Attentat an einer Schule in Graz: Mehrere Menschen werden getötet, weitere werden verletzt. Polizeiangaben zufolge ist unter den Toten auch der Täter. Innenminister Gerhard Karner spricht von einem Amoklauf.

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Trauer und Entsetzen in Österreich: Bei einem Amoklauf an seiner ehemaligen Schule erschiesst ein 21-Jähriger in Graz zehn Menschen und begeht anschliessend Suizid. Sechs weibliche und drei männliche Opfer bestätigte die Polizei schon wenige Stunden nach der Tat vom Vormittag. Ob es sich um Schülerinnen und Schüler handelt, blieb zunächst offen. Eine Erwachsene erlag am Abend ihren schweren Verletzungen, wie das Universitätskrankenhaus Graz der österreichischen Agentur APA sagte. Elf weitere Personen wurden nach Polizeiangaben teils schwer verletzt.

Es handelt sich um eine weiterführende Schule für Teenager und junge Erwachsene. Dort waren rund 400 Schülerinnen und Schüler eingeschrieben und rund 40 Lehrkräfte tätig. Ob der Täter in Schulklassen oder Gängen schoss, sagte die Polizei zunächst nicht. Er habe zwei Waffen dabeigehabt, die er legal besessen habe.

Abschiedsbrief und Rohrbombe im Wohnhaus gefunden

Der mutmassliche Amokschütze hat nach Angaben der Behörden einen Abschiedsbrief hinterlassen. Wie die Nachrichtenagentur APA am Dienstagabend berichtete, stellte die Polizei ein Dokument in analoger und digitaler Form sicher. Den Fund des Schreibens bestätigte der dem Innenministerium in Wien zugeordnete Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, zudem dem ORF. Der Brief gebe aber keinen Hinweis auf das Motiv des Schützen.

Laut einem Bericht der "Kronen Zeitung" soll der 21-Jährige in dem Abschiedsbrief sowie gegenüber Personen aus seinem Umfeld angegeben haben, die sechste Schulstufe nicht geschafft und gezielt nach Schuldigen gesucht zu haben. In seinem Wohnhaus wurde zudem eine nicht funktionsfähige Rohrbombe gefunden. Nach Informationen der Zeitung soll er seiner Mutter ausserdem ein Abschiedsvideo geschickt haben.

Junge stellte sich bei Amoklauf tot

Der Vater eines Schülers der Schule sprach mit Reportern des Senders Puls24. Sein Sohn habe berichtet, dass der Täter in seinem Klassenzimmer schoss. Sein Sohn habe sich nach eigenen Angaben auf den Boden geworfen und tot gestellt. Er sei unverletzt geblieben. Sein zweiter Sohn sei erst nicht zu erreichen gewesen, berichtete der Vater, dem mehrfach die Stimme brach. Er habe sich dann aber unversehrt aus der Halle gemeldet, in die die überlebenden und nicht verletzten Schülerinnen und Schüler gebracht worden waren.

Kanzler: Schule muss "Ort des Friedens bleiben"

"Diese Tat trifft uns alle", sagte Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker. Man müsse jetzt als Gesellschaft zusammenstehen. Heute gehe es um Mitgefühl und "die Kraft des Zusammenhalts." Die Schulen müssten "Orte des Friedens bleiben", sagte Stocker.

Der Ministerpräsident der Steiermark, Mario Kunasek (FPÖ), spricht sichtlich erschüttert von einer "unfassbaren Tragödie". Man müsse gemeinsam durch diese Stunden und Tage gehen. Das Leben vieler habe sich mit dem heutigen Tag "dramatisch verändert". Das Land Steiermark werde in den nächsten drei Tagen keine öffentlichen Veranstaltungen abhalten.

Der Tathergang

Gegen 10 Uhr gingen nach Polizeiangaben die ersten Notrufe ein, Anrufer berichteten von Schüssen und Schreien an der Schule. Innerhalb von Minuten seien Spezialeinheiten vor Ort gewesen, hätten das Gebäude gesichert und dann evakuiert. Laut Behörden waren 300 Polizeikräfte im Einsatz. Die Eltern und die unverletzten Schüler wurden nach Angaben der Stadt in umliegenden Hallen untergebracht und von Kriseninterventionsteams betreut.

Auf Bildern und Videos sind zahlreiche Rettungskräfte, Polizeikräfte und Beamte der Spezialeinheit rund um das Schulgebäude zu sehen. Auch mehrere Rettungshubschrauber waren im Einsatz.

Politiker sind bestürzt

Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich auf X betroffen: "Was heute in einer Schule in Graz passiert ist, trifft unser Land mitten ins Herz. Es waren Jugendliche, die ihr ganzes Leben vor sich hatten. Eine Lehrperson, die sie auf ihrem Weg begleitet hat. Es gibt nichts, was in diesem Moment den Schmerz lindern kann, den die Eltern, die Grosseltern, die Geschwister, die Freundinnen und Freunde der Ermordeten fühlen."

Vizekanzler und SPÖ-Chef Andreas Babler kondolierte via X: "Wir trauern. Ganz Österreich trauert. Die Nachrichten aus Graz erschüttern unser gesamtes Land bis ins Mark. Es ist unmöglich, diese entsetzliche Tragödie in Worte zu fassen." In diesen dunklen Tagen stehe Österreich zusammen. "Wir stehen an der Seite von Graz. Das Miteinander und die Menschlichkeit müssen und werden in unserem Land immer an erster Stelle stehen."

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger teilte via X mit: "Der Amoklauf in Graz erschüttert mich zutiefst. Niemand kann sich das Leid vorstellen, als Mutter dreier Kinder zerreisst es mir das Herz." Betroffen und "unendlich traurig" äusserte sich auch Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS).

"Schulen sind Symbole für Jugend, Hoffnung, und Zukunft. Es ist schwer zu ertragen, wenn Schulen zu Orten von Tod und Gewalt werden."

Ursula von der Leyen

Die Tat in Graz war auch Thema bei der EU in Brüssel. Man trauere um die Opfer dieses furchtbaren Ereignisses und mit ihren Angehörigen, betonte die Kommissionssprecherin.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen liess wissen: "Die Nachrichten aus Graz treffen ins Mark. Meine Gedanken sind bei den Opfern, ihren Familien und Freunden. Schulen sind Symbole für Jugend, Hoffnung, und Zukunft. Es ist schwer zu ertragen, wenn Schulen zu Orten von Tod und Gewalt werden."

Infografik: "Karte Österreich mit Graz"
© dpa-infografik GmbH

Auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach seine Anteilnahme aus. "Mit grosser Bestürzung und tiefer Trauer habe ich von der Gewalttat in Graz erfahren, bei der so viele unschuldige Menschen ihr Leben verloren haben", hiess es in einem Kondolenzschreiben an seinen österreichischen Amtskollegen Alexander van der Bellen. "Ihre deutschen Nachbarn sind im Herzen bei Ihnen", so Steinmeier.

Staatstrauer geplant

Österreich wird der Opfer des Amoklaufs mit einer dreitägigen Staatstrauer gedenken, kündigte Bundeskanzler Stocker an. Am Mittwoch soll es eine landesweite Trauerminute geben. Flaggen wurden auf halbmast gesetzt.

"Der Amoklauf an einer Schule in Graz ist eine nationale Tragödie, die unser gesamtes Land tief erschüttert", schrieb Stocker auf der Plattform X. Es gebe keine Worte für den Schmerz und die Trauer. Dieser Horror sei nicht in Worte zu fassen, teilte auch Bundespräsident Alexander van der Bellen auf X mit. "Österreich trauert."

Polizei und Krankenwagen in der Nähe der Schule in Graz. © REUTERS/Leonhard Foeger

Die Tat hat in Österreich bereits eine Debatte über das Waffenrecht ausgelöst. Wie APA berichtete, besass der Täter eine Waffenbesitzkarte, deren Erwerb unter anderem mit einem psychologischen Test verbunden ist. Es gelte nun, den Amoklauf genau zu analysieren und zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben lückenhaft seien und gegebenenfalls verschärft werden müssten, sagte Sicherheits-Generaldirektor Ruf.

Erinnerungen werden wach: Amokfahrt vor knapp zehn Jahren in Graz

Der Vorfall dürfte als bisher schlimmster Amoklauf in die Geschichte Österreichs eingehen. Im Mai 1997 erschoss ein 16-Jähriger in der niederösterreichischen Gemeinde Zöbern eine Lehrerin und verletzte eine zweite schwer. 2018 wurde ein 18-Jähriger nach einem geplanten Amoklauf wegen versuchten Mordes zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er hatte vor einer Schule in Mistelbach nördlich von Wien einen 19-Jährigen mit einer Schrotflinte angeschossen und schwer verletzt.

Graz wurde unterdessen bereits zum zweiten Mal Schauplatz einer Tragödie dieser Art. Im Juni 2015 war ein Mann mit seinem Auto bei hoher Geschwindigkeit über den Bürgersteig und Fussgängerzonen gefahren. Drei Menschen wurden getötet und 36 verletzt. Graz ist mit rund 300.000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt Österreichs.

Bei der Schule handelt es sich um ein Bundes-Oberstufenrealgymnasium (BORG). An solchen Schulen sind Schülerinnen und Schüler in der Regel 14 Jahre und älter. Die Schule zeigt auf ihrer Website 17 Schulklassen und ein Foto von rund 40 Lehrkräften. (APA/dpa/afp/bearbeitet von ng, ank, nap, fra und tas)

Redaktioneller Hinweis

Hilfsangebote

  • Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 0800/1110-111 (Deutschland), 142 (Österreich), 143 (Schweiz).
  • Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.
Teaserbild: © dpa / Heinz-Peter Bader/AP/dpa