Während der Sommerpause zeigt das Erste gewöhnlich Wiederholungen älterer "Tatort"-Folgen. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Krimireihe darf in diesem Jahr das Publikum jede Woche aus einer Liste von 50 Folgen aus 20 Jahren per Online-Wahl entscheiden, was gezeigt wird. Wir schliessen uns den Festlichkeiten an und feiern den jeweiligen Sieger mit frohen Ferienfragen. Diese Woche ist das allerdings schwierig: "Tollwut“ ist ein besonders düsterer Dortmunder "Tatort“, der wie ein Horrorfilm beginnt: Mitten in der Nacht fängt in der Krankenhauszelle eines Gefängnisses ein ans Bett gefesselter Insasse an zu schreien. Er zuckt, beisst, gelber Schaum tritt ihm aus dem Mund.

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Könnte ich bitte die Vorgeschichte zur Geschichte haben?

In "Tollwut“ untersuchen die Kommissare Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Bönisch (Anna Schudt) und Nora Dalay (Aylin Tezel) den Tod von Miroslav Katcek, der an Tollwut stirbt. Es stellt sich heraus, dass Katcek in eine Messerstecherei verwickelt war und die Waffe mit dem Virus präpariert wurde. Auch Gefängnisarzt Jonas Zander hat dabei einen winzigen Schnitt abbekommen – und nun noch eine Woche zu leben.
Die Erstausstrahlung von "Tollwut“ fand im Februar 2018 statt und dürfte Zuschauern also noch einigermassen in Erinnerung sein. Den Krimi durchziehen allerdings Anspielungen auf die gemeinsame Vorgeschichte des Ermittlerteams mit Jonas Zander. Er war früher ihr zuständiger Gerichtsmediziner. Der oft erwähnte Daniel ist Daniel Kossick, ein ehemaliger Kollege von Faber & Co. Er hatte eine heimliche Beziehung mit Dalay. Nachdem sie ein Kind von ihm ohne Rücksprache abtreiben liess, liess Kossick sich, ohnehin genervt von Fabers Macken, zum LKA nach Düsseldorf versetzen.
Die Explosion, von der die Kommissare in "Tollwut“ reden, ist die Autobombe, die ein Attentäter bei ihrem letzten Fall zündete und durch die Faber, Bönisch und Dalay verletzt wurden. "Tollwut“ ist der erste Fall ohne Kossick, und der einzige, in dem sie nur zu dritt ermitteln. An Kossicks Stelle im Team wird später Kommissar Jan Pawlak treten, der wiederum in "Tollwut“ zum ersten Mal auftaucht.

"Tatort" aus Dortmund: Und wie war das noch mal mit Markus Graf?

Der pädophil veranlagte Soziopath Markus Graf (Florian Bartholomäi) pflegt mit Faber ein makaberes Katz-und-Maus-Verhältnis. Darauf spielt der Brief von ihm an, den der Kommissar am Anfang von "Tollwut“ bekommt und auf dem als Absender "Auf ewig Dein“ steht – der Titel der "Tatort“-Folge von 2014, in dem Graf zum ersten Mal in Erscheinung trat. Faber hat einst Markus Grafs Vater, auch ein mordender Vergewaltiger, überführt, der sich im Gefängnis erhängte. Seitdem will der Sohn Rache. Mit grausamen Manövern versucht Graf, Faber geliebte Menschen wegzunehmen beziehungsweise ihn dazu zu bringen, sich selbst für sie zu opfern. Seinen Feldzug hat Graf vermutlich mit dem Mord an Fabers Ehefrau und Kind begonnen – dieses Ereignis ist der zentrale Aspekt von Peter Fabers Vorgeschichte, die seine "Tatort“-Biografie entscheidend prägt. In der (Anfang Februar ausgestrahlten) letzten Dortmunder "Tatort“-Premiere "Monster“ ging ihr perfider Kampf weiter.

Nach "Tollwut": Wie geht es mit der deprimierten Nora Dalay weiter?

Im Februar 2019 hatte Darstellerin Aylin Tezel bekanntgegeben, aus dem "Tatort“ aussteigen zu wollen, um sich "neuen künstlerischen Herausforderungen“ zu stellen. Im zweiteiligen Jubiläums-“Tatort: In der Familie“ wird sie ihren letzten Einsatz haben. In der Doppelfolge, die im Herbst ausgestrahlt werden soll, ermitteln das Münchner und das Dortmunder Team gemeinsam. "Wenn man den ‚Tatort Dortmund‘ kennt“, so der zuständige WDR-Redakteur Frank Tönsmann damals, "wird es nicht verwundern, dass wir uns für ihren Ausstieg etwas Besonderes ausdenken werden.“
Gerade haben die Dreharbeiten mit Tezels Nachfolgerin begonnen: In "Heile Welt“ (Ausstrahlung 2021) stösst Stefanie Reinsperger als Hauptkommissarin Rosa Herzog zum Dortmunder Team. Die 32-jährige Österreicherin hat sich bisher vor allem als Theaterschauspielerin am Wiener Burgtheater und im Berliner Ensemble einen Namen gemacht.

Wie wird man Gefängnisinsasse beim "Tatort“?

Besonders gute Chancen haben "markante, schräge, ausgefallene, gelebte Typen jeden Alters, u.a. Männer mit Tattoos, Türsteher-Typen, Bodybuilder“. Danach jedenfalls suchte die Komparsenagentur für "Tollwut“ – die Resonanz auf "diese aussergewöhnliche Ausschreibung war gross“, berichtete das Erste auf seiner Webseite – jedenfalls in Sachsen-Anhalt. Denn nachdem vergeblich nach einem geeigneten Gefängnis im Ruhrgebiet gesucht worden war, fanden die Dreharbeiten in Magdeburg statt: Dort steht das Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Gefängnis Sudenburg, das 2013 stillgelegt wurde. Auf den Regisseur Dror Zahavi machte es grossen Eindruck: "Wenn man im Gefängnis über drei Wochen und fast 12 Stunden jeden Tag dreht, wenn man da die langen Flure entlang geht und in den winzigen Zellen weilt, da wo bis vor kurzem Menschen sassen und nicht raus konnten, da hört man manchmal noch ganz leise ihre Stimmen, die aus den dicken Wänden kommen. Eine ganz besondere Atmosphäre und Energie liegt in der Luft, die eine grosse Intensität und Authentizität in der Arbeit der Schauspieler zur Folge hat.“

Wer stimmt denn ohne Münster-“Tatorte“ überhaupt noch ab?

Es gab diese Woche keine Informationen über die insgesamt abgegebenen Stimmen, aber das Interesse scheint seit Beginn des Wunsch-Sommers vor einem Monat nur wenig zu schwanken. Für den Gewinner dieser vierten Runde gab es 11.290 Stimmen. Auf Platz 2 und 3 landeten die beiden Hamburger "Tatorte“ "Mord auf Langeoog“ (mit den Kommissaren Falke und Lorenz, 9.874 Stimmen) und "Habgier“ (Stoever und Brockmöller) mit 7.730 Stimmen. Zum Vergleich: An der ersten Abstimmungsrunde Mitte Juni beteiligten sich knapp 144.000 Zuschauer und wählten "Wenn Frauen Austern essen“ mit 12.300 Stimmen auf Platz 1.
Der Münsteraner "Tatort“ der letzten Woche siegte mit 9.946 und damit sogar weniger Stimmen als "Tollwut“. Einen Ausschlag in der insgesamt relativ gleichmässig verlaufenden Zahlenkurve gab es nur in der zweiten Woche, als "Fangschuss“ aus Münster mit rund 41.000 Stimmen gewann – da brach das Erste das Voting allerdings vorzeitig ab, weil Manipulationsverdacht bestand. Inzwischen sind alle Münsteraner "Tatorte“ aus dem Rennen. Übrigens landete "Tollwut“ letzte Woche auf Platz zwei, vielleicht gewinnt also nächsten Sonntag "Mord auf Langeoog“.

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