Am 10. Oktober erscheint posthum das letzte Album von AnNa R. Unter dem Titel "Mut zur Liebe" blickt ihr musikalischer Partner Manne Uhlig im Interview auf die Fertigstellung zurück und spricht über das Vermächtnis der verstorbenen Sängerin.
Der Tod der Sängerin AnNa R. (1969-2025) im Alter von 55 Jahren wurde am 17. März auf ihrem offiziellen Instagram-Account bekannt gegeben. Die Nachricht erschütterte die Musikwelt und löste eine Welle des Mitgefühls aus. Ihr Kreativpartner Manne Uhlig hatte vor dem Tod der vormaligen Stimme von Rosenstolz, Gleis 8 und Silly mit der Musikerin an ihrem Album "Mut zur Liebe" gearbeitet, das nun posthum erscheint.
Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erzählt Uhlig über die Fertigstellung des Albums und wie die Familie von AnNa R. in die Veröffentlichung involviert war. Zudem gewährt der Drummer einen Blick in seine Gefühlswelt nach dem Abschied von der Sängerin.
Der Tod von AnNa R. hat die Musikwelt im Frühjahr erschüttert. Wie gehen Sie mit der Trauer um?
Manne Uhlig: Mich hat das völlig unerwartet getroffen. Ungläubig habe ich diese Nachricht aufgenommen, um dann kurze Zeit später mit der Realität konfrontiert zu sein, dass Anna gestorben ist. Ich war ein paar Tage in völliger Schockstarre. Durch gegenseitiges Unterstützen unseres Managers Frank Wiedermann und natürlich auch die Unterstützung von meiner Familie und durch Besuche bei den Eltern von Anna, um einfach diese Trauer gemeinsam durchzustehen, kam dann die Initialzündung: Wir machen das Album, was fast fertig gewesen ist, für sie zu Ende. Die Eltern haben sich das auch gewünscht und dadurch bin ich nach diesem Schock erstmal in einen Modus des Funktionierens gekommen, um im Studio bestmöglich ihr letztes Album fertigzustellen. Mit allen zehn Songs, an denen wir vorher über ein Jahr gearbeitet hatten und wofür sie bereits den Gesang aufgenommen hatte.
Gibt es Eigenschaften oder Eigenheiten von ihr, die Sie besonders vermissen?
Uhlig: Vermissen tue ich ganz viele Eigenschaften von ihr. Ihre Persönlichkeit des direkten und ehrlichen Wortes, einfach immer dazu zu stehen und das sehr schnell und klar zum Ausdruck zu bringen. Oft mit ihrem persönlichen Charme, mit ihrer persönlichen Schnauze. Man wusste stets, woran man bei ihr war. Selbst wenn sie manchmal in Monologe verfiel und man kaum zu Wort kam, während ich dachte, dass ich auch gern wieder etwas sagen würde - sogar diese Situationen vermisse ich. Es ist unfassbar traurig, dass sie mit ihrer unfassbar schönen Stimme verstummt ist.
Wie haben Sie die zahlreichen Reaktionen auf ihren Tod erlebt, was hat Sie besonders berührt?
Uhlig: Ich war überwältigt von den Reaktionen auf den sozialen Kanälen, wie viel Liebe und Zuspruch kamen. Trotz des Bewusstseins darüber, wie erfolgreich sie besonders zu Rosenstolz-Zeiten war und wie viele Menschen sie damals mit ihrer Musik und ihrer Stimme erreicht und berührt hat, war es dennoch überraschend, wie gross und vielfältig die Reaktionen ausfielen. Auch einige ganz tolle Kolleginnen und Kollegen von ihr haben sofort auf unseren Seiten eine Nachricht hinterlassen. Das hat mich sehr berührt und im Trost natürlich auch ein wenig geholfen.
Annas früher Tod hat für viele Spekulationen gesorgt, sodass Sie in einem Social-Media-Beitrag um gebührenden Respekt gebeten haben. War es schwer für Sie, diese Spekulationen zu lesen und hatten Sie das Gefühl, es hat sich mit Ihrem Posting etwas verändert?
Uhlig: Wir haben mit unserem Post einfach um Respekt gebeten, Respekt gegenüber der verstorbenen Anna, ihrer Familie, ihren Eltern und ihrem Umfeld. Und ich hatte auch das Gefühl, dass das gehört wurde. Das positive Feedback überwiegt.
Wie schnell war Ihnen klar, dass das Album "Mut zur Liebe" posthum veröffentlicht werden sollte?
Uhlig: Der Plan, wieder ins Studio zu gehen und an der fast fertigen Platte weiterzuarbeiten, stand relativ schnell fest. Etwa eine Woche hat es gedauert, bis das Signal von Annas Eltern kam. Sie kannten einige Demos, die Anna ihnen vorgespielt hatte, und wussten, wie toll sie die neue Platte fand, wie stolz sie auf die Texte war und auf das, was dort entstand. Sie waren fest überzeugt, dass Anna gewollt hätte, dass das Werk nicht im Verborgenen in einer Schublade bleibt, sondern dass ihre Songs auch posthum gehört werden.
Wie war der Weg bis zur Veröffentlichung?
Uhlig: Ich habe mich sehr schnell darangesetzt und zunächst alles gesichtet, weil wir nicht immer einen Song begonnen und dann vollständig abgeschlossen haben. Stattdessen gab es eine gewisse Parallelität, und es wären vielleicht noch ein oder zwei Songs mehr dazugekommen, da wir auf unseren letzten Platten - auch bei "Gleiss 8" - immer etwa zwölf bis dreizehn Lieder hatten. Insofern waren wir mit den zehn Songs schon fast auf der Zielgeraden, und die Gesänge hatte ich bereits aufgenommen. Hier und da mussten noch einige Instrumente eingespielt werden, danach wurde die Platte gemischt und gemastert. Anschliessend haben wir uns Gedanken über das Artwork gemacht. Schon länger stand fest, dass die Platte "Mut zur Liebe" heissen sollte - das Motto der kommenden Tour, die wir in diesem Herbst mit 30 Konzerten gespielt hätten.
Wie war der kreative Austausch zwischen Ihnen und AnNa R. während der Arbeit an diesem Album, welche Stimmung herrschte zwischen ihnen?
Uhlig: Anna und ich hatten stets eine freundschaftliche, ausgelassene und spassige Stimmung hier bei mir im Studio. Über vieles haben wir am Telefon gesprochen. Wenn es um die Frage ging, wie ein Song klingen könnte, habe ich ihn allein oder zusammen mit meinen befreundeten Musikern schon mal umgesetzt und ihr geschickt. Der Vorteil daran war einfach, dass sie in Berlin und nicht in Hamburg wohnte, sodass man nicht ständig hin- und herfahren musste.
Wie ging es dann weiter?
Uhlig: Wir haben uns in regelmässigen Abständen von ein paar Wochen jeweils für fünf bis sechs Tage oder eine ganze Woche getroffen. In dieser Zeit war sie mit ihrem Hund bei mir in Hamburg, und wir haben gemeinsam an den Songs gearbeitet. Zwischendurch, wenn sie wieder in Berlin war, habe ich weitergebastelt, ihr meine Ergebnisse geschickt und wir haben telefoniert, um uns auszutauschen, ob die Richtung stimmt. Mit ihrer direkten Art kam dann manchmal einfach ein: "Hier, komm, das machst du mal schön nochmal." Das lief jedoch stets freundschaftlich und in guter Stimmung ab.
Können Sie etwas über den letzten Song erzählen, den sie ins Handy eingesungen hat - und warum er nur auf der farbigen Vinyl-Ausgabe zu finden ist?
Uhlig: Weil ich auf das Album nur die fertig produzierten Songs nehmen wollte, was im März zehn Lieder waren. Den letzten Song, "Seemann", hat sie zusammen mit
Wie haben Sie sich dann entschieden?
Uhlig: Wir hatten noch darüber telefoniert, in welche Richtung sie den Song gerne hören würde - nämlich als grosse Stadionhymne mit fettem Chor. So kam ich auf die Idee, den einzigen Demogesang, den ich von ihr hatte, als Grundlage zu nehmen. Im Nachhinein haben wir dann einen Chor aufgenommen: alle Beteiligten des Albums, die Live-Band, ihr Manager sowie Freunde und Bekannte haben mitgesungen, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. So ist ein wirklich besonderes, kleines Demo mit Abschiedscharakter entstanden, das nicht so ausproduziert ist wie der Rest der Songs und auf der Vinyl als eigenes, besonderes Stück hervorsticht.
Welche Songs auf dem Album haben für Sie noch einmal eine besondere Bedeutung bekommen, jetzt wo das Album posthum veröffentlicht wird?
Uhlig: Es gibt Songs auf diesem Album, die den Tod als Thema behandeln im Text. Und hier und da läuft es einem eiskalt den Rücken runter oder man deutet Sachen anders. Ich kann da jede Zuhörerin und jeden Zuhörer verstehen, wenn einzelne Zeilen besonders treffen jetzt nach ihrem Tod. Ich weiss aber auch genauso klar und sicher, dass bei keinem Song die Motivation eine Vorahnung oder ein Umgang mit dem eigenen Tod war, sondern jeder Song hat eine eigene Geschichte. So ist "Die böse Farbe" zum Beispiel eher wie ein Theaterstück zu sehen und Anna schlüpft in die Rolle der Sensenfrau, die ihrerseits einen Menschen in den Tod abholt, auf lyrische, poetische Weise.
Gibt es weitere Beispiele?
Empfehlungen der Redaktion
Uhlig: Es gibt "Wer weiss, wer weiss", wo sie auch singt, wie lang wir unsere Wege ziehen. Dabei geht es einfach um das Auseinandersetzen mit dem Älterwerden. Mit Mitte fünfzig beschäftigt man sich anders mit dem Leben und auch mit dem Tod und denkt - nachdem man wahrscheinlich schon die Hälfte seines Lebens hinter sich hat - über den Wert von Zeit nach. Und dann gibt es noch "Ich seh dich ohne Blick". Darin geht es um Annas Umgang mit einer verstorbenen Person, die ihr nahestand. Dass der Song im Nachhinein für mich so eine Wendung bekommt und ich ihn, wenn ich ihn jetzt höre, natürlich auf Anna beziehe, daran war überhaupt nicht zu denken.
Am 12. und 13. Oktober finden Gedenkkonzerte in der Berliner Columbiahalle statt. Was war Ihnen bei der Planung dieser Abende wichtig?
Uhlig: Als wir Ende März die Arbeit an der Platte wieder aufgenommen und schliesslich fertiggestellt hatten, entstand irgendwann die Idee, Teile des Albums und auch einzelne Songs aus ihrem Schaffen noch einmal zum Leben zu erwecken. Ich weiss, dass Anna immer eine Freundin des mexikanischen Día de los Muertos war und stets lieber das Leben gefeiert hat, als den Tod zu betrauern. Ganz im Sinne, die Verstorbenen zu ehren und sich an die gemeinsame Zeit zu erinnern, entstand der Gedanke, ein Gedenkkonzert zu veranstalten - ganz bewusst keine Trauerfeier, sondern eine Feier für Anna, ihr Leben und ihr künstlerisches Werk. Wir wollen uns bedanken für all die schöne Musik, die sie uns hinterlassen hat. Gemeinsam mit vielen Gästen, Weggefährten und Freunden von ihr, die jeweils einen ihrer Songs singen und sie damit ehren, werden wir in die Columbiahalle gehen.
Wie ist es für Sie, durch die Konzerte, das Album und die Betreuung ihrer Social-Media-Kanäle immer wieder über sie zu sprechen?
Uhlig: Ich habe stets gemischte Gefühle, wenn ich über Anna spreche - über unser gemeinsam erschaffenes Album und nun auch über die bevorstehenden Gedenkkonzerte. Einerseits macht es mich traurig und berührt mich jedes Mal aufs Neue. Ich sitze dann im Studio und denke, sie kommt doch gleich wieder herein, das war doch alles nur ein böser Traum, und wir schreiben jetzt noch gemeinsam den elften Song. Andererseits habe ich auch das Bedürfnis, über diese letzten anderthalb Jahre zu sprechen. Nach der "Königin"-Tour im März 2023 haben wir bereits angefangen, sie schrieb ihren ersten Song mit Henning Wehland, danach folgte "Mut zur Liebe" von mir, den wir gemeinsam fertiggestellt haben. Da wir also schon so lange mit diesem Album beschäftigt waren und sehr stolz auf diese Lieder waren, ist es mir wichtig, in ihrem Sinne darüber zu sprechen und zu erzählen, wie und wann etwas entstanden ist - und warum man Dinge nun zu Ende bringt, auch wenn es sicherlich schwerfällt.
Was ist Ihnen für das Vermächtnis von AnNa R. wichtig, wie soll sie in Erinnerung bleiben?
Uhlig: Ich bestimme nicht, wie sie in Erinnerung bleibt. Mir bleibt sie für immer in Erinnerung und ich bin sehr dankbar für 13 gemeinsame musikalische und freundschaftliche Jahre und alles, was da entstanden ist. In erster Linie überleben ihre Lieder, ihre Stimme wird immer zu hören sein und das ist ein Trost. Aber mir wird sie natürlich auch als Mensch immer in Erinnerung bleiben, mit ihrer Art, mit ihrer Berliner Schnauze, mit ihrer Ehrlichkeit und Nächstenliebe. (jom/spot) © spot on news