Bei aller Euphorie über den Waffenstillstand in Gaza: Die Verhandlungen über den zweiten Teil von Trumps 20-Punkte-Plan werden hart. Wer sind die Männer, auf die es jetzt ankommt?

Es gilt eine Waffenruhe, die letzten Geiseln sind frei und auch die Toten werden jetzt nach und nach übergeben. Israel und dessen Truppen haben sich in Gaza etwas zurückgezogen, Essen und Medikamente kommen zu den Menschen. US-Präsident Donald Trump feiert Schritt eins seines Friedensplans für Gaza als Beginn einer neuen Ära im Nahen Osten, spricht gewohnt unbescheiden vom grössten Frieden seit vielleicht 3.000 Jahren.

Doch die zentralen Streitpunkte im Gaza-Konflikt sind nicht einfach verschwunden. Erneut stehen schwierige Verhandlungen bevor, deren Ausgang völlig offen ist. Laut Trumps 20-Punkte-Plan müsste in einer nächsten, zweiten Phase eine Übergangsregierung für den Wiederaufbau des Gazastreifens gebildet werden. Die Hamas würde daran dem Plan zufolge nicht beteiligt, sondern entwaffnet. Eine internationale Friedenstruppe würde in Gaza für Sicherheit sorgen.

Erfüllt sich die grosse Hoffnung auf echten Frieden in der Region? Oder muss sie Ernüchterung weichen? Wie die Antwort auf diese Frage aussehen wird, hängt nicht zuletzt von den Unterhändlern ab. Ein Blick auf die Männer, auf die es jetzt ankommt.

Chalil al-Haja, Hamas

Nach dem Willen der israelischen Regierung sollte Chalil al-Haja längst nicht mehr leben. Der Luftangriff der israelischen Armee auf ranghohe Hamas-Mitglieder vom September soll unter anderem ihm gegolten haben. Doch der 64-Jährige überlebte, im Gegensatz zu seinem Sohn. Schon bei früheren gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Israels Militär soll al-Haja Familienmitglieder verloren haben, darunter seine Frau, drei Kinder und drei seiner Brüder.

Al-Haja ist Hamas-Mitglied der ersten Stunde und stieg über die Jahre immer weiter auf: Schon in den Verhandlungen um eine Waffenruhe zwischen der Terrororganisation und Israel 2014 spielte er eine wichtige Rolle. 2017 wurde er stellvertretender Leiter ihres Politbüros in Gaza – und verhandelte jüngst stellvertretend für die ausgedünnte Hamas-Führung über den 20-Punkte-Plan des US-Präsidenten.

"Zerschlägt man nicht über Nacht": Macron warnt vor andauernder Hamas-Gefahr

Nach der verkündeten Waffenruhe im Gaza-Krieg warnt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor einer anhaltenden Bedrohung durch die Hamas und fordert strenge internationale Kontrolle. "Eine Terrorgruppe mit Tausenden Kämpfern und solcher Bewaffnung zerschlägt man nicht über Nacht", sagte er nach der Besiegelung der Waffenruhe.

Al-Haja ist zweifellos ein Hardliner, der sein Leben der Organisation verschrieben hat. Wie die "Berliner Morgenpost" schreibt, gilt er gleichzeitig als verhandlungssicherer Pragmatiker mit guten Kontakten ins Ausland, was ihn zu einer der Schlüsselfiguren der kommenden Tage und Wochen macht.

Die "Süddeutsche Zeitung" hält es für denkbar, dass er vorschlägt, dass die Hamas ihre Waffen unter Aufsicht der Palästinensischen Autonomiebehörde stellt – wobei völlig offen ist, ob alle Kämpfer dem Folge leisten würden.

Steve Witkoff und Jared Kushner, USA

Die geltende Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas wurde einem Medienbericht zufolge durch ein aussergewöhnliches Treffen im ägyptischen Sharm El Sheikh möglich: Wie die US-Nachrichtenseite "Axios" berichtet, trafen der US-Sondergesandte Steve Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner al-Haja und vier weitere ranghohe Hamas-Vertreter in einem Luxushotel. Das Gespräch dauerte 45 Minuten. Witkoff und Kushner versprachen, dass die Hamas fair behandelt werde und versuchten, sie von Trumps Plan zu überzeugen – mit Erfolg.

Dass Witkoff und Kushner weiter am Verhandlungstisch sitzen werden, scheint folglich naheliegend – wenngleich beide keine Nahostexperten sind, sondern aus dem Immobiliengeschäft kommen. Dealmaker eben, nach Trumps Geschmack.

Ali al-Thawadi, Katar

Katar ist neben den USA wichtigster Vermittler. Wichtigster Mann dabei: Ali al-Thawadi. Der sogenannte Minister für strategische Angelegenheiten sass Ende September mit im Oval Office, als Trump Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu auf seine Linie brachte. Fotos zeigen: Es war al-Thawadi, der zunächst das schwarze Festnetztelefon auf dem Schoss hatte, mit dem Netanjahu im Verlauf des Treffens vor aller Augen und Ohren den katarischen Ministerpräsidenten anrufen musste, um sich für den Angriff auf Doha zu entschuldigen.

Katar fädelte dann auch ein, dass Trump Vertreter wichtiger arabischer Staaten am Rande der UN-Vollversammlung in New York traf, um den 20-Punkte-Plan festzuzurren, den Kushner mit diesen ausgehandelt hatte. Und er brachte die Türkei mit ins Spiel, die Druck auf die Hamas ausübte.

Am Golf scheint klar, dass auf Al-Thawadi und seine Leute sich jetzt nicht zurücklehnen können. Das Emirat mahnte am Dienstag, die offenen Punkte schnell anzugehen.

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Ibrahim Kalın, Türkei

Ibrahim Kalın ist Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, gilt als Vertrauter von Präsident Recep Tayip Erdogan und unterhält enge Kontakte zur Hamas, wie die "SZ" schreibt. In Verhandlungen argumentiere er differenziert, habe etwa sein Mitgefühl für die Geiseln der Hamas und ihrer Familien zum Ausdruck gebracht.

Nitzan Alon, Israel

Bei den Verhandlungen von Scharm el-Scheich mit von der Partie war auch der Israeli Nitzan Alon. Als Chef der Abteilung für Geiseln und vermisste Personen der israelischen Streitkräfte hat der Generalmajor der Reserve die vergangenen zwei Jahre der Aufgabe gewidmet, alle von der Hamas entführten Menschen nach Hause zu holen. Noch hat die Terrororganisation nicht wie vereinbart alle 28 toten Geiseln übergeben. Auch Alon hat also weiter zu tun. (mcf)

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