"Altes Handy hab' ich, CD-Sammlung noch nicht entsorgt, Lan-Partys nie erlebt", verrät "Chabos"-Darstellerin Anke Engelke. In ihrer neuen Coming-of-Age-Serie trifft Nostalgie auf Fremdscham. Wir haben die 59-Jährige zu ihrer Doppelrolle und ihrem Trip zurück in die 00er-Jahre befragt.
Die acht "Chabos"-Folgen (ab 22.08. in der ZDF-Mediathek) spielen zum Teil im Jahr 2006. In jener Zeit waren nicht nur Solarien, ICQ-Sounds und Grossraumdiscos angesagt, sondern auch Comedy-Formate mit Anke Engelke. Nach dem Ende der erfolgreichen "Wochenshow"-Ära mit Bastian Pastewka, Ingolf Lück ("Danke, Anke") und Co. an ihrer Seite, flimmerte sie unter anderem mit "Ladykracher" über die deutschen TV-Bildschirme.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht Anke Engelke über die Zeiten, als Ehemänner noch das Geld nach Hause brachten, Frauen sich um Haushalt und Kinder kümmerten und Millenials dachten, sie wären unsterblich.
Frau
Anke Engelke: Klassentreffen finde ich klasse, mir hat das zuletzt wieder sehr gefallen.
Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, an dieser besonderen Serie mitzuwirken?
Mir haben mehrere Dinge an der Anfrage gefallen, zum Beispiel die Erzählweise "damals-heute", das Thema Schulzeit, die Doppelrolle "junge Mutter, reife Mutter" – plus: Mich hat die Zusammenarbeit mit Arkadij Khaet und Mickey Paatzsch [die Regisseure von "Chabos"; Anm. d. Red.] total gereizt.
Sie spielen Peppis Mutter. Steht Martina Pfeffer für jene Frauen, die bemüht sind, die familiäre Fassade aufrechtzuerhalten, und die mit ihrem Mann zusammengeblieben sind, weil man es eben so macht?
Vielleicht, ja. Trotz vieler Gegenbeispiele: Das waren Jahre, in denen es selbstverständlich war, dass der Ehemann – das war ja geflügeltes Wort – "das Geld nach Hause" brachte und die Ehefrau sich um Haushalt und Kinder kümmerte. Andersherum war es immer die Ausnahme, so habe ich das in den 70ern und 80ern erlebt.
Was war schauspielerisch die grössere Herausforderung: die reifere oder die jüngere Mutter zu spielen?
Beides toll, beides spannend, finde ich – sowohl die Fragen der jungen Martina (Wie viel Nähe brauchen Eltern und Teenager zueinander? Wie ist man empathische Mutter und attraktive Geliebte?) als auch die der älteren (Wann erkennen Menschen, dass sie nicht genug an ihrer Beziehung gearbeitet haben?).
In welchem Jahrzehnt würden Sie gerne nochmal leben?
Hier und jetzt finde ich schon immer passend.
Klapphandys, gebrannte CDs, Lan-Partys: Welche dieser und anderer Relikte der 00er-Jahre haben Sie damals genutzt? Und welche hätten Sie gerne wieder zurück?
Altes Handy hab' ich, CD-Sammlung noch nicht entsorgt, Lan-Partys nie erlebt. Was ich gerne wieder nutzen würde, wäre unsere Fähigkeit des echten Austausches – also miteinander zu reden, nicht nur übereinander. Das ist die Superkraft von uns Menschen, dass wir einander gegenüberstehen oder -sitzen und uns ehrlich austauschen und das Risiko eingehen, nicht recht zu haben. Sogar eine blöde Rauferei auf dem Schulhof – wie die in "Chabos" – finde ich ehrlicher und menschlicher als digitales Gehasse.
"Früher wie heute konnte ich mich hier ganz gut auf meinen Bauch verlassen."
Laut einer Pressenotiz ist die Serie "wie ein altes Facebook-Profil, auf dem man zu weit nach unten gescrollt hat: Man schämt sich". Haben Sie aus diesem Grund von vornherein darauf verzichtet, Privates zu posten?
Na ja, ich bin beim Kuratieren meines Alltags einfach sehr gern vogelfrei und unabhängig und Boss meiner Zeit. Zu meinem Leben passen soziale Medien einfach nicht. Und ich kann mir partout nicht vorstellen, dass ich am Ende meines Lebens sage: "Hätte ich doch nur mehr gepostet!".
Für welche "Jugendsünden" schämen Sie sich?
Da gibt es bestimmt was, aber das ist hoffentlich alles verarbeitet und/oder verjährt.
Sie konnten früher mit der "Wochenshow" und "Ladykracher" TV-Erfolge verzeichnen. Nach welchen Kriterien wählen Sie heute Ihre Projekte aus?
Früher wie heute konnte ich mich hier ganz gut auf meinen Bauch verlassen. Die Kriterien sind zudem Thema, Rolle, Buch, Neugier, Lust, Cast und Crew. Wobei es kaum möglich ist, dass jeder Punkt eine 10 von 10 ist, logo.
Eine Konstante in Ihrem beruflichen Leben ist die Zusammenarbeit mit Bastian Pastewka – ob in seiner Kult-Sitcom, bei "LOL" oder in Ihrer gemeinsamen Serie "Perfekt verpasst". Wie schwierig ist es, der stets hohen Erwartungshaltung an Sie beide gerecht zu werden?
Hmmm, dafür müssten wir diese Erwartungshaltung ja erstmal überhaupt spüren, und das tun wir vermutlich null. Die Freude am Zusammenarbeiten, am Rumspinnen, Entwickeln, Proben und Machen ist so riesig, da blenden wir wohl aus, dass wir das alles nicht nur für uns machen, sondern für ein Publikum. Dass das, was wir machen, oft gemocht wird, ist manchmal überraschend, aber immer irre schön.
Sie sind mit Leseprogrammen unterwegs und als Synchronsprecherin tätig: Haben Sie diesen Weg eingeschlagen, um bewusst einen Kontrast zu Ihrer sehr öffentlichkeitswirksamen Arbeit vor der Kamera herzustellen?
Mit dem Synchronisieren habe ich ja als Kind erste Erfahrungen gemacht, das begleitet mich also schon lange. Und das gelesene Wort ist irgendwie auch schon Ewigkeiten Teil meines Jobs: Als ich mit dem Moderieren von Kindersendungen begann, habe ich mich wohl unbewusst ins Lesen und Sprechen verliebt – sonst hätte es mich zum Beispiel nach der Schule nicht zum Südwestfunk verschlagen. Und dort arbeitete ich immerhin zwölf Jahre lang.
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Unser Programm "Komisch" gibt’s schon länger, und wir können beide nicht genug kriegen von der gemeinsamen Zeit. Manchmal kommen solche Impulse ja überraschend und von aussen: Dass wir mal so viel und gern miteinander arbeiten würden, das war dann wohl ein Riesentraum von mir, von dem ich aber nichts wusste! Und dass Iris Berben knallelustig ist, wissen wir ja alle spätestens seit "Sketchup".
Sie sind seit mehr als 20 Jahren Botschafterin von "action medeor". Welche Fortschritte wurden in diesen zwei Dekaden gemacht? In welchen Bereichen gibt es weiterhin Nachholbedarf?
Ich bin nur Botschafterin, nicht Expertin, deshalb Vorschlag: Einfach mal digital eintauchen in die Welt von "action medeor"! Was ich aber beobachte, sind die kleinen Erfolge, die ich bei meinen Afrika-Reisen mit der Crew erlebe. Wenn wir Krankenhäuser oder zum Beispiel Mutter-Kind-Projekte besuchen und vor Ort sehen, dass die Spenden Probleme lösen, die Medikamentenschränke gefüllt sind und dringend benötigte medizinische Apparate angeschafft wurden …
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Damit sich der Kreis schliesst: Wie würden Sie zu einem "Wochenshow"-Klassentreffen stehen?
Kameras bei Klassentreffen fände ich persönlich ziemlich doof. Zumal, wenn es um ein TV-Team geht: Geht da nicht die genuine Freude am privaten Miteinander flöten, das "So-sein-dürfen-wie-man-ist"?