Ministerpräsident Robert Fico sucht das Gespräch mit Bürgern, da fallen Schüsse. Das Attentat schockiert über die Slowakei hinaus. Immerhin: Offenbar ist der 59-Jährige inzwischen ausser Lebensgefahr.

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Ein Attentat auf Regierungschef Robert Fico hat das EU- und Nato-Land Slowakei in einen Schockzustand versetzt. Der 59-Jährige hatte sich noch am Mittwoch einer mehrstündigen Notoperation in der Regionalhauptstadt Banska Bystrica unterziehen müssen. Die Operation sei gut verlaufen, sagte einer seiner vier Stellvertreter, Umweltminister Tomas Taraba, der BBC am Donnerstagmorgen. "Ich denke, am Ende wird er überleben."

Auch Vize-Regierungschef Robert Kalinak äusserte sich am Donnerstagmorgen zu Ficos Zustand. "Während der Nacht ist es den Ärzten gelungen, den Zustand des Patienten zu stabilisieren", sagte Kalinak der Nachrichtenagentur TASR. "Leider ist der Zustand immer noch sehr ernst, da die Verletzungen kompliziert sind." Eine Krankenhaussprecherin teilte mit, Fico sei fünf Stunden lang operiert worden.

Wegen einer Informationssperre des Krankenhauses gab es nur zögerliche Informationen und viele Spekulationen über den Gesundheitszustand des Regierungschefs. Kalinak gilt als enger Vertrauter Ficos und ist auch in der Linkspartei Smer sein Stellvertreter.

Vor dem Eingang des F. D. Roosevelt Universitätskrankenhauses in Banska Bystrica, in dem der angeschossene und verletzte slowakische Regierungschef Robert Fico behandelt wird, stehen Polizisten. © picture alliance/AP/Denes Erdos

Internationale Bestürzung über Attentat auf Fico

Das Attentat auf Fico löste auch international Bestürzung aus. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte das Attentat auf Fico "unerträglich". "Ich wünsche ihm, dass er sich gut von diesem feigen Anschlag erholt", sagte Scholz. US-Präsident Joe Biden sprach von einer "schrecklichen Gewalttat". "Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und dem slowakischen Volk", erklärte er.

In der Slowakei kam die ansonsten hitzig geführte politische Debatte zum Stillstand. Eine turbulente Parlamentssitzung wurde am Mittwochnachmittag abgebrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt. Die liberalen Oppositionsparteien sagten vorerst alle politischen Kundgebungen ab. Ursprünglich hatten sie just für Mittwochabend zu einer Massendemonstration gegen die vom Linkspopulisten Fico geführte Regierung und deren Plan einer Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS aufgerufen.

Mann schoss aus unmittelbarer Nähe auf Fico

Fico war um etwa 14:30 Uhr von einem Attentäter angeschossen worden, als er sich nach einer Kabinettssitzung im Kulturhaus der Kleinstadt Handlova ins Freie begab, um wartende Anhänger zu begrüssen. Das Lokalfernsehen RTV Prievidza veröffentlichte ein Video vom Tathergang: Zu sehen ist, wie sich ein Mann an den Zaun drängt und aus unmittelbarer Nähe auf den Ministerpräsidenten schiesst. Nach Augenzeugenberichten soll der Täter den Politiker laut zu sich gerufen und dann aus unmittelbarer Nähe fünf Schüsse auf ihn abgegeben haben. Der Regierungschef habe ein sogenanntes "Polytrauma", also mehrere schwere Verletzungen erlitten, teilte der Innenminister den Medien mit.

Berichten zufolge soll es sich bei dem Täter um einen 71-Jährigen namens Juraj C. handeln, ehemals Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes. Offiziell bestätigt wurde das zunächst nicht. Der Innenminister sagte bloss, der Täter habe "ein klar politisches Motiv" gehabt, das habe eine erste Vernehmung ergeben.

Der TV-Nachrichtensender TA3 und andere Medien bekamen eine Videoaufnahme aus der Polizeistation zugespielt. Darin sagt der benommen wirkende mutmassliche Attentäter: "Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu." Als Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Medienreform, gegen die seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren. Auch die Frau des mutmasslichen Täters wurde nach Medienberichten von der Polizei verhört.

Fico warnte vor Gewalttat

Fico hatte erst vor Kurzem der liberalen Opposition vorgeworfen, ein Klima der Feindschaft gegen seine Regierung zu schüren. Es sei nicht auszuschliessen, dass es angesichts der aufgeheizten Stimmung irgendwann zu einer Gewalttat komme.

Fico ist Gründer und Chef der zuletzt immer nationalistischer gewordenen Linkspartei Smer-SSD und seit fast 30 Jahren einer der beliebtesten Politiker der Slowakei. Er polarisiert aber zugleich wie kaum ein anderer. Gegner nennen ihn "prorussisch" und werfen ihm vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Ungarn unter der Ägide des mit autoritären Mitteln regierenden Ministerpräsidenten Viktor Orban führen zu wollen.

Tatsächlich aber hat die Slowakei im Unterschied zu Ungarn seit Ficos Rückkehr an die Regierung im Oktober alle EU-Sanktionen gegen Russland mitgetragen und auch allen EU-Hilfen für die Ukraine zugestimmt einschliesslich der Verwendung eingefrorener russischer Gelder für die Ukraine und Befürwortung eines Beitritts der Ukraine zur EU, nicht aber zur Nato. Die Sanktionen gegen Russland lehnt Fico entgegen irreführender Medienberichte nicht grundsätzlich ab. Er kritisiert aber, dass manche von ihnen der von russischem Gas, Öl und Uran abhängigen Slowakei mehr schaden als Russland selbst. Stattdessen verlangt er Sanktionen, die Russland empfindlicher treffen. (dpa/AFP/tas/mcf)

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