• Der 27. Fall für den Kieler Kommissar ist der Abschluss der Geschichte um den Frauenmörder Kai Korthals und seine kranke persönliche Beziehung zu Borowski.
  • Laut Darsteller Lars Eidinger ist der jungenhafte Psychopath damit der einzige "Tatort"-Mörder, der gleich zweimal entkommen durfte.
  • Anlässlich des Endes blickten einige Beteiligte für den NDR zurück.

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Wie kam es zu einer Kai-Korthals-Trilogie?

Eigentlich war "Borowski und der stille Gast" vom Stammautor des Kieler "Tatort", Sascha Arango, als ganz normale Einzelepisode der Reihe geplant. "Die Idee kam zufällig beim Verfassen der letzten Szene", erzählt Arango, "in der Überarbeitung gemeinsam mit [Regisseur] Christian Alvart." Da wurde dem Frauenmörder Kai Korthals erlaubt, zu entkommen.

Weil Theaterstar Lars Eidinger aus dem psychopathischen Postboten eine so ungewöhnliche Figur geschaffen hatte, machte sich der Autor noch vor der Ausstrahlung der Folge 2012 bereits an eine Fortsetzung: "Es ist Lars Eidinger, der hier so unvergesslich ist. Üblicherweise endet ja die Geschichte eines Mörders im 'Tatort' mit seiner Verhaftung. In dieser Weiterführung seiner Geschichte ist es möglich, tiefer in ihn hineinzuschauen. Die Figur des Kai war noch nicht auserzählt."

Das offene Ende war nicht unumstritten, die "Bild"-Zeitung reagierte 2012 mit einem Zitat von "Tatort"-Erfinder Gunther Witte: "Ein Mörder darf nicht entkommen. Das verärgert sicher viele Zuschauer. Vom 'Tatort' wird eine klare Aussage erwartet." Axel Milberg alias Kommissar Borowski aber freute sich: "Die Redaktion war diesmal mutig", zitierte ihn das Boulevardblatt, "ich habe gedacht, man schneidet das offene Ende bestimmt raus."

Warum ist jetzt Schluss?

Drehbuchautor Sascha Arango erklärt das Ende der aktuellen Folge "Borowski und der gute Mensch": "Als ihm ungeplant die Flucht glückt, begleiten wir den Serienmörder auf seiner letzten Exkursion, die ihn zu der Erkenntnis führt: Ich bin ein Unglück für diese Welt. Ich kann nicht anders, als böse zu sein. Es war mir wichtig, dass er zum Abschluss der Trilogie begreift und anerkennt, kein 'guter Mensch' zu sein. Moralisch ist er schuldig für das entsetzliche Unheil, das er anrichtet."

Was sagt Lars Eidinger zu seiner "Tatort"-Paraderolle?

Der 1976 in West-Berlin geborene Lars Eidinger wurde als Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne zum Theaterstar. Die Figur des schüchternen Serienmörders Kai Korthals, der immer nur dann Herr der Lage ist, wenn er seine Gewalttaten ausführt, hat Eidinger mitentwickelt.

Er finde es reizvoll, eine negative Identifikationsfigur anzubieten, "um die Zuschauerinnen und Zuschauer in den Konflikt zu bringen, sich darin wiederzuerkennen. Als Zuschauer ist man immer verführt, mit der zentralen Figur, aus deren Perspektive die Geschichte über weite Teile erzählt wird, mitzufühlen oder sich gar zu identifizieren. Im Grunde taugt der Antiheld viel mehr zur Identifikationsfigur, weil der klassische Filmheld zwar eine Sehnsucht in uns auslöst, aber keine Realität atmet. Der Mensch ist per se eher antiheldisch, weil fehlerhaft. Das macht ihn zum Menschen. Alles darüber hinaus ist unmenschlich."

Wie entsteht eine Figur wie Kai Korthals?

Im Team: "Lars hat der Figur eine Zerbrechlichkeit, Unsicherheit und etwas Jünglingshaftes gegeben, was ich beim Schreiben gar nicht gesehen habe", sagt Arango über die Zusammenarbeit mit Eidinger. "Sein Spiel hat mich unglaublich gerührt und mir erst die Dimensionen eröffnet, was in der Figur noch alles drin ist."

Lars Eidinger erzählt im Interview, Arango, Regisseur Ilker Catak und er hätten sich ein halbes Jahr vor Drehbeginn des dritten Teils zusammengesetzt, "um gemeinsam durch das Drehbuch zu gehen". Es sei sein Vorschlag gewesen, "den Bogen der Figur so zu schliessen, dass er am Ende einsieht: 'Ich bin ein schlechter Mensch.'"

Kreative Teamarbeit ist zum Beispiel auch die Szene gegen Ende, die dazu führt, dass Korthals und Borowski den gleichen Anzug tragen: "Es war der erste Drehtag von Lars", erzählt Regisseur Catak, "wir drehen die Szene, in der er durch Borowskis Wohnung schleicht. Ich sage ihm, dass er frei improvisieren kann, die Kamera läuft einfach mit. Und als er dann am Kleiderständer von Borowski steht und sich den Anzug ansieht, denke ich: Wow, wäre doch spannend, ihm denselben Anzug zu verpassen."

Wird Frieda Jung auch zurückkehren?

Die Polizeipsychologin Frieda Jung unterstützte ab 2003 in 15 Folgen Kommissar Borowski, schliesslich wurden sie ein Paar und wollten heiraten, wie die Zuschauer 2015 in "Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes" erfuhren. Zwar konnte Klaus Borowski in der Folge Frieda Jung aus Kai Korthals' Zwängen befreien, aber die Beziehung zerbrach, Frieda Jung verliess den Kommissar. An seiner Wohnzimmerwand hängt in "Borowski und der gute Mensch" ein Bild von ihr, das Korthals nach dem Eindringen in die Wohnung umdreht.

Anlässlich des dritten Teils mit dem Psychopathen machte sich Darstellerin Maren Eggert, die gerade mehrere Preise für ihre Hauptrolle in Maria Schraders "Ich bin dein Mensch" bekommen hat, für den NDR Gedanken um ihre Figur: "Nachdem Frieda sich aus der Polizeiarbeit zurückgezogen hatte, hat sie sich ein Leben aufgebaut als niedergelassene Therapeutin und damit ein emotionales und seelisches Gleichgewicht gefunden."

"Borowski und der gute Mensch" zeigt einen einsamen, verlotternden Kommissar, der eine Haushaltshilfe engagiert und die er wegen ihrer vielseitigen Fähigkeiten Mary Poppins nennt (nach dem zaubernden Kindermädchen aus dem Kinofilm). Maren Eggert interpretiert die Rolle weiter: "Sein einziger privater Kontakt ist eine neue Putzfrau, die in Windeseile die Rolle der bemutternden, praktisch veranlagten – ja – Therapeutin einnimmt."

Und vielleicht kehre ja auch Frieda Jung wieder in Borowskis Leben zurück: "Vielleicht ist Friedas Rechnung nicht ganz aufgegangen. Vielleicht ist sie ein Mensch, der sich im Leben immer klare Entscheidungen wünscht und sie auch herbeiführt, dann aber selbst nicht ganz glücklich ist mit dem Ergebnis." Sie denkt: "Wir müssen bei Frieda Jung davon ausgehen, dass sie wieder bei Borowski vorbeischauen wird, wie eine Art Serientäter sozusagen, ihre Verbindung ist von der Art, die ein Leben überdauert, ob sie nun ausgelebt wird oder nicht."

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