Präsident Emmanuel Macron hat Gérald Darmanin zum Innenminister befördert, obwohl gegen den 37-Jährigen Ermittlungen wegen des Verdachts einer Vergewaltigung laufen. Das könnte für beide Politiker zu gravierende Folgen haben.
Ein Innenminister, gegen den die Justiz wegen mutmasslicher Vergewaltigung ermittelt: Diese Personalie sorgt in Frankreich für Kritik und auch im Ausland für Schlagzeilen.
Der neue Amtsinhaber Gérald Darmanin weist den Missbrauchs-Vorwurf zwar entschieden zurück. Aber selbst wenn die Ermittlungen im Sande verlaufen, könnte der ehrgeizige 37-Jährige für Präsident
Proteste bei Amtsübergabe an Darmanin
Für Darmanin gelte "wie für jeden die Unschuldsvermutung", betont der neue Premierminister Jean Castex. Rechtsexperten halten es aber zumindest für heikel, wenn die Polizei ihren obersten Dienstherrn wegen eines mutmasslichen Sexualdelikts anhören muss.
Bei der Amtsübergabe an den neuen Innenminister gab es Proteste von Frauenrechtlerinnen, auch in Onlinenetzwerken reisst die Kritik nicht ab.
Trotz Ermittlungen: Macron sah bei Beförderung "kein Hindernis"
Seit Februar laufen wieder vorläufige Ermittlungen gegen Darmanin, nachdem der Fall zu den Akten gelegt schien. Für Macron war dies "kein Hindernis" für die Beförderung des bisherigen Budgetministers ins einflussreiche Innenressort, wie es aus dem Umfeld des Staatschefs heisst. Macron verlangt von seinen Ministern zwar "vorbildliches Verhalten". Ein Rauswurf droht aber erst, wenn sie von der Justiz beschuldigt werden.
Die frühere Prostituierte Sophie Spatz reichte ihre Klage gegen Darmanin 2018 ein - nach seinem Eintritt in Macrons Regierung und neun Jahre nach der mutmasslichen Tat. Sie gibt an, Darmanin 2009 in seiner Funktion als Rechtsberater der damals regierenden Konservativen um Hilfe gebeten zu haben. Spatz wollte nach Medienberichten juristisch gegen eine Bewährungsstrafe wegen Erpressung vorgehen.
Sex als Gegenleistung für Unterstützung?
Nach ihrer Darstellung sagte Darmanin Hilfe zu, verlangte als Gegenleistung aber Sex. Der Zeitung "Le Monde" zufolge räumte der spätere Minister in einer SMS an Spatz "dreckiges" Verhalten ein, offiziell bestreitet er die Vorwürfe aber und klagte wegen Verleumdung. Dies betrifft auch eine zweite Frau, die Darmanin Nötigung zum Sex vorwarf. Die Ermittlungen wurden mangels Beweisen eingestellt.
Darmanin muss vermutlich nicht damit rechnen, von der Justiz belangt zu werden. Allerdings erheben auch Politiker und Medien Vorwürfe gegen den früheren Sprecher von Ex-Präsident
Weil Darmanin nach Macrons Wahl 2017 mit fliegenden Fahnen in dessen siegreiches Lager gewechselt war, wirft Sarkozys Partei Les Républicains (Die Republikaner) dem redegewandten Politiker "Verrat" vor. Der Präsident sei gut beraten, dem fünf Jahre jüngeren Darmanin zu "misstrauen", warnte Parteichef Christian Jacob nach Bekanntgabe der neuen Kabinettsliste.
Darmanin arbeitete früher für Sarkozy - und gegen Macron
Als Sohn eines französischen Barkeepers und einer algerischen Mutter engagierte sich Gérald Moussa Darmanin schon mit 16 in seinem nordfranzösischen Heimatort Valenciennes für die Konservativen. Auch nach dem Studium an der Elite-Uni Sciences Po in Lille arbeitete er für Politiker des rechten Lagers. Er wurde Sarkozys Sprecher und Wahlkampfchef in der Präsidentschaftskampagne.
Die konservative Zeitung "Le Figaro" und das Satire- und Investigativblatt "Canard enchaîné" werfen Darmanin vor, durch "Erpressung" Macrons als bisher jüngster Politiker ins Innenministerium gelangt zu sein: Er habe dem im Umfragetief steckenden Staatschef mit seinem Rücktritt gedroht, sollte er nicht seinen Wunschposten bekommen.
Das Innenministerium gilt in Frankreich als Sprungbrett für eine Präsidentschaftskandidatur. Womöglich erwächst dem liberalen Macron vor der nächsten Wahl 2022 nun also ein Hardliner-Rivale in den eigenen Reihen. Darauf lassen erste Äusserungen Darmanins schliessen: Entgegen der gemässigten Linie Macrons erklärte der 37-Jährige den politischen Islam zum "Todfeind der Republik". (hub/afp)
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