Am 8. September will sich Premierminister François Bayrou in Frankreich einer Vertrauensfrage stellen. Schon wieder droht eine Regierung zu scheitern. Und ein Ausweg aus der politischen Dauerkrise ist vorerst nicht in Sicht.
Frankreich steckt mal wieder in einer politischen Sackgasse. Premierminister François Bayrou wird am 8. September im Parlament die Vertrauensfrage stellen – und sie wahrscheinlich verlieren.
Stürzt Bayrou, müsste Präsident
Stimmung in Frankreich auf dem Tiefpunkt
Die Stimmung ist schlecht. Die Wirtschaft wächst nur schwach – und die Bürgerinnen und Bürger machen sich auf Einschnitte gefasst. Auch die gesellschaftliche Mitte begehrt inzwischen auf. Premierminister Bayrou hat für 2026 einen Sparhaushalt angekündigt – 44 Milliarden Euro will er im Etat kürzen. In der Bevölkerung macht sich währenddessen eine generelle Mutlosigkeit breit. Nur 31 Prozent der Franzosen blicken laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop von August optimistisch in die Zukunft.
Ein Mitglied der Regierung sagte der Zeitung "Le Figaro" zufolge: "Wir können schon mal unsere Kartons packen."
Regierung in der Klemme zwischen Linken und Rechtsnationalen
Premierminister Bayrou steht von beiden Seiten unter Beschuss: Sowohl das linke Lager als auch das rechtsnationale Rassemblement National (RN) von
Seine Regierung der politischen Mitte ist eingekeilt zwischen den Rechtsnationalen von Marine Le Pen und dem linken Block aus der linkspopulistischen "La France Insoumise" (LFI), Sozialisten, Grünen und Kommunisten. Er braucht Stimmen von ganz rechts oder von links, um Gesetze durchzubringen. Doch stattdessen könnte ihn die Opposition bei der Vertrauensfrage am 8. September zu Fall bringen. Im Parlament bekämpfen sich die drei Blöcke, die ähnlich stark sind. Allianzen sind schwierig – Frankreich ist Koalitionen nicht gewöhnt.
Wer würde auf Bayrou folgen?
Präsident Macron ist zwar unabhängig von der Regierung gewählt. Doch er könnte schon bald das Hauptziel der Proteste werden. "Am 8. September werden wir Bayrou entlassen, am 10. September werden wir Macron stürzen", ist bereits auf einigen Plakaten zu lesen, die dazu aufrufen, "alles zu blockieren". Für den 10. September planen einige Gewerkschaften und Vertreter von linken Interessenverbänden Proteste im ganzen Land.
Macron will bis zum Ende seiner Amtszeit 2027 im Amt bleiben und steht auch einer erneuten Auflösung des Parlaments skeptisch gegenüber. Dann würde es nach dem 8. September vermutlich weitergehen wie bisher: Ein neuer Premierminister müsste gefunden werden, wahrscheinlich wieder aus der politischen Mitte – Macron will seine Wirtschaftspolitik fortsetzen und den Staat sanieren. Als zukünftige Premiers sind unter anderem Innenminister Bruno Retailleau und Verteidigungsminister Sébastien Lecornu im Gespräch.
Der Konservative Retailleau wäre womöglich eine Kampfansage an das RN. Er setzt sich bereits von Bayrou ab, indem er erklärt, er sei nicht mit allen seiner Entscheidungen einverstanden. Er ist unter anderem dagegen, zwei Feiertage abzuschaffen – der Vorschlag im Sparplan, der die meisten Franzosen aufgebracht hat. Und den Bayrou jetzt auch zurücknehmen will.
Frankreichs Schulden wachsen immer weiter
Der Sparhaushalt für 2026 ist also ebenso ungewiss wie die Frage, wer demnächst als Premier regiert.
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Dabei müsste Frankreich bei einer derzeitigen Staatsverschuldung von 114 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und einem Defizit von 5,8 Prozent im Jahr 2024 dringend sparen. Ansonsten könnten die Finanzmärkte die Vertrauenswürdigkeit des Landes herabstufen. Der Staat könnte sich dann nur noch zu schlechteren Bedingungen Geld leihen.
Rückschlag für die deutsch-französischen Beziehungen
Auch auf die deutsch-französischen Beziehungen und damit auf ganz Europa hätte ein Regierungssturz direkte Auswirkungen.
Ende August traf sich der deutsch-französische Ministerrat in Toulon, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Präsident Macron demonstrierten Einigkeit und sprachen von einem Neubeginn der deutsch-französischen Beziehungen. Sie stellten zahlreiche Projekte für die Wirtschaft und Verteidigung in Europa vor. Doch die deutschen Minister wussten nicht, wer in einigen Wochen ihr französischer Ansprechpartner ist.