Die allein erziehende Rani fühlt sich verfolgt. Unterstützung bekommt sie von ihrer Mitbewohnerin. Den Bremer Kommissarinnen Selb und Moorman aber kommt sie verdächtig vor. Ausserdem haben die beiden selbst auch Streit. "Solange du atmest" erzählt von toxischen Beziehungen in vielen Varianten. Zu vielen?
Man versteht erst einmal nicht viel im neuen Bremer "Tatort: Solange du atmest". Die Kommissarinnen Liv Moormann (
Dann ist da eine frenetische junge Frau, Rani (Via Jikeli), die einen Spielplatz nach ihrer Tochter Mia (Pola Friedrichs) absucht. Wir sehen die Welt aus Ranis Perspektive, und Rani sieht überall Verfolger, vermutet überall eine Bedrohung. Manchmal taucht blitzartig ein junger Mann in einer auffälligen Windjacke auf. Einbildung oder Realität?
Ihre Tochter behält Rani mit einer Telefon-Tracking-App auf Schritt und Tritt im Auge. Da kommt Mia anspaziert, wie verabredet mit einer Schulfreundin und deren Eltern, alles ganz harmlos. Oder? Rani nimmt Mia hastig mit nach Hause. Dort sind aus den Fotos einer Bilderwand alle Augen ausgeschnitten. Ranis Mitbewohnerin guckt besorgt. "Du musst endlich zur Polizei gehen", sagt Paula (Sarina Radomski). Also ist die Bedrohung keine Einbildung. Oder? Warum will Rani nicht zur Polizei?
Linda Selbs schlechte Laune ist ansteckend
Inzwischen wird aus der Weser eine Leiche gefischt. Der Mann mit der auffälligen Windjacke. Brutal zugerichtet. Die Kommissarinnen müssen darauf warten, dass Gerichtsmedizinerin Edda Bingley (Helen Schneider) seine Identität feststellen kann. Selb wird ungeduldig.
Ihre schlechte Laune nervt nicht nur Bingley und Moormann, sondern bald auch das Publikum. Weil man schon genug damit zu tun hat, sich in der Geschichte zurechtzufinden, und weil der Konflikt zwischen den Kommissarinnen forciert wirkt. Bis zum Ende des Krimis wird man sich fragen, wozu der Streit gut gewesen sein soll.
An jeder Ecke eine neue toxische Beziehung
Dass Rani Angst vor einem Stalker hat, ist schnell klar. Der Tote taucht in kurzen Rückblenden auf – sind das Ranis Erinnerungen? Andererseits finden die Kommissarinnen schnell heraus, dass Marek Kolschak (Jonathan Berlin) Investigativjournalist war. Auch das ist ein mögliches Motiv. Kolschaks neugierige Nachbarin hat am Vorabend einen Streit mit einer Frau gehört. Der Bürokollege berichtet Ähnliches – allerdings klingt es bei ihm so, als sei Kolschak bedroht worden. Wer stalkt hier wen?
Die Beziehung zwischen den beiden Mitbewohnerinnen scheint ebenfalls nicht ganz unproblematisch. Paula kümmert sich auffällig selbstlos um Ranis Tochter, wenn Rani plötzlich stundenlang verschwindet. Und schliesslich scheint es auch noch eine Verbindung zwischen dem Toten und Selbs Drogendealer-Fall zu geben. Es fehlt eigentlich nur noch, dass die Eltern auf dem Pausenhof von Ranis Tochter Dreck am Stecken haben.
Opfer und Täter interessieren nicht
"Solange du atmest" will von toxischen Beziehungen erzählen – allerdings von möglichst vielen toxischen Beziehungen in möglichst vielen Varianten. Es hilft auch nicht, dass, wie so häufig in den "Tatorten" der letzten Zeit, viel Wichtiges bereits in der Vergangenheit liegt und also erklärt werden muss statt gezeigt werden kann. Das erschwert nicht nur den Durchblick, sondern auch die Anteilnahme.
So eine Geschichte (Buch: Judith Westermann) muss ökonomisch sehr durchdacht erzählt werden, sonst stiften all die möglichen Fährten nur Verwirrung und verwässern den Fall. Da hilft auch die Eindringlichkeit nicht, die durch Franziska Margarete Hoenischs ambitionierte Regie entsteht, wenn aus Ranis unmittelbarer Perspektive erzählt wird. Die Antwort auf die Frage, wer hier der oder die Stalker(in) ist, wer von wem verfolgt wird, kann noch so kunstvoll verschleiert werden – wenn einen die möglichen Opfer und Täter nicht wirklich interessieren, lässt einen auch die Auflösung kalt.