Die USA haben Atomanlagen im Iran bombardiert und drohen mit weiteren Angriffen. Noch funktioniert die Kommandostruktur in Teheran jedoch. In Israel beobachtet ein Experte derweil einen "Rausch der eigenen Stärke". Wie dürfte der Iran nun reagieren? Welche Bedeutung hat der Schritt für den Israel-Krieg?
Die USA haben sich aktiv in die militärische Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran eingeschaltet: Nach eigenen Angaben haben die USA zwei iranische Atomanlagen bombardiert, darunter auch die wichtige Urananreicherungsanlage Fordo. Im Interview unserer Redaktion erklärt Nahost-Experte Simon Wolfgang Fuchs, welche Optionen der Iran nun hat, wieso der Angriff eine Demütigung für die Europäer war und wieso für die USA gilt: "Mit diesem Angriff ist der erste Schritt getan."
Die USA haben in der Nacht mehrere Atomanlagen im Iran angegriffen. Anlagen zur Urananreicherung sind zerstört worden. Hat das eher zur Eskalation oder zur Deeskalation beigetragen?
Simon Wolfgang Fuchs: Ich glaube nicht, dass jetzt alles vorbei ist und dieser Schlag so entscheidend gewesen ist, dass der Iran durch ein Diktatabkommen dazu veranlasst wird, all seine Nuklearprogramme aufzugeben. Das Gegenteil ist eher der Fall.
Was heisst das?
Die ersten Anzeichen deuten darauf hin, dass die Iraner sich durchaus vorbereitet hatten. Ihren wahrscheinlich grössten "Schatz" – also angereichertes Uran – haben sie wohl aus der betroffenen Anlage weggeschafft und an einen unbekannten Ort gebracht. Deshalb könnte jetzt auch von israelischer Seite die Forderung laut werden, noch viele weitere Anlagen zu bombardieren, um die Bedrohung auszuschalten.
Das heisst, der Willen im Iran, sein Atomprogramm fortzuführen, sehen Sie noch nicht gebrochen?
Wir sehen derzeit keine Absetzungs-Tendenzen. Das Regime ist auch nicht handlungsunfähig. Die Kommandostrukturen funktionieren weiterhin. In den letzten Tagen war zu beobachten, dass Iranerinnen und Iraner, die selbst sehr grosse Kritiker des Regimes sind, sich einhellig gegen diese Angriffe gestellt haben. Das ist recht bemerkenswert.
US-Angriff auf Iran
- In der Nacht auf Sonntag haben die USA iranische Atomanlagen angegriffen. Dabei wurden laut US-Präsident
Trump die unterirdische Uran-Anreicherungsanlage in Fordo sowie Einrichtungen in Natans und Isfahan vollständig zerstört. - Trump droht nun damit, weitere Attacken zu starten, sollte die iranische Seite nicht einen Weg des Friedens einschlagen. Der Iran widerum droht mit Konsequenzen. Laut Aussenminister Araghtschi behalte sich der Iran im Einklang mit der UN-Charta und dem Recht auf legitime Selbstverteidigung alle Optionen vor.
Warum ist der iranischen Führung ihr Atomprogramm so wichtig?
Das angereicherte Uran ist das grösste Faustpfand des Irans. Ohne dies hätte es bei Verhandlungen nichts mehr in der Hand und müsste im Endeffekt einfach Bedingungen akzeptieren. Das kann sich das Regime gar nicht leisten. Es ist nicht möglich, jetzt einfach klein beizugeben.

Warum darf Israel Atomwaffen haben, aber der Iran nicht?
Das ist ein wenig diskutierter Aspekt. Da muss sich die internationale Gemeinschaft wahrscheinlich auch den Vorwurf von unterschiedlichen Beurteilungen gefallen lassen. Man hat nie dieselbe Art von Strenge an den Tag gelegt oder Israel als Bedrohung gesehen. Deshalb hat man Israel Atomwaffen zugestanden, obwohl Israel sich an keine der internationalen Abkommen hält. Man hat es als Ausnahme betrachtet hat – aber das wirft Fragen auf. Wenn wir immer wieder von der Verteidigung einer internationalen, regelbasierten Ordnung sprechen – gilt diese dann gleichermassen für alle Beteiligten?
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Was erwarten Sie, wie der Iran sich jetzt verhält?
Auf der einen Seite war es recht auffallend, dass die iranische Atomenergiebehörde oder der iranische Aussenminister sich in ihren Statements auf das internationale Recht berufen haben, das durch diesen Angriff gebrochen wurde. Man hat quasi die internationale Gemeinschaft aufgefordert, das zu verurteilen. Durch diese Rhetorik, die nicht besonders aggressiv war, lässt man sich wohl die Hintertür für Verhandlungen offen.
Und auf der anderen Seite?
Auf der anderen Seite sehen wir auch die klare Betonung auf das Recht zur Selbstverteidigung. Bislang sehen wir weitere Raketenwellen auf Israel, aber es ist nicht klar, ob sie nicht schon vorher angeordnet wurden. Man muss jetzt sehen, ob der Iran sich auch dazu entschliesst, beispielsweise die Strasse von Hormus zu sperren oder amerikanische Basen in der Region oder im Nahen Osten anzugreifen. Das wäre natürlich dann eine Eskalation. Im Moment ist das noch nicht der Fall. Der Iran wird wohl in beide Richtungen agieren und auch weiterhin den Verhandlungsweg suchen.
Mit wem will er verhandeln?
Ob man jetzt in den USA wirklich noch einen Verhandlungspartner sieht, ist fraglich. Die Europäer sind eigentlich jetzt komplett diskreditiert als Verhandlungspartner, weil sie völlig irrelevant sind in diesem ganzen Kontext. Der jetzige Schlag war eigentlich auch eine grosse Demütigung für die europäische Seite durch die USA.
Warum?
Die europäischen Aussenminister haben noch Verhandlungslösungen in Genf gesucht und am Tag vor dem Angriff noch betont, weiter mit dem Iran zu verhandeln. Trump hatte ein "Pseudofenster" von zwei Wochen aufgemacht, wo er den Europäern nochmal eine Chance geben wollte, zu verhandeln. Jetzt ist klar, dass das nichts wert war. Die Europäer haben nur kurz vorher die Information bekommen, dass der Angriff erfolgen wird.
Erwarten Sie von den USA nun weitere Angriffe?
Es sieht nicht so aus, als sei der Angriff eine einmalige Sache gewesen. Ich gehe von weiteren militärischen Waffengängen aus. Der Angriff zeigt generell, dass sich Trump wenig an das Versprechen, die USA nicht weiter in längerfristige Kriege in der Region zu verwickeln, gebunden fühlt. Mit diesem Angriff ist der erste Schritt getan, dass Amerika wieder viel stärker in den Nahen Osten hineingezogen wird.
Welche Auswirkungen hat der Angriff auf den Israel-Krieg?
In Israel sehen wir gerade fast einen Rausch der eigenen Stärke. Er herrscht Freude darüber, dass es gelungen ist, die USA zu überreden, einzugreifen. Es kann gut sein, dass die israelische Seite fordert, noch mehr zu tun – selbst wenn man es dann für mehrere Wochen mit iranischen Angriffen zu tun hat. Man scheint bereit zu sein, das auszusitzen.
Über den Gesprächspartner
- Dr. Simon Wolfgang Fuchs ist Professor für Islam im Nahen Osten und Südasien an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Der Nahost-Experte forscht zum modernen Islam im Nahen Osten, Südasien sowie in globalen Kontexten.