang) ist Schüler des Kung-Fu-Meisters Mr. Han (Jackie Chan) und zieht mit seiner Mutter von Peking nach New York. Dort verliebt er sich in Mia (Sadie Stanley), deren gewalttätiger Ex-Freund (Aramis Knight) Karate-Champion ist. Der vermöbelt ihn auf dem Schulhof und Li Fong beschliesst, sich ihm bei einem New Yorker Strassenturnier zu stellen. Zuvor muss er aber erst Karate lernen. Die Mühe einer neuen Story macht sich der Film also erst gar nicht, er variiert die ursprüngliche Geschichte.

Der Schüler wird zum Lehrer

Erstmal vertrödelt der Film aber Zeit mit einer Nebenhandlung. Mias Vater, der ergraute Pacey/Joshua Jackson aus "Dawsons Creek", hat sich Geld von einigen zwielichtigen Gestalten geliehen und will jetzt in den Boxring steigen, um sie bezahlen zu können. Dafür soll ihn Li Fong trainieren. Was die grundsätzliche Frage aufwirft, warum das Kung-Fu-Wunderkind, das in Jackie-Chan-artiger Slapstick-Manier und über Wände laufend drei erwachsene Männer mit Baseballschlägern vermöbeln kann, nicht mit einem 16-jährigen Karate-Champion fertig wird. Egal, ist ja nur Kino.

"Wie ein junger Jackie" - hinter den Kulissen von "Karate Kid: Legends"

Kung-Fu-Wunderkind Li Fong (Ben Wang) zieht mit seiner Mutter nach New York City und findet Frieden, der jedoch nur von kurzer Dauer ist: Li zieht die Aufmerksamkeit des lokalen Karatemeisters auf sich und muss beim ultimativen Karatewettbewerb antreten. Doch er hat die Besten an seiner Seite: Kung-Fu-Lehrer Mr. Han (Jackie Chan) und das legendäre Karate Kid Daniel LaRusso (Ralph Macchio). "Karate Kid: Legends" vereint die legendären Martial-Arts-Meister einer der beliebtesten Filmreihen aller Zeiten. In unserer Featurette nehmen Jackie Chan, Ralph Macchio und Ben Wang Sie mit hinter die Kulissen und gewähren einen exklusiven Einblick in die Dreharbeiten. "Karate Kid: Legends" startet am 29. Mai in den Kinos.

Nachdem dieser Nebenstrang auserzählt ist, folgt der grosse Auftritt des ursprünglichen Karate Kids, Daniel La Russo, der zusammen mit Mister Han den Kung-Fu-Boy für den grossen Showdown beim Kampfsportturnier trainieren soll. Das ist dann Fanservice pur. Es gibt nicht nur ein Wiedersehen mit Macchio, sondern auch dem originalen Dojo, in dem Miyagi seinen Schüler unterrichtete.

Dieser Hauptteil des Films wirkt arg gehetzt und es hätte durchaus mehr Platz geben können für die Streitereien der beiden Trainer, die immer wieder zum körperlichen Nachteil ihres Schülers demonstrieren, was nun die bessere Kampfsportart sei. Mit 94 Minuten Laufzeit ist "Karate Kid: Legends" sowieso ungewöhnlich kurz für heutige Kinofilme, selbst das Original war eine halbe Stunde länger.

Kurzweilig, unterhaltsam, aber zerfahren

So ist der neueste Teil des Karate-Kid-Franchise ein zwiespältiges Unterfangen. Die Kampfsportanlagen sind fantastisch und um Längen besser als in den Filmen der 80er-Jahre, der neue junge Hauptdarsteller Ben Wang sympathisch und eine gute Wahl. Es gibt ein Wiedersehen mit alten Stars, die Ereignisse der sechs Staffeln von "Cobra Kai" ignoriert der Film allerdings komplett. Insgesamt ist das unterhaltsam, aber zu zerfahren.

Ob das reicht, um wieder Kinder auf der ganzen Welt in Karatestudios zu locken, ist fraglich. Die eigenen Töchter können diesmal zumindest nicht als Indikator herhalten. Sie müssen draussen bleiben. War der erste Film noch FSK 6, so ist der neue erst ab 12 Jahren zugelassen. Karate lernen wollen sie trotzdem - wenn auch nicht wegen "Karate Kid: Legends".